Stadtfarmer und Forschende ernten Pilze : Datum: , Thema: Buergerwissenschaften
Die „Essbaren Städte“ Oberhausen und Bonn wachsen: Im Bürgerforschungsprojekt SAIN haben Forschende und Bürger Pilzgärten angelegt. Diese tragen zur Versorgung mit frischen Lebensmitteln bei – und sind Orte der Begegnung und des Lernens.
Die Weltbevölkerung wächst rasant: Neun Milliarden Menschen werden schätzungsweise bis Mitte des Jahrhunderts auf der Erde leben – und viele davon zieht es in die Städte. Das bringt einige Herausforderungen mit sich: Eine davon ist die Versorgung der Menschen mit Nahrung. Denn die Landflucht entzieht auch der Landwirtschaft den Nachwuchs. Um die Versorgungslücke zu schließen, könnten die Städter in Zukunft selbst mit anpacken – und auf freien Flächen Obst und Gemüse anbauen. Wie das gelingen kann, was Stadtfarmer von Landwirten lernen können und was die Wissenschaft zum nachhaltigen Obst- und Gemüseanbau in den Städten beitragen kann, untersuchen Fraunhofer-Forschende, Mitarbeitende des Wissenschaftsladens Bonn und Bürgerwissenschaftler im Projekt SAIN. Gemeinsam haben sie in Oberhausen einen Pilzgarten eröffnet – und jetzt die erste Ernte eingeholt. Das Citizen Science-Projekt ist eines von 13 Pilotprojekten, die vom Bundesforschungsministerium gefördert werden.
Balkongärten, Stadtfarmen und Aquaponikanlagen: Lebensmittel für die „Essbare Stadt“
„Das SAIN Projekt möchte die Menschen in der Stadt aktivieren und sensibilisieren für die Möglichkeiten der lokalen Nahrungsmittelproduktion. Die Bürger können mit uns ihre Ideen diskutieren, gemeinsam entwickeln und erforschen. Stoffkreisläufe zu verbessern, sichtbar zu machen und in den Kontext einer Stadt einzubinden ist ein wichtiger Baustein der Städte von morgen“, sagt Projektleiterin Simone Krause vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT). In Bonn und Oberhausen haben die Forschenden gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern bereits Balkongärten, Stadtfarmen und Aquaponikanlagen für die städtische Fischzucht angelegt. Mit den Pilzgärten wollen sie nun das Angebot der „Essbaren Städte“ erweitern.
In Bonn forschen Bürgerinnen und Bürger, auf welchen städtischen „Abfall-Substraten“ wie Kaffeesatz und Sägespäne Edelpilze am besten gedeihen. Norbert Steinhaus vom Wissenschaftsladen Bonn (WILA) erklärt: „Das geschieht nicht unter freiem Himmel, sondern in einem Kellerraum. Das ist für den ökonomischen Anbau interessant, weil man für die Pilz-Produktion keine Freiflächen braucht.“
Seitlinge, Shiitake und Igel-Stachelbart aus dem städtischen Garten
Seitlinge, Shiitake und Igel-Stachelbart fühlen sich im Pilzgarten auf dem Gutshof Haus Ripshorst in Oberhausen bereits heimisch. Die Pilzkulturen haben Bürgerinnen und Bürger während eines Workshops Anfang des Jahres gemeinsam mit Forschenden in Baumstämme eingeimpft. Auch zukünftig werden sie den Pilzgarten gemeinsam pflegen – und weitere Gärten anlegen. „Ich erhoffe mir, dass wir damit den Grundstein dafür legen, dass Pilze – neben Obst und Gemüse – ein unverzichtbarer Bestandteil der Essbaren Stadt Oberhausen werden. Wir könnten damit Vorreiter für andere Essbare Städte sein“, sagt Fraunhofer-Forscherin Julia Krayer.
Orte der Begegnung und des Lernens
Die Pilzgärten sind dabei weit mehr als nur ein Teil der Produktionskette für frische Nahrungsmittel. Sie sind ein Ort der Begegnung und des Lernens für alle Generationen. Gemeinsam erforschen Jung und Alt, auf welchen Materialien und unter welchen Bedingungen die Pilze am besten wachsen. Zwischen fünf und sechs Jahren sind die jüngsten Pilzforscher, die zur Eröffnung des Gartens gekommen sind. Zehn Kinder einer örtlichen Kita wollen genau wissen, wie und wo die Pilze wachsen. Dazu haben sie in Petrischalen Sand, Erde, Rinde, Stroh und Papier mit Pilzkulturen geimpft. Nun heißt es: abwarten, beobachten, dokumentieren – forschen.
Nachhaltige, frühkindliche Bildung im Pilzgarten
„Die Kinder blühen in der Natur richtig auf“, sagt Ortrud Podworni-Michael. Als ehrenamtliche Naturtrainerin begleitet sie eine KITA-Einrichtung, in der Kinder aus 30 Nationen betreut werden.. „Ich möchte den Kindern zeigen, dass unser Handeln auch stets Auswirkungen auf die Natur hat“, sagt sie. „Fällt man einen Baum, entzieht man auch anderen Lebewesen wie Pilzen den Lebensraum.“ Der Pilzgarten ist für sie ein Ort der nachhaltigen, frühkindlichen Bildung. Dort lernen die Kinder zugleich spielerisch alles Wissenswerte über Pilze: „Der Pilz – nicht Mensch – nicht Tier – nicht Pflanze; der Pilz – eine eigene Art“, rappen die kleinen Forscher. Und nicht zu vergessen: „Ob Champignon – Steinpilz – oder Pfifferling; der Pilz – eine leckere Art.“