Forschungsalltag in Afrika : Datum: , Thema: gesundheitsforschung
Weltweit leiden etwa 68 Millionen Menschen an der Tropenkrankheiten "Elephantiasis". Klinische Studien können helfen, das Leben der Erkrankten zu verbessern – doch gerade in Afrika gibt es viele Hindernisse für Forschende.
Weite und nur mühsam zu überbrückende Entfernungen, Gefahren für Leib und Leben durch drohende Gewaltausbrüche, immer wieder Stromausfälle und gestörte Telefonverbindungen – wer in Entwicklungs- und Schwellenländern zu neuen Medikamenten und Behandlungsmethoden von Krankheiten forscht, hat oft mit widrigen Umständen zu kämpfen. Dabei ist es gerade in diesen Ländern von höchster Bedeutung, auch klinische Studien durchzuführen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern.
Das Ziel, Hindernisse im Kampf gegen Krankheiten zu überwinden, trägt das mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums ins Leben gerufene Forschungsnetzwerk TAKeOFF schon im Namen: die englische Abkürzung steht für „Tackling the obstacles to fight filariasis and podoconiosis“. In ihm haben sich Infektionsforscher aus Ghana, Tansania und Kamerun sowie aus Deutschland zusammengefunden. Sie suchen nach Möglichkeiten, die Lymphatische Filariose und Lymphödemkrankheiten allgemein zu bekämpfen, von denen weltweit mehr als 850 Millionen Menschen bedroht sind.
Der Stich einer Mücke, ein Gang ohne Schuhe über vulkanische Erde – anders als in unseren Breiten braucht es in den feucht-tropischen Regionen der Erde nur wenig, um an schwerwiegenden Entzündungen zu erkranken. Es sind erschreckende Bilder, die die Lymphatische Filariose auch unter dem Namen Elefantenkrankheit bekannt gemacht haben: Betroffene weisen groteske Schwellungen vor allem an Füßen und Beinen auf, die es ihnen oft unmöglich machen, einer Arbeit nachzugehen, sie leiden unter Fieberattacken und starken Schmerzen, werden in ihren Dörfern und sogar ihren Familien ausgegrenzt und isoliert. Mit Unterstützung deutscher Kooperationspartner treibt Samuel Wanji, international erfahrener Infektionsmediziner und Professor an der Universität Buea in Kamerun, eine klinische Studie voran, die diesen Menschen Hilfe bringen soll.
Ohne sie läuft wenig: Mitarbeiter vor Ort leisten unschätzbare Hilfe
Schon in Deutschland ist es nicht immer leicht, Menschen zu finden, die bereit sind, an einer klinischen Studie teilzunehmen, und auch im zentralafrikanischen Kamerun stellte sich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gleich zu Beginn eine entscheidende Hürde. Es galt engagierte Mitarbeitende zu gewinnen, die die Bevölkerung in den oft nur schwer zugänglichen dörflichen Gemeinschaften des Bezirks Bafut über die Krankheit informieren und mit besonderen Hygienemaßnahmen vertraut machen, mit denen sich die Krankheit vermeiden oder aber ihre Symptome mildern lassen. Aufgabe dieser „community health worker“ ist es auch, Vorurteile abzubauen und Patienten vor Ort in Augenschein zu nehmen, festzustellen, wer die Bedingungen zur Teilnahme an der Studie erfüllen könnte.
Dabei hatten die Projektverantwortlichen um Samuel Wanji nicht nur mit Vorurteilen zu kämpfen, sondern auch vielen Widrigkeiten im Alltag. Zwar galt das Anfang der 1960er Jahre unabhängig gewordene Kamerun lange als Stabilitätsanker der Region, doch wächst auch dort die Gefahr gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen den staatlichen Autoritäten und oppositionellen Gruppierungen. „Für uns gab es nur zwei Möglichkeiten“, beschreibt der 59 Jahre alte Infektionsforscher, „die Studie angesichts dieser Rahmenbedingungen aufgeben oder uns aber erst recht für unsere Patienten einsetzen.“ Dem an der Universität Montpellier und dem am Muséum national d’histoire naturelle in Paris ausgebildeten Wissenschaftler und gebürtigen Kameruner ist die Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten ein Herzensanliegen; dafür engagiert er sich in Forschung und Lehre und bei der Umsetzung von Gesundheitsprogrammen.
