Demenz – Aktiv gegen das Vergessen : Datum: , Thema: Forschung
Trotz intensiver Forschung sind Demenz-Erkrankungen bis heute nicht heilbar. Eine regelmäßige körperliche Betätigung kann aber dazu beitragen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen – und mildert sogar erste Symptome.
Wer in jüngeren Jahren aktiv lebt, verringert sein Risiko, im Alter an einer Demenz zu erkranken. Das legen wissenschaftliche Studien aus den vergangenen Jahren nahe. „ Wir haben uns aber gefragt: Was ist mit den Menschen, die nie viel Sport getrieben haben? Können sie das Versäumte aufholen? Und das selbst dann noch, wenn sie bereits merken, dass sie vergesslich werden?“, erläutert der Sportwissenschaftler Stefan Schneider das Ziel seines durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes DENKSPORT. Um Antworten auf diese Fragen zu finden, kooperieren Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln mit Forschungsgruppen aus den Niederlanden und Irland. Gemeinsam rekrutierten sie rund 250 bislang unsportliche Menschen, die bereits unter leichten kognitiven Beeinträchtigungen litten und bereit waren, über ein Jahr regelmäßig zu trainieren.
Sport kann Fortschreiten der Demenz bremsen
Erste Ergebnisse des Kölner Projektes belegen, dass regelmäßige sportliche Aktivitäten bei einer beginnenden Demenz das Fortschreiten der Erkrankung bremsen können. Und nicht nur das: Innerhalb eines Jahres verbesserten sich die kognitiven Leistungen der Teilnehmenden wieder. „Das war mehr als wir uns erhofft hatten. Spannend wird es jetzt zu sehen, ob die Daten aus den Niederlanden und Irland diese erste Auswertung bestätigen“, so Schneider. Denn im Gegensatz zur Kölner Sporthochschule, die alle sportlichen Aktivitäten selbst anbietet, kooperieren die niederländischen und irischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Vereinen oder setzen darauf, dass die Probanden selbstständig trainieren.
Trainingsfortschritt verbessert auch kognitive Leistung
Ob sich die kognitiven Leistungen verbessern, hängt wesentlich von dem Trainingsfortschritt ab. Auch das zeigen die Kölner Ergebnisse. Dafür teilten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Teilnehmenden in drei Gruppen auf. Eine der Gruppen war die Kontrollgruppe, die keinen Sport machte. Die Probandinnen und Probanden der beiden anderen Gruppen wurden entweder einer Gruppe „Ausdauersport“ oder einer Gruppe „Kräftigungs- und Dehnübungen/kleine Spiele“ zugeordnet. Alle Teilnehmenden wurden während der Studiendauer von einem Jahr begleitet und ihre kognitiven Leistungen sowie ihre körperliche Fitness umfangreich erfasst. Die statistische Auswertung der Daten zeigte: Die kognitiven Leistungen der Probandinnen und Probanden verbesserten sich insbesondere dann, wenn sie Trainingsfortschritte erzielten. Welche Sportart sie dabei ausübten, war nebensächlich. „Unsere Daten zeigen, dass die Verbesserung der körperlichen Fitness mit der Verbesserung der kognitiven Leistungen korreliert. Und die körperliche Fitness steigt wiederum mit der Trainingshäufigkeit“, fasst Schneider die Ergebnisse zusammen.
Inwieweit auch der soziale Kontakt der Sporttreibenden einen Einfluss auf die Verbesserung der kognitiven Leistungen ausübt, soll in zukünftigen Studien untersucht werden. Denn auch ein gutes soziales Netzwerk gilt als ein wichtiger Schutzfaktor für das Gehirn. „Ein sozialer Einfluss besteht allerdings nicht nur beim Training selbst. Es ist auch durchaus denkbar, dass – bedingt durch die Steigerung der körperlichen Fitness – die Teilnehmer mehr Selbstvertrauen und Lebensfreude entwickelt haben und wieder vermehrt am sozialen Leben teilgenommen haben“, so Schneider.
Menschen mit und ohne kognitive Beeinträchtigungen helfen sich untereinander
Das umfangreiche Sportprogramm des Kölner Forschungsprojektes umfasst 15 bis 20 Kurse pro Woche. Diese richten sich nicht nur an Menschen mit einer beginnenden Demenz. Die Kurse sind auch offen für gesunde Menschen. „In unseren Kursen treffen sich Menschen mit und ohne kognitive Beeinträchtigungen. Sie helfen sich untereinander und entwickeln ein Gespür für die Krankheit und die damit verbundenen Einschränkungen. Unter den Teilnehmenden sind Freundschaften entstanden – wir haben es geschafft, Menschen durch den Sport zusammenzuführen“, betont der Kölner Wissenschaftler den inklusiven Erfolg des Projektes.
Die Marie-Luise und Ernst Becker Stiftung wird das Projekt zukünftig weiter unterstützen, sodass auch andere Trainingsformen in ihrer Wirksamkeit überprüft werden können. Das Geld für diese Unterstützung spendete der FC Bayern München in Gedenken an Udo Lattek*, der in seinen letzten Lebensjahren an Demenz erkrankt war.
*Der deutsche Fußballspieler Udo Lattek (1935-2015) trainierte unter anderem den FC Bayern München und die Borussia Mönchengladbach. Während dieser Zeit gewannen seine Mannschaften achtmal den Deutschen Meistertitel. Er gilt als einer der erfolgreichsten Fußballtrainer Deutschlands.