Forschung für weniger Mikroplastik im Meer : Datum: , Thema: Forschung
Plastikpartikel im Ökosystem Meer: Das ist heute leider keine Seltenheit. Vielmehr können diese Partikel weltweit Schaden in Meeren anrichten. Umso wichtiger sind Forschungsprojekte, die Gefahren von Mikroplastik für den Lebensraum Meer untersuchen.
Eines dieser Projekte ist das europäische Verbundprojekt BONUS MICROPOLL. Es befasst sich mit den Auswirkungen von Mikroplastik auf das Ökosystem Ostsee. Das Projekt zielt darauf ab, die Verbreitungsmuster von Mikroplastik in der Ostsee zu verstehen. Außerdem wird untersucht, welche Gefahren von Krankheitserregern ausgehen könnten, die Mikroplastik besiedeln. Geleitet wird das Projekt von Sonja Oberbeckmann. Die 36-jährige Ostseeforscherin arbeitet im Rahmen des Projektes mit europaweit über 25 Forschenden aus sechs Ländern zusammen.
In ihrem Forschungsalltag beschäftigt sie sich vor allem mit Mikroorganismen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. In einem Liter Meerwasser kommen jedoch Millionen verschiedener Zellen dieser Mikroorganismen vor. „Mikroorganismen bilden die Grundlage für alle lebensnotwendigen Prozesse auf unserem Planeten“, so Oberbeckmann.
Die Biologin interessiert sich unter anderem dafür, wie sich Mikroplastik auf Vibrio-Bakterien auswirkt. Verschiedene Vertreter dieser Bakterien-Gattung sind krankheitserregend und können sich vermutlich durch die Erwärmung der Meere weiter verbreiten. „Vibrionen sind eine unheimlich vielseitige Gruppe von Bakterien, die sich sehr schnell an ihre Umwelt anpassen können.“ Über sogenannten horizontalen Gentransfer tauschen Vibrionen sogar Gene und somit bestimmte Fähigkeiten untereinander aus. „Das ist so, als würden zwei Menschen nebeneinander liegen und plötzlich ist der eine genauso gut im Hochsprung wie der andere.“ Vibrionen siedeln sich wie viele andere Bakterien als Biofilm auf Mikroplastik an und werden von den Plastikpartikeln durch die Ozeane getragen.
Genaueres über die Zusammensetzung des bakteriellen Biofilms auf Mikroplastik wollen die Forscherinnen und Forscher im BONUS MICROPOLL-Projekt herausfinden. Doch schon jetzt ist Oberbeckmann überzeugt: „Mikroplastik ist ein unnatürliches Substrat, das nicht in die Meere gehört.“ Die Menschen hätten Mikroplastik quasi als zusätzlichen, neuen Besiedelungsraum in die Meeresumwelt eingebracht. Dieser zersetze sich jedoch langsam und sei deshalb ein dauerhafteres Transportmittel für Bakterien als natürliche Substrate wie zum Beispiel Algen. „Wir haben gezeigt, dass sich in Regionen mit geringerer Nährstoffkonzentration ganz spezielle Bakteriengemeinschaften an den Plastikpartikeln anlagern, wodurch sich die natürliche Bakterienzusammensetzung in der Region verändern könnte.“
Bewusstsein für die Gefahren von Mikroplastik erhöhen
Ebenso, wie der Mensch dafür verantwortlich ist, dass Mikroplastik in die Umwelt gelangt, kann er auch dafür sorgen, dass die Menge reduziert wird. Deshalb möchte Oberbeckmann ihre Erkenntnisse in die Gesellschaft tragen und Informationen an die Menschen bringen. Dass es hier noch viel Aufklärungsbedarf gibt, weiß sie. „Viel zu viele Menschen denken, dass Plastik in Deutschland komplett recycelt wird.“ Doch das sei ein Irrglaube. Laut dem deutschen Rat für Nachhaltige Entwicklung werden nur etwa zwölf Prozent des Plastikmülls verwertet. Der Rest wird exportiert, verbrannt, landet auf Deponien oder eben im Meer.
Außerdem sei es oft schwierig, überhaupt zu erkennen, ob ein Produkt die winzigen Plastikpartikel enthält: „Kaum ein Verbraucher weiß, dass sich hinter dem Zusatzstoff Acrylate Crosspolymer in Körperpflegeprodukten Mikroplastik verbirgt“, so Oberbeckmann. „Ich würde mir wünschen, dass die Benennung von Inhaltsstoffen deutlicher ist.“
Angesichts des Informations- und Handlungsbedarfes begrüßt sie es, dass das Thema in der letzten Zeit zunehmend an öffentlicher Aufmerksamkeit gewinnt. „Es ist gut, dass die Leute wissen, dass Mikroplastik den Meeren höchstwahrscheinlich schadet.“ Im Rahmen ihrer Forschung arbeitet sie mit anderen Wissenschaftlern daran, weitere Erkenntnisse zu gewinnen; auch, um das Bewusstsein der Gesellschaft für das Thema weiter zu schärfen.