Pressemitteilung: 160/2021 05.08.2021

Karliczek: Europäische Forschungskooperation stärken, um den Klimwandel besser zu verstehen

BMBF fördert den Aufbau der neuen Forschungsinfrastruktur ACTRIS-D für die Erforschung von Aerosolen, Wolkenbildung und Spurengasen

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert den Aufbau des deutschen Beitrags zur europäischen dezentralen Forschungsinfrastruktur ACTRIS (Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure) mit insgesamt 86 Millionen Euro. ACTRIS bietet die Grundlage für Messungen und Erforschung von Aerosolen (Feinstaubpartikeln), Wolkenbildung und Spurengasen. Die Infrastruktur soll neue Erkenntnisse liefern, um die Dynamiken des Klimawandels besser zu verstehen, und dazu beitragen, die Vorhersagen für Luftqualität, Wetter und Klima zukünftig noch präziser zu machen.

Hierzu erklärt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek:

„Eine zentrale Herausforderung unserer Zeit ist die Eindämmung des Klimawandels. Beim Klimawandel spielen nicht nur Treibhausgase eine Rolle, auch Feinstaubpartikel, Spurengase und die Wolkenbildung wirken auf das Klima ein. Das wollen wir noch genauer erforschen, um noch besser handeln zu können. Sowohl das Forschen als auch das Handeln geht wirksam nur über Landesgrenzen hinweg. Deshalb müssen alle europäischen Länder so eng wie möglich zusammenarbeiten. Die Bundesregierung beteiligt sich deshalb mit dem Aufbau nationaler Einrichtungen an der europäischen Forschungsinfrastruktur ACTRIS. Die neue Infrastruktur der Atmosphärenforschung hilft dabei, zukünftige Wetter- und Klimavorhersagen noch stärker zu präzisieren. Deutschland baut mit dieser Investition seine Kompetenzen in der Atmosphärenforschung weiter auf internationalem Topniveau aus.“

 

Hintergrund:

Im August startet das zweite der beiden großen Verbundprojekte zum Aufbau des deutschen Beitrags ACTRIS-D zur Erforschung der Rolle von Gasen und Wolkenbildung für den Klimawandel. Beim Aufbau und der Forschung sind insgesamt elf Einrichtungen beteiligt, die die Atmosphärenforschung an Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Behörden vertreten. Auf europäischer Ebene ist eine enge Forschungskooperation geplant.

ACTRIS ist die europäische Forschungsinfrastruktur für kurzlebige Atmosphärenbestandteile, die die Erdsystembeobachtung und -forschung ausbaut und der Gesellschaft das Wissen zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen für die Eindämmung des Klimawandels liefert. Das Kürzel ACTRIS steht für „Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure“ – also eine Forschungsinfrastruktur für Aerosole (Feinstaubpartikel), Wolken und Spurengase. ACTRIS-D steht für den deutschen Beitrag.

Diese kurzlebigen Klimatreiber sind in der Regel nur wenige Stunden bis Wochen in der Atmosphäre unterwegs – im Gegensatz zu den langlebigen Treibhausgasen wie Kohlendioxid, die viele Jahre bis Jahrzehnte in der Atmosphäre verbleiben. Deshalb ist über die Wirkung der langlebigen Treibhausgase deutlich mehr bekannt als über die kurzlebigen Bestandteile. Doch beeinflussen auch diese flüchtigen Bestandteile das Klima deutlich.

So reflektieren winzige Schwebeteilchen beispielsweise Sonnenlicht und Wärmestrahlung oder dienen als Keime für die Bildung von Wolkentropfen und Eiskristallen, was die Niederschlagsbildung beeinflusst. Der Mensch nimmt durch Landnutzung, Verkehr und Energieerzeugung Einfluss auf die kurzlebigen Klimatreiber, die sehr unterschiedlich wirken können: Zum Beispiel tragen Rußpartikel zur Erwärmung bei, Sulfat- und Nitratpartikel wirken dagegen abkühlend. Alle diese Faktoren wirken sich in komplexer Weise auf das Klima aus und müssen in den Vorhersagen berücksichtigt werden.

