„Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut in unserer Demokratie" : Datum: , Thema: Aus aktuellem Anlass
Statement von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger in der 78. Sitzung des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
„Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich für die Gelegenheit, zu aktuellen Diskussionen Stellung zu beziehen. Bitte erlauben Sie mir vorneweg eine zusammenfassende Darstellung und auch einige grundlegende Anmerkungen.
Zum Sachverhalt möchte ich drei Vorgänge im BMBF einordnen:
Erstens: Am 13. Mai 2024 hat Staatssekretärin Prof. Dr. Döring telefonisch eine juristische Prüfung des offenen Briefes zu Vorfällen an der Freien Universität Berlin beauftragt. Dieser Auftrag konnte offensichtlich von der Fachebene so verstanden werden, dass sowohl eine rechtliche Prüfung als auch eine Prüfung möglicher förderrechtlicher Konsequenzen durchgeführt werden sollte. Darauf hat die Staatssekretärin Döring in ihrer Mail am 14. Juni 2024 an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses hingewiesen.
Staatssekretärin Prof. Dr. Döring hat erklärt, dass die Prüfung möglicher förderrechtlicher Konsequenzen von ihr nicht beabsichtigt war. Die Prüfung möglicher förderrechtlicher Konsequenzen wurde nach dem Tag der Veranlassung auch nicht weiterverfolgt.
Von diesem Vorgang vom 13. Mai 2024, also einer Prüfung von förderrechtlichen Konsequenzen, hatte ich vor der Veröffentlichung des Panorama-Berichts am 11. Juni 2024 keine Kenntnis. Ich habe den betreffenden Auftrag, förderrechtliche Konsequenzen prüfen zu lassen, nicht erteilt und auch nicht gewollt.
Unmittelbar nachdem ich hiervon Kenntnis erlangte, habe ich eine Sachstandsaufklärung veranlasst. Im Zuge dieser Aufklärung bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit mit Frau Prof. Döring nicht mehr gegeben ist.
Zweitens: Eine rechtliche Einordung hielt ich vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussionen für notwendig. Daher wurde am 17. Mai 2024 mit meiner Kenntnis eine rechtliche Einordnung – nicht eine Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen – der Inhalte des offenen Briefes beauftragt. Dieser Auftrag floss auf der Fachebene in [die] bereits in Erstellung befindliche Vorlage für Staatssekretärin Prof. Dr. Döring ein. Die erbetene rechtliche Einordnung ergab, dass sich der Inhalt des offenen Briefes im grundrechtlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit bewegt. Die Inhalte des offenen Briefes sehe ich dennoch weiterhin kritisch.
Und drittens: Um auf Nachfragen der Presse vorbereitet zu sein, wurde in meinem Ministerium auf Fachebene eine Übersicht erstellt, welche der Unterzeichner des offenen Briefes in einer Verbindung zum BMBF stehen. Diese Übersicht wurde mir nicht vorgelegt und auch nicht an Dritte übermittelt. Die Übersicht verblieb auf Fachebene. Sie wurde mir erst nach dem Panorama-Bericht am 11. Juni 2024 bekannt.
Lassen Sie mich daran anknüpfend auch noch einmal betonen:
Klar ist, dass in der Fachebene des BMBF zumindest an einem Tag, dem 13. Mai, der Eindruck bestand, dass neben einer rechtlichen Einordnung des offenen Briefes auch eine Prüfung möglicher förderrechtlicher Konsequenzen beauftragt worden sei. Die Frage der Prüfung möglicher förderrechtlicher Konsequenzen wurde nach dem Tag der Veranlassung zwar nicht weiterverfolgt. Dennoch wurde ebenjener Eindruck erweckt: dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im BMBF erwogen worden sei. Lassen Sie mich ganz klar sagen: Eine solche Prüfung widerspräche den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit. Deshalb habe ich den Sachverhalt gründlich aufklären lassen.
Denn Wissenschaftsfreiheit, sie ist ein hohes Gut in unserer Demokratie. Wo wir heute stehen, verdanken wir unserer Wissenschaft. Und sie muss in jede Richtung verteidigt werden. Unsere Forscherinnen und Forscher, sie leisten Großes und sie bringen uns Fortschritt und Wissen.
Und fest steht deshalb: unsere Fördermittel werden nach wissenschaftlicher Exzellenz vergeben, nicht nach politischer Weltanschauung. Das ist ein Kernprinzip der Wissenschaftsfreiheit und zu diesem Kernprinzip stehe ich auch persönlich.
Der tägliche Kampf um die größte Wissenschaftsfreiheit ist jedoch keiner, der allein in Parlamenten und Gerichten geführt wird. Wir müssen es uns vielmehr alle zur Aufgabe machen, die Debattenhoheit im Sinne der Freiheit zu stärken.
Dazu gehört auch der Streit der Meinungen. Deshalb möchte ich abschließend noch einmal etwas zum offenen Brief sagen:
Wir sehen, dass jüdische Studentinnen und Studenten teilweise schon im zweiten Urlaubssemester sind, weil sie Angst haben, in die Hochschulen zu gehen. Wir sehen jüdische Dozentinnen und Dozenten, die angefeindet werden.
Und deswegen ist es mindestens kritikwürdig, dass in dem offenen Brief gefordert wurde, pauschal Polizeieinsätze abzulehnen oder Straftaten nicht zu verfolgen. Während wir gleichzeitig antisemitische Vorfälle und gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger beobachten.
Die rechtliche Einordnung im BMBF hat eindeutig ergeben, dass der offene Brief von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das heißt aber nicht, dass ich seinen Inhalt nicht weiterhin kritikwürdig finde.
Herzlichen Dank.“