Dem Bienensterben auf der Spur : Datum: , Thema: Buergerforschung
200 Bienenstöcke mit Sensoren, Big Data und Künstliche Intelligenz: Damit wollen Forschende im Citizen Science-Projekt Bee Observer das Bienensterben besser verstehen. Sie hoffen, in ihren Daten unbekannte Ursachen für den Tod der Insekten zu finden.
Biene Maja führte einst ein relativ sorgloses Leben: Sie erkundete die Natur, schloss Freundschaften mit andere Insekten und träumte davon, einmal Menschen kennenzulernen. Ihr größtes Problem waren Hornissen, die ihr Volk bedrohten. Heute ist das anders: Weltweit sterben Bienen und andere Insekten in nie dagewesenem Ausmaß. Der Verlust von Lebensräumen, Pestizide, der Klimawandel und die Übernutzung natürlicher Ressourcen durch den Menschen setzen ihnen zu. Diese Ursachen sind zwar bekannt, aber das Wissen über ihr komplexes Zusammenwirken und das gesamte Ausmaß des Artenrückgangs ist noch lückenhaft. Einige dieser Wissenslücken wollen Forschende der Universität Bremen nun gemeinsam mit Bürgerforschenden schließen: Im Citizen Science-Projekt Bee Observer, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, wollen sie Risikofaktoren für die Gesundheit von Bienen aufklären und damit Imkern helfen, ihre Bienenvölker zu schützen.
Verhalten des Bienenvolkes ist komplex
Dabei setzen die Bee Observer (Bienen Beobachter) auf modernste Technik und Big Data: Mehr als 200 Bienenstöcke wollen sie mit intelligenten Sensoren ausstatten, um das Verhalten der Insekten als Ganzes zu verstehen. „Die einzelne Biene ist relativ einfach gestrickt. Ihr Verhalten ist auf wenige Handlungen beschränkt. Aber das Verhalten des gesamten Volkes ist äußerst komplex“, sagt Projektmitarbeiter Thorsten Kluß. „Das ist ähnlich wie im Gehirn. Unzählige einfache Neuronen kommunizieren dabei miteinander und erzeugen ein unvorstellbar komplexes System“, erklärt Kluß.
Und Kluß muss es wissen: Eigentlich ist er Hirnforscher, Schwerpunkt kognitive Neuroinformatik. Soll heißen: „Wir entwickeln Algorithmen nach dem Vorbild der Natur“, erklärt er. Diese Algorithmen sollen dann in den Daten verborgene Muster finden. Wind und Wetter, Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Gewicht der Waben: All das erfassen die Sensoren. Kombiniert man diese Daten mit anderen Umweltdaten – etwa zum Einsatz von Pestiziden, biologischer Landnutzung in der Nähe oder der Art der nahgelegenen Blühpflanzen –, ergibt sich womöglich ein aufschlussreiches Bild. „Die einzelnen Puzzleteile sagen meist nicht viel aus, aber der Blicks aufs Ganze kann uns viel verraten“, sagt Kluß.
Krankheiten am Verhalten erkennen
Ein Beispiel dafür nennt Carolin Johannsen. Thorsten Kluß und sie hatten die Idee zum Projekt. Die Systemingenieurin ist Big Data Expertin und der „Kopf“ hinter der Hardware: „90 Prozent des gesammelten Nektars sind Wasser. Und das müssen die Bienen in schweißtreibender Arbeit herauspusten“, sagt sie. Dadurch ändern sich beispielsweise das Gewicht der Waben, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit. „Wir sehen dann eine charakteristische Kurve für dieses Verhalten“, erklärt Johannsen. Doch das eigentlich interessante ist, wenn die Kurve einmal nicht zu sehen ist, obwohl die Bienen gerade vom Sammeln kommen. „Das könnte ein Anzeichen für eine beginnende Krankheit sein“, meint Kluß. Die Imker könnten dann eingreifen, um ihre Bienen zu schützen.
„Mit der Technik können die Imker die Haltung verbessern“, sagt Johannsen. So können die Sensoren etwa den besten Zeitpunkt zum Ziehen der Waben ermitteln oder gute Zeiträume für die Behandlung der Bienen bei einem Varroamilbenbefall voraussagen. Denn bestimmte Substanzen, mit denen die Schädlinge bekämpft werden, sind je nach Wetter unterschiedlich wirksam. „Wir wollen aber niemandem etwas vorschreiben. Unsere Technik ist nur ein Werkzeug, um die Haltung zu erleichtern“, sagt Kluß.
Sensoren sind frei programmierbar
Die Nutzung dieses Werkzeugs setzt natürlich voraus, dass die intelligente Technik leicht zu bedienen und für jedermann zugänglich ist. Deshalb arbeiten die Bee Observer eng mit der Maker Szene zusammen – also kreativen Tüftlerinnen und Tüftlern verschiedenster Disziplinen, die Ideen austauschen, gemeinsam Problemlösungen entwickeln und eigene Do-it-Yourself-Projekte verwirklichen. Dazu gehören auch die Sensoren, die die Forschenden gemeinsam mit den Makern und Bürgerforschenden entwickeln und bauen. Sie bestehen aus feuerzeuggroßen, leistungsstarken Platinen, die nur wenig Strom verbrauchen. Und das Beste: Sie sind frei programmierbar.
So kann jeder Imker und jede Imkerin die Sensoren nach den eigenen Bedürfnissen programmieren. Wie das geht und wie die Sensoren eingebaut werden, zeigen Kluß und Co. ihnen in Workshops. Die Bastel- und Einbauanleitungen gibt es aber auch online. Und wer gar nicht selbst tüfteln möchte, kann sich die Sensoren leihen, die Bürgerforschende gebaut haben. „Barrierefreie Bildung“, nennt Kluß das. Jeder kann dabei mitmachen, ohne Anmeldung, ohne Vorwissen. „In den Workshops haben schon viele Menschen programmieren gelernt, ohne es zu merken“, erzählt Kluß.
Künstliche Intelligenz könnte bei Bienenrettung helfen
Mitmachen kann auch jeder bei der Auswertung der Daten. Im August soll es soweit sein: Dann wollen die Bee Observer die Daten der ersten Messkampagne analysieren. Das gesamte Rohmaterial stellen sie dann online bereit – wer mag, kann sich also durch die unzähligen Daten wühlen. Angst, dass jemand ihnen eine Erkenntnis „wegnimmt“, haben die Bee Observer dabei nicht. „Wir sind stolz darauf, wenn viele Menschen mitmachen“, sagt Kluß. Und wer weiß: Vielleicht findet das Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Imkerinnen und Imkern sowie Bürgerforschenden mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz dann verborgene Muster, die zur Rettung der Bienen beitragen.