Extremismusforschung: Ursachen für Radikalisierung früh erkennen : Datum: , Thema: Forschung
Sicherheit in Zeiten terroristischer Bedrohungen ist eine fortwährende Herausforderung. Darum fördert das Bundesforschungsministerium Wissenschaftler, die sich in zahlreichen Projekten mit Extremismus befassen.
Im Internet fallen bei hitzigen Diskussionen schnell Hemmungen: Hasskommentare und Hetze gehen vielen Nutzern in der vermeintlichen Anonymität des Internets leichter über die Lippen – beziehungsweise über die Tastatur. Der Übergang von politisch extremen Äußerungen bis zum Aufruf zu direkter Gewalt ist dabei fließend. Längst nutzen radikale Gruppen das Internet und Soziale Medien für Stimmungsmache und Propaganda: Extremisten nehmen Kontakt zu Gleichgesinnten auf, tauschen sich untereinander aus und rekrutieren neue Anhänger, die ihr Gedankengut teilen.
Insbesondere junge Menschen, die in ihrer persönlichen Entwicklung noch nicht gefestigt sind, sind eher anfällig für rechtsradikale oder islamistische Propaganda. Für eine wirksame Gewalt- und Terrorprävention ist es wichtig, die Entwicklungsverläufe und Ursachen für Eskalation und Radikalisierung so früh wie möglich zu erkennen. Das Bundesforschungsministerium fördert daher im Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ vielfältige Projekte, die Extremismus im Internet analysieren und Präventionsstrategien und -methoden entwickeln. Beispiele dafür sind:
Dschihadismus im Internet (DiI)
Extremistische islamistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat nutzen das Internet, um ihre Ideologie zu verbreiten und Anhänger zu rekrutieren. Die Islamisten twittern, verbreiten Bilder über soziale Medien, veröffentlichen Zeitschriften, Berichte, Audio- und Videobotschaften im Netz – und setzen sich damit professionell in Szene. Ihre spektakulären, jugendaffinen Propagandavideos erzählen von heroischen Schlachten und Märtyrertum. Sie spielen damit eine wichtige Rolle bei der Radikalisierung von potenziellen Anhängern.
Im Projekt Dschihadismus im Internet (DiI), das vom Bundesforschungsministerium mit 2,7 Millionen Euro gefördert wird, analysieren Nachwuchswissenschaftler den Inhalt und die Gestaltung der Videos sowie deren Wirkung auf die Zuschauer. Welche Elemente in den Videos sprechen die Jugend besonders an? Auf welche dramaturgischen Effekte setzen die Macher der Filme? Haben die Wissenschaftler das erforscht, wollen sie eine Online-Plattform zur Analyse dschihadistischer Videos entwickeln. So haben Politik, Behörden, Bildungs- und Präventionsinitiativen ein Werkzeug zur Hand, um gemeinsam Strategien gegen die Radikalisierung von Jugendlichen im Internet zu erarbeiten.
Analyse extremistischer Bestrebungen in sozialen Netzwerken (X-Sonar)
Den Wissenschaftlern im Projekt X-Sonar geht es darum, radikale Tendenzen frühzeitig zu erkennen. Dazu analysieren sie Gespräche und Diskussionen in sozialen Netzwerken, Blogs und Foren, um aufzuzeigen, wie sich Radikalisierung abzeichnet, wie Radikalisierungsprozesse in Gang kommen und ablaufen und wie Extremisten ihre Inhalte mit Inhalten von Gleichgesinnten verknüpfen. Ziel ist es, Daten zu sammeln, um eine Software zu entwickeln, die schrittweise lernt, Radikalisierungsmuster zu erkennen. Ein wichtiges Element dabei ist die Texterkennung: Welche Emotionen oder Schlagwörter häufen sich bei Radikalisierungsprozessen? Bei welchen Ereignissen treten diese vermehrt auf? All das soll die Software erkennen und Sicherheits- sowie Ermittlungsbehörden bei der Prävention und Bekämpfung von Extremismus unterstützen. 3,2 Millionen Euro stellt das Bundesforschungsministerium für X-Sonar bereit.
Propaganda, Mobilisierung und Radikalisierung zur Gewalt in der virtuellen und realen Welt (PANDORA)
Wie beeinflusst Propaganda im Internet die reale Welt? Welche extremistischen Symboliken und Vorstellungen im Internet tragen zur Radikalisierung bei? Das untersuchen Wissenschaftler im Projekt PANDORA, das vom Bundesforschungsministerium mit 2,4 Millionen Euro gefördert wird. Der Blick der Forscher richtet sich dabei zuallererst in die reale Welt: Sie untersuchen Diskussionen in sozialen Medien, die zu aktuellen Anschlägen oder Gewalttaten von Extremisten gehören. So lässt sich ebenfalls vergleichen, inwieweit sich rechtsradikale und islamistische Propaganda ähneln. Im Ergebnis sollen Werkzeuge und Strategien für präventive Maßnahmen, politische Bildung und zur Früherkennung von Radikalisierungsprozessen entwickelt werden.
Radikalisierung im digitalen Zeitalter (RadigZ)
Im Internet verbreiten sich Informationen schnell, kostengünstig und unkontrolliert. Das kann Radikalisierungsprozesse beschleunigen und verstärken. Hier setzt das Projekt RadigZ an, das vom Bundesforschungsministerium mit 2,6 Millionen Euro gefördert wird. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, welche Zielgruppen besonders anfällig für Radikalisierung sind und wie sich diese Gruppen vor Propaganda schützen lassen. Dabei richten sie ihren Blick auf unterschiedliche extremistische Ideologien. Die Forscher untersuchen, wie viele Menschen von Radikalisierungsprozessen betroffen sind – und in Zukunft betroffen sein könnten. Dazu befragen sie Schüler und Studenten: Wie stehen diese zu ideologisch legitimierter Gruppengewalt, wie autoritär ist ihre Einstellung, aus welchem sozialen Umfeld stammen sie? Mit den so gewonnen Daten wollen die Wissenschaftler ermitteln, welche psychologischen und sozialen Faktoren bei Radikalisierungsprozessen entscheidend sind. Ziel ist es, Schutzmaßnahmen und Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die Ermittlungsbehörden und Akteure der politischen Bildung sowie Aus- und Weiterbildung für ihre Arbeit nutzen können.