Corona-Früh- und Entwarnsystem aus dem Abwasser : Datum: , Thema: abwasserepidemiologie
Weltweit wird nach neuen Methoden gesucht, die Coronainfektionen schnell und zuverlässig nachweisen. Ein wichtiger Ansatz ist die Abwasserepidemiologie. Aktuell forschen drei BMBF-Projekte hierzu. Eine Plattform soll den Forschungsaustausch fördern.
Die Überwachung des Abwassers auf das Coronavirus, wissenschaftlich SARS-CoV-2, kann wertvolle Daten im Kampf gegen die Pandemie liefern. Forschungsprojekte zum Nachweis des Virus über eine Abwasseranalyse laufen bereits seit dem vergangenen Jahr sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen Staaten. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich der Corona-Erreger, der über den Kot von Infizierten im Abwasser landet, mit modernen molekularen Methoden wie PCR-Tests oder Genomsequenzierung in Kläranlagen identifizieren lässt. Die Konzentrationen des Virus in Abwasserproben erlauben demnach Rückschlüsse darüber, ob und welche Coronainfektionen in der Bevölkerung eines bestimmten Gebiets zu- oder abnehmen.
Gerade weil ein Teil der mit Coronaviren Infizierten keine Symptome entwickelt, aber dennoch Viren ausscheidet, können Abwasseruntersuchungen unabhängig von Tests ein wichtiger Hinweis auf steigende Infektionszahlen sowie entstehende Hotspots sein. Damit liegen diese Befunde bereits mehrere Tage vor den offiziellen Zahlen vor. Die EU-Kommission hat daher Mitte März die Mitgliedsstaaten aufgefordert, das SARS-CoV-2 Abwassermonitoring als zusätzliches diagnostisches Instrument für das COVID-19-Management einzusetzen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Entwicklung eines Corona-Monitoring über den Abwasserpfad für ein pandemiebegleitendes Früh- und Entwarnungssystem derzeit mit drei Verbundprojekten: „Abwasser Biomarker CoV-2“ unter Koordination der TU München und das von der TU Darmstadt geleitete Vorhaben „SARS-CoV-2 Genom im Abwasser – Monitoring der Pandemieentwicklung mittels Sequenzierung“ (SARS-GenASeq) erproben jeweils unterschiedliche Ansätze, um das Infektionsgeschehen im Abwasser zu verfolgen. Die Vernetzung und der fachliche Austausch zwischen diesen und weiteren aktuell laufenden Projekten zum Corona-Abwassermonitoring erfolgt über das Projekt „CoroMoni“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA).
Insgesamt fließen ca. 2,9 Mio. Euro in die drei Projekte. Sie werden im Rahmen des neuen Regierungsprogramms zur Wasserforschung „Wasser: N“ gefördert. Die behandelten epidemiologischen Fragen sollen zu neuen Erkenntnissen im Bereich „Sauberes Wasser“ beitragen, das zu den sechs Schwerpunktthemen von Wasser: N gehört.
Viren als Biomarker
Ausgangspunkt des Projektes „Abwasser Biomarker CoV-2“ war eine flächendeckende Untersuchung von Abwasserproben im Landkreis Berchtesgadener Land und in Karlsruhe auf das Coronavirus. Mehrere Gene des SARS-CoV-2 dienen dabei als Biomarker, anhand deren Häufigkeit im Abwasser Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen im Untersuchungsgebiet gezogen werden sollen. Damit sollen Änderungen frühzeitig erkannt, örtlich differenziert zugeordnet und die Dunkelziffer an Covid-19-Infektionen besser abgeschätzt werden können.
Die Forschenden haben zu diesem Zweck zweimal wöchentlich landkreisweit Proben genommen und sie mittels PCR-Test auf das SARS-CoV-2-Virus analysiert. „Aus dem Abgleich dieser Daten mit den Fallzahlen der Gesundheitsämter lässt sich eine Dynamik im Infektionsgeschehen mit einem Vorlauf von bis zu zehn Tagen im Abwasser beobachten“, sagt Projektkoordinator Jörg Drewes von der TU München. Drewes und sein Team bearbeiten das Vorhaben in Kooperation mit dem TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser (TZW) in Karlsruhe und der Berliner Blue Biolabs GmbH seit Herbst vergangenen Jahres.
