Alarm, wenn das Baby nachts an Atemnot leidet : Datum: , Thema: Forschung
Nächtliche Atemnot, Hustenkrämpfe: Viele Eltern haben panische Angst vor nächtlichen Problemen mit der Atmung ihres Babys. Forschende aus Hessen entwickeln ein Gerät, das die Kleinen kabellos überwacht. Die Idee dazu hatte Mr. Spock.
Es ist der Horror für junge Eltern: Das geliebte Kind bekommt nachts wie aus dem nichts einen schweren Hustenkrampf, oder noch schlimmer – es atmet einfach gar nicht mehr. Vor diesem sogenannten „plötzlichen Kindstod“ haben viele junge Eltern eine so große Panik, dass sie mehrmals nachts am Kindbett nachsehen, ob das Kleine noch richtig atmet. Kein Wunder, schließlich gehören Erkrankungen der Atemwege laut Statistik zu den häufigsten Beschwerden bei Kindern.
Wenn es nach Forschenden aus Gießen geht, können Eltern bald ruhiger schlafen. In einem vom BMBF geförderten Projekt entwickeln sie ein Gerät, das eine Langzeit-Überwachung im eigenen Kinderzimmer ermöglicht. „Wir wollen der Ärzteschaft und den Eltern ein Werkzeug an die Hand geben, das nicht direkt am Körper getragen werden muss, das aber trotzdem alle wichtigen Daten aufzeichnet“, sagt der Wissenschaftliche Leiter des Projekts, Keywan Sohrabi. Die Idee dazu sei ihm schon vor vielen Jahren gekommen, als er Star Trek geschaut habe. „Mir hat imponiert, wie Mr. Spock auf einem kleinen Gerät alle körperlichen Daten im Blick hatte“, erzählt er.
Etwas mehr als 40 Jahre später ist die Zeit für die Umsetzung im realen Leben gekommen. Das neue Gerät soll über Kamera und Tontechnik den Schlaf von Säuglingen und Kleinkindern aufzeichnen und analysieren. Das Besondere dabei: Die Überwachung läuft komplett kontaktlos ab, also ohne Schläuche oder Kabel, die am Kind befestigt werden müssen. Von Anfang an dabei: Der Alarm für den Fall, dass das Kind an Atemnot leidet. „QuietamNox“, frei übersetzt „ruhige Nacht“, gilt dann nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern.
Entscheidend sind die Geräusche
Eine verlässliche Diagnose von Atemwegserkrankungen ist mit heutigen Methoden oft erst ab einem Alter von fünf Jahren möglich. Babys fallen damit durchs Raster. Die herkömmlichen Methoden haben außerdem den Nachteil, dass sie nur unter Laborbedingungen und am Tage angewendet werden. Die Probleme treten aber meistens nachts auf, Atemnot im Kindesalter meistens zwischen 3 Uhr und 6 Uhr morgens. Eine einmalige Untersuchung am Nachmittag hilft also nur wenig weiter.
Kern des neuen Systems ist die Aufzeichnung aller Geräusche, die beim Atmen entstehen: Das kann das normale Zischeln durch die Nase sein, aber auch Pfeifen, Röcheln und Husten. Viele Parameter deuten auf eine Verengung der Lunge hin. Diese führt häufig zu einer Verringerung des Sauerstoffgehalts im Blut mit entsprechenden Folgen. Die akustische Langzeit-Überwachung ist eine Kernkompetenz der Projektpartner in Mittelhessen um die Professoren Ulrich Köhler und Volker Groß.
Die gewonnenen Daten werden noch im Kinderzimmer ausgewertet. Der Arzt oder die Ärztin bekommt wie bei einem EKG nur ein Histogramm zugesendet – so ist sichergestellt, dass keine sensiblen Daten über das Internet verschickt werden müssen. Die Eltern bekommen die Auswertung per App aufs Smartphone, verbunden mit leicht verständlichen Hinweisen, zum Beispiel ob zu einem persönlichen Besuch des Arztes geraten wird.
Kommerzielle Angebote gibt es schon
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Die Forschenden um Sohrabi konzentrieren sich zunächst auf den sogenannten Krupp-Husten, eine Entzündung der oberen Atemwege. Diese sorgt für starke nächtliche Hustenanfälle. Die sind zwar nicht immer lebensbedrohlich, wirken auf Eltern wie Kinder aber äußerst dramatisch. „Eltern können die Situation nicht richtig einschätzen, sie sind im Normallfall nicht medizinisch geschult“, sagt Sohrabi. Das System soll deshalb auch gerade die Eltern in ihren Entscheidungen unterstützen und ihnen Sicherheit bei der Beurteilung eines Anfalls geben.
Ganz neu ist die Idee natürlich nicht. An einem Babyphone, das auch die Atmung des Kindes überwacht, tüfteln Entwickler schon lange. Kommerzielle Angebote, die jeder für etwa 200 Euro kaufen kann, sind im Internet zu haben. Oftmals fehlt jedoch die medizinische Überprüfung und die Verlässlichkeit der Produkte. Aber medizinische Geräte, die ohne großen Aufwand auch über einen längeren Zeitraum Daten aufzeichnen und im eigenen Kinderzimmer eingesetzt werden können, gibt es bislang nicht. Hinzukommt, dass durch die Kombination von automatischer Schall und Videoauswertung die Zuverlässigkeit erstmals deutlich verbessert wird. „Unser Ziel ist es, am Ende ein marktfähiges Produkt zu haben. Sonst macht das Ganze keinen Sinn“, sagt Sohrabi. Spätestens 2021 soll es konkrete Ergebnisse geben.