KI: Analoges Brettspiel zeigt, wie Maschinen lernen : Datum: , Thema: jugendaktion
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek spielt mit Schülerinnen und Schülern eines Berliner Gymnasiums ein Brettspiel, das die Funktionsweise von Künstlicher Intelligenz erläutert. Nach großem Zuspruch wurde nun eine zweite Auflage erstellt.
Die Schule wird zur Spielwiese. Rund 30 Schülerinnen und Schüler des Berliner Tiergarten-Gymnasiums haben sich in der Aula versammelt und „zocken“, was das Zeug hält. Aber nicht am Computer, wie sie das zu Hause wahrscheinlich tun. Nein, heute steht ein ganz besonderes, analoges Brettspiel auf dem Programm – und das ganz regulär in der Unterrichtszeit.
„Mensch, Maschine! Wer zeigt hier wem den Weg?“ heißt das Spiel. Es hat das Ziel, auf spielerische Weise zu vermitteln, wie Maschinen lernen – und wie aus vielen Millionen einzelnen Informationen die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) entsteht. Deshalb ist heute auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek in das Gymnasium gekommen. Sie möchte sehen, wie das Spiel, das im Zuge des Wissenschaftsjahres 2019 entwickelt wurde, in den Schulen ankommt. Die Antwort lautet, so viel kann jetzt schon verraten werden: sehr gut!
Karliczek hat viel Zeit mitgebracht. Sie lässt sich von Malik aus der zehnten Klassen und weiteren Schülerinnen und Schülern erklären, wie das Spiel funktioniert. Vereinfacht gesagt so: Ein Mensch spielt im „Bauernschach“ gegen ein Team aus Schülerinnen und Schülern – die „Maschine“. Diese entscheiden über ihre Züge aber nicht frei, sondern haben Situationskarten zur Hand, auf denen alle möglichen Züge hinterlegt sind. Nach einem festen Schema weisen die Karten die Jugendlichen an, wie sie ihre Figuren auf dem Brett setzen sollen. Gewinnt am Ende der Mensch, wird der entscheidende Zug aus den Anweisungen gestrichen. Beim nächsten Mal wird „die Maschine“ diesen Fehler also nicht mehr machen – sie lernt. Bis sie irgendwann so perfekt ist, dass es für den Menschen kaum eine Chance mehr auf den Sieg gibt.
Die KI lernt nur aus Fehlern
Anja Karliczek ist begeistert. „Das Spiel vermittelt auf sehr einfache Weise, wie Künstliche Intelligenz funktioniert und übersetzt ein extrem abstraktes Thema so, dass es die Menschen verstehen. Der Punkt ist: KI ruft bei vielen Menschen noch Sorgen hervor. Wenn wir aber zeigen können, dass wir eine Technik beherrschen können, die in vielen Alltagsprodukten bereits enthalten ist, dann haben wir es richtig gemacht.“ Malik aus der zehnten Klasse fasst das so zusammen: „Die KI lernt nur aus Fehlern. Das war sozusagen mein Aha-Erlebnis. Sie wird immer besser und ist am Ende sogar schwer zu besiegen.“ Und Incilay aus der elften Klasse meint: „Aus Schulbüchern lernt man solche Zusammenhänge eher weniger. Es ist deshalb toll, dass man sie jetzt spielend erfahren kann“.
Die „Maschine“, die Karliczek vorgestellt wird, macht noch Fehler. Aber jede falsche Entscheidung wird protokolliert und für die nächste Runde unterbunden. Mindestens zehn Runden sind nötig, um den Lerneffekt der „Maschine“ am eigenen Leib zu erfahren – so viel Zeit hat die Ministerin an diesem Tag allerdings dann doch nicht.
Denn es gibt zum Thema KI auch noch Grundsätzliches zu diskutieren. Karliczek hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die KI selbst, sondern auch deren Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern. Deshalb steht auch das Wissenschaftsjahr 2019 ganz im Zeichen der KI. Vor der Spielrunde im Gymnasium hat sie deshalb schon mit Menschen aus Forschung und der Schulpraxis diskutiert. Wo stehen wir heute? Was sind die Aufgaben für die nächste Zeit? „Die Zukunft ist davon geprägt, dass sie sich ganz schnell weiterentwickelt. Deshalb müssen wir kurze Wege finden, darüber zu informieren“, sagt Karliczek.
Carsten Schulte von der Universität Paderborn, der das Spiel federführend entwickelt hat, plädiert deshalb für mehr fächerübergreifenden Unterricht bei technischen Themen. „Informatik als Pflichtfach ist ein absolutes Muss“, sagt er.
Stumpfes Befolgen einfacher Regeln
Das zeigen alleine schon die nackten Zahlen. Rund 50.000 Jobs sind laut aktuellen Erhebungen in der IT-Branche unbesetzt. Ängste vor großflächigen Stellenverlusten durch Künstliche Intelligenz in anderen Branchen sind zwar verständlich, aber unbegründet. Auch deshalb fordert die Ministerin: „Wir müssen lernen, mit den Chancen der KI umzugehen, aber gleichzeitig auch die Risiken im Blick behalten“.
Vielleicht, auch darum dreht sich die Diskussion etwas später, liegt das auch am Begriff selbst: Künstliche Intelligenz. Das vermittelt ein mystisches Bild von einer bösen Maschine, die irgendwann tatsächlich den Menschen in allen Lebenslagen überlegen sein könnte. „Dabei ist an KI eigentlich überhaupt nichts mystisch, es geht um das stumpfe Befolgen von einfachen Regeln“, sagt Schulte.
Damit diese Erkenntnisse noch viel mehr Schülerinnen und Schüler erreicht – denn immerhin geht es ja auch darum, junge Menschen für die sogenannten MINT-Fächer zu begeistern – hat das BMBF entschieden, noch einmal 750 Klassensätze des Spiels zur Verfügung zu stellen. Denn: Die erste Charge war so beliebt, dass das Spiel zwischenzeitlich nicht mehr verfügbar war.
Das Gymnasium Tiergarten ist jedenfalls schon jetzt gut ausgestattet. Auch lange nach dem offiziellen Ende des Termins sitzen noch immer Schülerinnen und Schüler um die Tische und spielen. Die Lehrkräfte freut das. Denn: Mit jeder Runde lernt ja nicht nur die „Maschine“ – sondern auch die Jugendlichen.