Neben den Wirkungen auf das Klima haben kurzlebige Bestandteile der Atmosphäre auch einen starken Einfluss auf die Luftqualität und damit auf die menschliche Gesundheit. Schwebeteilchen, umgangssprachlich Feinstaub genannt, und Spurengase wie Stickoxide führen häufig zu Erkrankungen der Atemwege und reduzieren die Lebenserwartung aufgrund von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen.

Die Auswirkungen der menschlichen Aktivitäten auf die Atmosphäre von der Luftverschmutzung durch Abgase und Reifen- bzw. Bremsenabrieb im Verkehr bis hin zu riesigen Waldbränden können jedoch nur dann abgeschätzt werden, wenn Messungen dieser Bestandteile kontinuierlich und großflächig an vielen Stationen erfolgen, denn die Atmosphäre kennt keine nationalen Grenzen. Deshalb wurde 2016 die paneuropäische Initiative ACTRIS in die europäische Roadmap für Forschungsinfrastrukturen aufgenommen (ESFRI). Ab 2022 soll ACTRIS in der Rechtsform eines ERIC (European Research Infrastructure Consortium) seine langfristige Arbeit starten. Mit der Aufnahme des deutschen Beitrags ACTRIS-D in die Nationale Roadmap für Forschungsinfrastrukturen hatte sich Deutschland 2019 zur Mitarbeit an der europäischen Forschungsinfrastruktur bekannt.

Das BMBF hat nun die Förderung des Aufbaus von ACTRIS-D mit zunächst insgesamt rund 75 Millionen Euro begonnen. Mit diesen Mitteln werden in den nächsten fünf Jahren zahlreiche feste und mobile Messstationen sowie Labore und Simulationskammern ausgebaut oder neu errichtet. Eine zweite Förderphase zum vollständigen Aufbau von ACTRIS-D mit 11 Millionen Euro ist für den Zeitraum von 2026 bis 2029 geplant.

Auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) wird einen wichtigen Beitrag leisten, indem es langfristig den Betrieb von Serviceeinrichtungen wie die  ACTRIS-Kalibierzentren finanziert.

An ACTRIS beteiligen sich europaweit weit über 100 Forschungseinrichtungen aus 22 Ländern. Sie haben über Europa ein Netz aus mehr als 70 Observatorien gespannt, das durch Stationen in den Polarregionen, den Tropen und in Asien ergänzt wird.

ACTRIS soll einer breiten Nutzergemeinschaft einen zuverlässigen Zugang zu seinen Daten, Ressourcen und Diensten bieten, um eine qualitativ hochwertige Erdsystemforschung zu ermöglichen. Vom freien und offenen Zugang werden nicht nur der Technologie- und Wissenschaftsstandort Europa, sondern auch Entscheidungsträger, Umweltbehörden und letztlich Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa profitieren.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert diese Initiative im Rahmen der Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit" (FONA).


Beteiligte Forschungseinrichtungen:

• Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig (federführende Einrichtung) > https://www.tropos.de/  

• Alfred-Wegener-Institut (AWI) – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung > https://www.awi.de/

• Bergische Universität Wuppertal (BUW) > https://www.uni-wuppertal.de/

• Deutscher Wetterdienst (DWD), Offenbach > https://www.dwd.de/

• Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ) > https://fz-juelich.de/

• Goethe-Universität Frankfurt am Main > https://www.uni-frankfurt.de

• Karlsruher Institut für Technologie (KIT) > https://www.kit.edu/

• Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) > https://www.lmu.de/

• Umweltbundesamt (UBA), Dessau > https://www.umweltbundesamt.de/

• Universität Bremen (UNIHB) > https://www.uni-bremen.de

• Universität zu Köln (UCOL) > https://www.uni-koeln.de/