Muscheln reinigen Meerwasser : Datum: , Thema: forschungsprojekt in der ostsee
Mehr als 500.000 Tonnen Miesmuscheln werden in Europa jährlich als Lebensmittel produziert. Doch die Schalenweichtiere haben einen weiteren Nutzen: Sie reinigen das Meer.
Jedes Jahr im Spätsommer setzt die Ernte ein. Dann bringen Fischer massenweise Miesmuscheln aus der Nordsee an Land. In der Ostsee dagegen wird die Zucht der delikaten Meeresbewohner erst seit wenigen Jahren wieder im kleinen Maßstab praktiziert – die Erzeugnisse werden als regionale Spezialität verkauft. Doch der Nutzen der Muscheln reicht weit über Kochtöpfe hinaus.
Als natürliche Wasserfilter können sie in der Ostsee dazu beitragen, die Folgen der Überdüngung abzumildern. Hier hat eine zu starke Anreicherung von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor, die aus der Landwirtschaft, Kläranlagen und der Industrie in das Meer gelangen, zu einem massiven Wachstum von pflanzlichem Plankton geführt. Durch diese Schwebeteilchen trübt sich das Wasser stark ein, es gelangt weniger Licht zum Meeresboden, was zu einem Absterben der dort angesiedelten Pflanzenarten führt – zum Beispiel von Seegras, der Kinderstube vieler Fischarten. Das empfindliche Ökosystem gerät somit aus der Balance.
Die blauschwarzen Meeresbewohner sind in der Lage, bis zu drei Liter Wasser innerhalb einer Stunde anzusaugen und mit ihren schleimbesetzten Kiemen mikroskopisch kleine Algen und organische Partikel herauszufiltern. Davon ernähren sie sich. Ein Quadratmeter Miesmuschelbank kann pro Stunde rechnerisch 140 Liter Wasser von pflanzlichen Schwebeteilchen befreien.
Diese natürliche Reinigungsfunktion wurde im internationalen Forschungsvorhaben BONUS OPTIMUS im Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) von 2017 bis 2020 näher untersucht, gefördert vom Bundesforschungsministerium und der Europäischen Union. In zwei kleinen Testfarmen vor Rügen, im Greifswalder und Wieker Bodden, erforschte das Wissenschaftlerteam zudem, ob eine Muschelzucht in diesem Teil der Ostsee funktionieren würde.
Für das Experiment wurde ein spezielles Leinensystem an Bojen befestigt und in das Wasser gebracht. Dort sollten sich die Larven der im Frühjahr laichenden Muscheln anheften und in einem Zeitraum von rund einem Jahr heranwachsen. Die Forscherinnen und Forscher überprüften mit Messungen regelmäßig Besiedlungsdichte, Wachstum und spezielle Umweltparameter.
Erste Ergebnisse waren ernüchternd
Nach wirtschaftlichen Maßstäben waren die Ergebnisse ernüchternd: Die Miesmuscheln wiesen weder eine handelsübliche Größe auf, noch hatten sie sich in großer Zahl in der Unterwasserfarm angesiedelt. Dennoch sammelte das Forscherteam wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Ökosystemleistungen der Muscheln sowie der Umweltauswirkungen von Aquakulturen.
Der geringe Ertrag sei nicht überraschend, da die Boddengewässer nur einen geringen Salzgehalt von 0,5 bis 0,7 Prozent aufweisen, sagt Projektleiter Gerald Schernewski. „Im salzhaltigen Wasser wachsen Miesmuscheln deutlich schneller.“ Auch Temperaturschwankungen könnten als Stressfaktoren für die Muscheln wirken, was sich negativ auf die Populationen auswirkt.
Plankton im Wasser wird lokal reduziert
Vielversprechende Resultate erzielte das Projekt in ökologischer Hinsicht. Die Experimente zeigten eine Abnahme der Chlorophyll-Konzentration in unmittelbarer Umgebung der Testfarm. Somit wurde nachgewiesen, dass zumindest lokal der Anteil des Planktons im Wasser reduziert wird. Muscheln binden auch Nährstoffe, die dem Meer bei der Muschelernte entzogen werden.
Hinzu kommt noch ein weiter Punkt, der untersucht wurde: die Verwendung von Muschelfleisch für die Produktion von hochwertigen Futtermitteln. „Der Preis für Fischmehl ist aufgrund stagnierender Fischereierträge und einer deutlich größeren Nachfrage in den letzten Jahren stark gestiegen“, erklärt Schernewski. Hier könnte ökologisch nachhaltiges Muschelmehl als Alternative dienen.
Ergebnisse sollen bei der Verbesserung der Wasserqualität in der Ostsee helfen
Nach Aussage des Küstenforschers ist das „ökologische und ökonomische Gesamtpaket“ für die Muschelzucht entscheidend. „Die Muschelzucht sollte umweltschonend und nachhaltig sein und darf Flora und Fauna nicht beeinträchtigen.“ Hierzu liefert das Projekt wichtige Entscheidungshilfen für Behörden. Die Ergebnisse fließen auch in den Aktionsplan der HELCOM-Kommission der Ostsee-Anrainer zur Verbesserung der Wasserqualität in der Ostsee ein.
Auch die Akzeptanz von Aquakulturen spielt eine große Rolle. „Unsere Befragungen zeigen, dass eine anfängliche Skepsis in eine positive Wahrnehmung umgeschlagen ist“, sagt Nardine Stybel vom Verein EUCC – Die Küsten Union Deutschland. Bürger und Kommunalpolitiker bewerteten das Projekt als letztendlich als „Zukunftsidee“. Sie bedauerten, dass die Muschelfarmen wieder abgebaut wurden.