Vorteil der Methode ist, dass die Gesamtbevölkerung erfasst wird, unabhängig von der Bereitschaft, sich testen zu lassen oder den vorhandenen Testkapazitäten. „Das Abwassermonitoring gibt dem Krisenstab daher eine frühe Einschätzung über das örtliche Infektionsgeschehen und hilft bei der gezielten Cluster-Nachverfolgung.“ Sowohl im Berchtesgadener Land als auch in Karlsruhe nutzen die Krisenstäbe beziehungsweise Gesundheitsämter die Daten des Abwassermonitorings bereits für das Coronamanagement.
Allerdings ist der Nachweis von Coronaviren im Abwasser derzeit noch schwierig. Unter anderem ist es ist es aufgrund der komplexen Zusammensetzung des Abwassers und zahlreicher Einflüsse im Kanalnetz nicht einfach, belastbare Daten aus den Analysen der Proben zu generieren. Drewes und seine Partner arbeiten daher daran, die Nachweismethoden von SARS-CoV2-Viren im Abwasser zu verbessern. Ihre Untersuchungen haben sie dabei auch auf neue Mutationen des Erregers ausgeweitet. Diese bestimmen sie mittels PCR-Test oder einer Sequenzierung des Viruserbgutes. Als Pilotgebiete sind neben dem Berchtesgadener Land und Karlsruhe noch zusätzlich München, Augsburg und das baden-württembergische Leonberg hinzugekommen.
Auf der Suche nach Varianten und Mutationen
Speziell mit dem Screening spezifischer Varianten von SARS-CoV-2 im Abwasser beschäftigt sich von Anfang an das Verbundprojekt „SARS-GenASeq“ unter der Leitung von Susanne Lackner vom Fachgebiet Abwasserwirtschaft der TU Darmstadt. Das Team um die Professorin will über die Sequenzierung des Erbguts der Viren, beziehungsweise deren Bruchstücke, die Verbreitungswege von Varianten verfolgen. Ziel der Forschenden ist es, Probennahme, Probenaufbereitung und die Sequenziermethoden weiter auf Abwasser anzupassen. „Mit einem abwasserbasierten Monitoring des Virus-Erbguts können wir mit vergleichsweise wenig Proben aussagekräftige epidemiologische Informationen zu Herkunft und Verbreitung insbesondere von besorgniserregenden Varianten – sogenannten Variant of Concern oder VoC – und auch neuen Mutationen generieren, die so bisher nicht zur Verfügung stehen“, sagt Lackner. Im Erfolgsfall kann das Projekt dazu beitragen, die Dunkelziffer an COVID-19-Infektionen mit neuen Varianten in der Bevölkerung zu bestimmen.
Bislang ist dies auf Basis der gemessenen Viren im Abwasser noch nicht möglich. Dies liegt unter anderem an der individuellen Menge ausgeschiedener Viruspartikel pro Infiziertem, am Entwässerungssystem (Misch- oder Trennkanalisation), Art der Probenahme sowie Unterschieden bei der Probenaufbereitung und Analytik. Bezüglich dieser Faktoren sehen die Beteiligten der verschiedenen Projekte daher auch weiteren Forschungsbedarf. Ein besseres Verständnis der relevanten Faktoren, einheitliche Methoden von der Probenahme und Analytik bis hin zur Ergebnisauswertung sowie eine gute Übereinstimmung von Fallzahlen in einer Kommune und dem zugehörigen Einzugsgebiet der Kläranlage bilden die Basis dafür, dass in naher Zukunft präzisere Aussagen zu Dunkelziffern getroffen werden können.
Schneller zum Erfolg durch Vernetzung
Um den Aufbau eines flächendeckenden Corona-Frühwarnsystems auf Basis der Abwasseranalytik voranzutreiben, vernetzt das Verbundprojekt „CoroMoni“ seit Ende 2020 aktuell laufende Projekte zu diesem Thema. Ziel des von der DWA initiierten Vorhabens ist der Aufbau einer Kommunikationsplattform, die dem Austausch von Forschungsergebnissen dient. Zudem bereitet „CoroMoni“ aktuell auch Ringversuche zur Vergleichbarkeit von Analysedaten unterschiedlicher Labore vor.