Forschen und helfen trotz schwieriger Rahmenbedingungen
In den ländlichen Regionen Kameruns ist es oft ein schwieriges Unterfangen, Erkrankte direkt einzubinden und anzusprechen. Aufgrund der unsicheren politischen Lage können die Untersuchungsteams des Projekts TAKeOFF anders als ursprünglich geplant nicht in die jeweiligen Dorfgemeinschaften fahren, sondern müssen die Studienteilnehmer in eigens angemietete Räumlichkeiten einbestellen. Das erfordert ein hohes Engagement auch von den Menschen, die an Lymphödemen, der massiven Schwellung von Beinen oder Armen, leiden. Bei tropischem Klima und zum Teil mit offenen Wunden, oft unter großen Gefahren, müssen sie lange Wege vom Heimatort zum Studienzentren in Kauf nehmen, wo ein medizinisches Team weitere Untersuchungen und Befragungen vornimmt, Blut- und Urinproben entnimmt, die in Patientenprotokollen verzeichnet werden.
Immer wieder berichten die Forschenden zudem von Ausfällen in der Stromversorgung, von defekten Kühlschränken, in denen Patientenproben gelagert werden sollten, fehlendem Stickstoff, der zum Einfrieren der Patientenproben benötigt würde. Ein weiteres Problem sind die zum Teil schlechten Telefon- und Internetverbindungen, die die Rücksprache mit den deutschen Kooperationspartnern von TAKeOFF erschweren. Auf schnelle Antworten der deutschen Kollegen und Kolleginnen sind die Projektpartner in Kamerun sowie Ghana und Tansania, wo ähnliche Studien auf den Weg gebracht wurden, jedoch angewiesen – vor allem, wenn es um die Aufnahme neuer Studienteilnehmer geht und die digitale Übermittlung von deren Proben und Patientendaten, die in Deutschland gegengecheckt werden. „Oft sind die Rahmenbedingungen so schwierig, dass auch private Handys zur Kommunikation genutzt werden, um den Patienten vor Ort möglichst schnell helfen zu können“, beschreibt Wanji den Alltag seiner Mitarbeiter.
Enger Kontakt mit den deutschen Kooperationspartnern
„Ich habe allergrößten Respekt vor der Leistung unserer Partner aus Kamerun, die unter großen äußeren Schwierigkeiten eine klinische Studie nach internationalen Qualitätsstandards, der ‚good clinical practice‘, durchführen. Aber nur so können wir wissenschaftlich robust herausfinden, ob unsere neue Therapie diesen Patienten nutzen kann“, erklärt der Bonner Mikrobiologe Professor Dr. Achim Hörauf. Er ist auf deutscher Seite Ko-Koordinator von TAKeOFF; als Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn zeichnet er in diesem Prokjekt gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Dr. Ute Klarmann-Schulz unter anderem für den Aufbau einer Bio- und einer Datenbank verantwortlich, in denen Daten sowie Blut-, Urin-, und Speichelproben aus den klinischen Studien gesammelt werden. Die Daten werden vor Ort in Afrika erhoben und eingegeben und gemeinsam mit dem Bonner Team bearbeitet und ausgewertet. Die Proben verbleiben zur Hälfte vor Ort, die zweite Hälfte wird nach Bonn verschickt. Nahezu täglich hat das Bonner Forscherteam Kontakt mit den afrikanischen Kollegen, wenn es um die Einschätzung von Daten und Fotos geht, die aus den örtlichen Gesundheitszentren übermittelt werden – Telemedizin in der praktischen Anwendung. Mit einem Austausch am Telefon oder PC aber ist es nicht getan – in regelmäßigen Abständen reisen die deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Afrika, um die nächsten Schritte des Projekts zu besprechen. „Es ist bewundernswert, wie engagiert sich die Helfer dort für ihre Patienten einsetzen. Unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen eine klinische Studie überhaupt ans Laufen zu bringen, ist eine ungeheure Leistung“, zeigen sich die deutschen Partner beeindruckt.