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Mathematik hilft, Leben zu retten : Datum: , Thema: Forschung

Kann Mathematik dabei helfen, die medizinische Versorgung auf dem Land zu verbessern und Kosten im Gesundheitssystem zu senken? Das erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt.

Manuel Streicher, O. Krumke und Eva Schmidt
Mittels Mathematik lassen sich viele Prozesse im Gesundheitswesen verbessern: So berechnen beispielsweise Manuel Streicher (v.l.), Sven Krumke und Eva Schmidt von der TU Kaiserslautern die optimale Standortverteilung von Notarztdiensten. © TU Kaiserslautern/Thomas Koziel

Bei der medizinischen Versorgung auf dem Land droht in vielen deutschen Regionen ein dramatischer Mangel: Zehntausende Ärzte gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand, Nachwuchsmediziner zieht es in die Städte, die Anzahl von Apotheken sinkt jährlich und auf Notärzte oder Krankentransporte müssen Patienten oft lange warten. Das kann dazu führen, dass das Leben eines Unfallopfers vom Standort der nächstgelegenen Rettungswache abhängt. Abhilfe könnte künftig ein Computersystem schaffen, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Verbundprojekt „HealthFaCT“ entwickeln. Es soll dabei helfen, die optimale Standortverteilung von Notarztdiensten und Notdienstapotheken zu berechnen. Zudem soll es dazu beitragen, die Wartezeiten bei Krankentransporten zu minimieren. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt mit etwa 1,1 Millionen Euro.

Bessere Versorgung und geringere Kosten für das Gesundheitssystem

„Im Gesundheitswesen gibt es viele komplexe Prozesse, die mit Mathematik verbessert werden können“, sagt Sven Krumke von der Technischen Universität Kaiserslautern, die sich am Verbundprojekt beteiligt. Dazu zählt auch die medizinische Versorgung der Menschen fernab der Großstädte: „Unser Ziel ist es, diese Versorgung für alle Beteiligten zu verbessern und gleichzeitig die Kosten für das Gesundheitssystem gering zu halten“, sagt der Mathematiker. In einem ersten Schritt werten die Wissenschaftler Daten aus Unfall- und Notfallstatistiken aus. So finden sie heraus, wie viele Rettungseinsätze es in der Vergangenheit in bestimmten Regionen, Landkreisen oder Ortschaften gab. Diese Daten können dann in mathematischen Modellen verwendet werden, um eine optimale Verteilung der Rettungsstellen und die benötigte Anzahl von Ärzten zu berechnen. Dabei wird in den Modellen sichergestellt, dass jeder Notfall in angemessener Zeit erreicht werden kann.

Extremfälle sind abgedeckt, unrealistischen Szenarien werden vermieden

Die Forscher sprechen dabei von einem mathematischen Optimierungsproblem: Planen sie für den schlimmsten Fall, also das Maximum an Notfällen in allen Regionen, brauchen sie viele Ärzte – die Kosten steigen. Planen sie für das Minimum, sind die Kosten gering – doch es droht eine Unterversorgung. „Das Problem ist, dass die genauen Anzahlen der Notfälle für die Zukunft unbekannt ist“, erklärt Krumke. Die mathematische Herausforderung ist es daher, Modelle auf Basis der sogenannten „robusten Optimierung“ zu erstellen, die trotz dieser Unsicherheiten bestmögliche Lösungen liefern. „Daher erlauben wir in unseren Modellen in jeder einzelnen Region den schlimmsten Fall – jedoch nicht, dass dieser überall gleichzeitig eintritt“, sagt Krumke. Damit decken die Mathematiker immer noch Extremfälle ab, vermeiden aber die unrealistischen Szenarien, die in der Planung übermäßig viele Ressourcen benötigen würden. Wie erste Tests ihres Systems zeigen, kann man die ambulante Versorgung deutlich verbessern, ohne die Kosten für das Gesundheitssystem übermäßig zu erhöhen.

System berechnet bestmöglichen Standort für Rettungswache

Box: zitat

"Wir können die Schichten der Rettungskräfte besser planen – und sie damit möglicherweise deutlich entlasten.“

Professor Sven O. Krumke, Technische Universität Kaiserslautern

Um den optimalen Standort der Rettungswachen herauszufinden, geben die Mathematiker ihrem Computer vor, wie schnell ein Notarzt an einem Unfallort ankommen muss. „Aus der sogenannten Antwortzeit ergibt sich der Radius, den eine Wache abdecken kann“, sagt Krumke. Kombiniert mit den Unfall- und Notfalldaten berechnet das System dann die bestmöglichen Standorte. Mit ähnlichen Methoden können die Forschenden die idealen Standorte für Apotheken für die flächendeckende Arzneimittelversorgung berechnen und Wartezeiten bei Krankentransporten reduzieren.

Entlastung für Rettungskräfte

Noch befindet sich die Software in der Entwicklung. Zum Projektende wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Planungstool anbieten, dass im Idealfall deutschlandweit die medizinische Versorgung auf dem Land verbessern soll. Davon würden letztlich nicht nur die Patientinnen und Patienten profitieren: „Wenn wir die optimalen Standorte und die Anzahl des benötigten medizinischen Personals kennen, könnten wir auch die Schichten der Rettungskräfte besser planen – und sie damit möglicherweise deutlich entlasten“, sagt Krumke.

Hintergrund

Das Bundesforschungsministerium fördert das Verbundprojekt „HealthFaCT: Optimierung der ambulanten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum“ bis Oktober 2019 mit etwa 1,1 Millionen Euro. Am Projekt beteiligen sich die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, die Technische Universität Kaiserslautern, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und das Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik, die von Anwendungspartnern z.B. durch Daten unterstützt werden. Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es, ein computergestütztes Optimierungs- und Entscheidungssystem zu entwickeln, das die ambulante medizinische Versorgung auf dem Land verbessert. Dafür verknüpfen die Forscher mathematische Optimierungsmethoden mit Erkenntnissen aus der Analyse großer Datenmengen.