Karliczek: Mit vertrauenswürdiger Elektronik zu mehr technologischer Souveränität : Datum: Pressemitteilung: 074/2020
BMBF-Leitinitiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ läuft an: Projekte zu Spezial-Prozessoren starten, weitere Projektideen gefragt
Zur Unterstützung einer eigenen wirtschaftlichen Elektronik-Fertigung in Deutschland hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Leitinitiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ gestartet. Zum Förderauftakt am heutigen Dienstag erklärt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek:
„Deutschland ist Innovationsland und will das auch bleiben. Dafür ist es wichtig, dass wir uns bei Schlüsseltechnologien im internationalen Wettbewerb behaupten und technologisch souverän sind. Das gilt insbesondere für die Elektronik, die immer mehr sicherheitskritische Funktionen übernimmt – etwa in der Medizintechnik, in der sich selbst steuernden Fabrik der Industrie 4.0, beim autonomem Fahren oder im Mobilfunk. Beim Einsatz in solch sicherheitskritischen Bereichen, benötigen wir eine vertrauenswürdige Elektronik. Ich arbeite dafür, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen von bösen Überraschungen verschont bleiben. Wir müssen genau wissen, wie die Elektronik funktioniert. Wir müssen deren Fertigung verstehen und in der Lage sein, deren Funktionen überprüfen zu können. An die Kunden deutscher Unternehmen aus aller Welt richtet sich die klare Botschaft, dass sie Produkten ‚Made in Germany‘ vertrauen können.
Für die Entwicklung einer solchen Elektronik benötigen wir nicht nur das entsprechende Know-how, sondern insbesondere auch eine eigene, wirtschaftliche Elektronik-Fertigung in Deutschland und Europa.
Deswegen investiert die Bundesregierung mit der High-Tech-Strategie in Schlüsseltechnologien. Mir war es wichtig, dass die Leitinitiative ‚Vertrauenswürdige Elektronik‘ im Rahmen der BMBF-Digitalstrategie auf den Weg gebracht wird. Ich freue mich, dass nun die ersten drei Projekte zu Spezial-Prozessoren aus der Bekanntmachung ‚Zukunftsfähige Spezialprozessoren und Entwicklungsplattformen (ZuSE)‘ mit einer Förderung in Höhe von rund 25 Millionen Euro starten können. Mit der neuen Bekanntmachung ZEUS rufe ich außerdem zur Einreichung von Projektskizzen zu Entwurf, Herstellung und Analyse ‚Vertrauenswürdiger Elektronik‘ auf. Diese Projekte sollen Anfang 2021 starten. Hierfür sind bis zu 20 Millionen Euro vorgesehen.“
Hintergrund
Im alltäglichen Leben wird die Gesellschaft künftig immer mehr elektronischen Bauteilen vertrauen müssen, die beispielsweise in selbstfahrenden Autos oder Servicerobotern zum Einsatz kommen. Daher ist es wichtig, dass Deutschland und Europa die Digitalisierung mit eigenen Wert- und Zielvorstellungen mitgestalten. Hierfür ist eine technologische und unabhängige Handlungsfähigkeit, also Technologiesouveränität, erforderlich. Dies trifft vor allem auf den Bereich der Mikroelektronik zu, denn Elektronik bildet den Kern jedes digitalen Systems und ist eine Schlüsseltechnologie der Digitalisierung. Hier setzt die Leitinitiative für eine Vertrauenswürdige Elektronik der Digitalstrategie des BMBF an und baut auf Forschung und Entwicklung – vom Design über Herstellung bis zur Prüfung.
Deutschland und Europa sind im Bereich der Mikroelektronik und Elektroniksysteme intensiv in die globalen Wertschöpfungsketten und Partnerschaften eingebunden. Europäische Unternehmen sind sowohl Lieferanten als auch Bezieher von Chips und Elektronik-Komponenten, sowohl Exporteure als auch Importeure. Um in diesen globalen Wertschöpfungsketten eine souveräne Position einzunehmen, muss Elektronik sicher und zuverlässig eingesetzt werden können. Dazu gehört eine Nachvollziehbarkeit der Funktionalitäten sowie eine Versorgungssicherheit. Hierfür sind eigene Elektronik-Kompetenzen nötig, führende oder zumindest anschlussfähige. Endpunkt der Leitinitiative könnte die Übernahme der entwickelten Kriterien und Verfahren durch neutrale Zertifizierungsstellen sein, die für den Weltmarkt die Vertrauenswürdigkeit garantieren.
Die Richtlinie „Vertrauenswürdige Elektronik (ZEUS)“ in der Leitinitiative stärkt die Elektronik-Kompetenzen und damit die Technologiesouveränität der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft in den Bereichen Entwurfsmethoden, Technologien und Herstellungsprozesse sowie Analyse-, Test-, Mess- und Prüfmethoden für Elektronikkomponenten und -systeme.
Informationen zu den drei Projekten aus der Bekanntmachung „Zukunftsfähige Spezialprozessoren und Entwicklungsplattformen (ZuSE)“:
Scale4Edge erforscht, wie Entwicklungszeit und -kosten anwendungsspezifischer Edge-Prozessoren signifikant reduziert werden können. Im Projekt entsteht eine skalierbare, transparente und flexibel erweiterbare Entwicklungsplattform auf Basis der lizenzfreien, quelloffenen RISC-V-Befehlssatzarchitektur und ein vollständiges, kommerziell zugängliches Ökosystem mit allen nötigen Entwicklungskomponenten. Je nach konkreter Fertigungstechnologie kann dann ein großer Teil oder gar die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland abgebildet werden.
Edge-Prozessoren führen meist mobil und nahe an Sensoren, an der Schnittstelle von der realen zur virtuellen Welt, entscheidende erste Berechnungen aus, zum Beispiel für die Auswertung von Maschinendaten in der Industrie 4.0. Sie müssen darum nicht nur besonders zuverlässig, performant, und robust, sondern auch energieeffizient arbeiten. Darüber hinaus müssen sie ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit bieten.
Weitere nun startende Projekte sind „KI-mobil für eine Prozessorplattform“, die es ermöglichen soll, energie-effiziente Spezialprozessoren für Künstliche Intelligenz kostengünstig und schnell zu entwickeln – insbesondere für das autonome Fahren (Projektleitung: Bayerische Motoren Werke), sowie „KI-Power“, das sich mit Prozessoren für den Einsatz von KI-Algorithmen zur effizienten Steuerung von Leistungselektronik befasst (Projektleitung: Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm).
Mit einer neuen Bekanntmachung ZEUS ruft das BMBF zudem zur Einreichung von Projektskizzen zu Entwurf, Herstellung und Analyse „Vertrauenswürdiger Elektronik" auf, um durch eigene Kompetenz kritische Abhängigkeiten zu vermeiden. Mittelfristiges Ziel ist es, eine vertrauenswürdige Wertschöpfungskette durch Überprüfbarkeit und Zertifizierungen der Komponenten entlang der gesamten Lieferkette aufzubauen. Diese Projekte sollen Anfang 2021 starten.