Positive Halbzeitbilanz der Nationalen Dekade gegen Krebs : Datum: , Thema: Krebsforschung
Vor fünf Jahren ist die Nationale Dekade gegen Krebs (NDK) gestartet. In der vom BMBF initiierten Initiative bündeln alle relevanten Akteure Deutschlands ihre Kräfte. Was ist bisher erreicht worden? Eine Halbzeitbilanz.
In der Dekade gegen Krebs engagiert sich seit 2019 das BMBF gemeinsam mit Vertretungen aus Krebsforschung, Forschungsförderung, Gesundheitswesen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dafür, dass künftig möglichst viele Krebsneuerkrankungen verhindert werden und Betroffene ein besseres Leben führen können. Anfang Februar erklärte Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger auf dem Zukunftsforum Future X Change, anlässlich der Halbzeit der NDK: „Zum Ende der Dekade soll die Krankheit bei drei von vier Krebspatienten geheilt oder langfristig beherrschbar sein. Unsere Halbzeitbilanz macht Mut.“
Das BMBF hat seit dem Dekadenstart unter anderem elf neue große Förderrichtlinien aufgesetzt und mit über 150 Millionen Euro Forschungsprojekte gefördert, um passgenauere Krebstherapien zu schaffen, rechtzeitige und treffsichere Diagnostikverfahren zu entwickeln und die Krebsprävention zu verbessern. Zudem wurde Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) um vier Standorte erweitert, die im Endausbau insgesamt mit bis zu 100 Millionen Euro jährlich gefördert werden.
Vier Handlungsfelder standen in den letzten fünf Jahren im Fokus. Hinzukommt nun das neue Schwerpunkttheme Survivorship:
- Forschungsförderung
- Vernetzung von Forschung und Versorgung
- Patienteneinbindung
- Aufklärung
In den vier Bereichen ist in den vergangenen Jahren viel erreicht worden.
Forschungsförderung: Neue Erkenntnisse über Krebs gewinnen
Mit großen Förderrichtlinien schafft das BMBF die Grundlage, um neues Wissen über Krebs zu gewinnen. Aktuell arbeiten 27 geförderte Forschungsprojekte an neuen Erkenntnissen für die Onkologie. Im Jahr 2024 wird sich diese Zahl durch die neu hinzukommenden Forschungsprojekte weiter erhöhen. Bisher wurden folgende Förderrichtlinien veröffentlicht:
Praxisverändernde Studien
Im Rahmen der Förderrichtlinie für Vergleichs- und Optimierungsstudien mit hohem Potenzial zur Verbesserung der klinischen Praxis fördert das BMBF Studien zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krebs. Die Studien sollen die derzeitige Routineversorgung überprüfen und bestehende Therapien verbessern, ihre Nebenwirkungen verringern und unnötige Behandlungen vermeiden. Vergleichs- und Optimierungsstudien sind häufig sehr aufwendig und teuer, da sie eine große Zahl von Patientinnen und Patienten, lange Zeiträume und oftmals eine größere Zahl teilnehmender Kliniken erfordern. Mit der Projektförderung ermöglicht das BMBF erstmals die systematische und gezielte Durchführung solch großer und aufwändiger Vergleichsstudien. Von den Erkenntnissen können sehr große Patientengruppen profitieren und teilweise gleichzeitig Behandlungskosten gesenkt werden.
Ausbau des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT)
Einen wertvollen Beitrag, um die Ergebnisse der Krebsforschung schneller zu den Patientinnen und Patienten zu bringen leistet das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT). Im NCT arbeiten Ärztinnen und Ärzte mit Forschenden eng zusammen („Forschung und Versorgung unter einem Dach“), um jeder Patientin und jedem Patienten eine auf ihre beziehungsweise seine Erkrankung zugeschnittene Krebstherapie anzubieten. Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs hat das BMBF den Ausbau von vier weiteren Standorten in Deutschland ausgeschrieben, zusätzlich zu den bereits bestehenden zwei Standorten in Heidelberg und Dresden. Die neuen Standorte sind Berlin, Essen/Köln, Tübingen-Stuttgart/Ulm und WERA (Würzburg mit den Partner Erlangen, Regensburg und Augsburg) und befinden sich gerade im Aufbau.
Digitale FortschrittsHubs Gesundheit
Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, die Krebsforschung zu verbessern. Mit der Richtlinie zur Förderung von Zuwendungen für Digitale FortschrittsHubs Gesundheit im Rahmen der Medizininformatik-Initiative will das BMBF erreichen, dass die medizinischen Daten aus der Patientenversorgung (im stationären und ambulanten Bereich) stärker mit der Forschung verknüpft werden. So können Forschungsergebnisse schneller in die Versorgung kommen und umgekehrt, die Forschung bekommt die Praxiserfahrung mit neuen Konzepten und Therapien zeitnah zurückgespielt. Vier von sechs der ausgewählten FortschrittsHubs Gesundheit widmen sich der Krebsmedizin und adressieren konkrete Ziele der Nationalen Dekade gegen Krebs.
Prävention von Darmkrebs bei Jüngeren
In den letzten Jahren erkranken vermehrt jüngere Jahrgänge, vor allem 30- bis 45- Jährige, an Darmkrebs. Um dieser Herausforderung wirksam entgegenzutreten, müssen die Ursachen der Erkrankung und deren Zunahme sowie verbesserte Möglichkeiten zur Früherkennung und dem Leben mit der Krankheit erforscht werden. Im Rahmen der NDK unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung daher interdisziplinäre Verbünde zur Erforschung der Darmkrebspräventionsmöglichkeiten bei jüngeren und künftigen Generationen.
Früherkennung und Prävention von Leberkrebs
Leberkrebs ist bei seiner Entdeckung für eine Heilung meist zu weit fortgeschritten. Mit der Richtlinie zur Förderung eines systemmedizinischen Forschungsnetzes zur Früherkennung und Prävention von Leberkrebs (LiSyM-Krebs) will das BMBF dabei unterstützen, den Krebs frühzeitig, möglichst schon als Vorstufe, zu erkennen und der Krebsentstehung entgegenzusteuern. Das Netzwerk besteht aus interdisziplinären Kooperationen aus den Bereichen Medizin, Molekularbiologie, Zellbiologie, Biochemie, Informatik und mathematische Modellierung, die in drei Verbundvorhaben organisiert sind. Zusätzlich gefördert werden ein eigenes Programm-Management zur Steuerung des Netzwerks sowie ein zentrales Daten-Management
Neue Ansätze für Datenanalyse und Datenteilen
Mit der Richtlinie zur Förderung von interdisziplinären Projekten zur Entwicklung und Erprobung von neuen Ansätzen der Datenanalyse und des Datenteilens in der Krebsforschung legt das BMBF die Grundlage, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Bereich der Datenanalyse einen niederschwelligen Zugang zu den hochqualitativen Daten aus der translationalen, biomedizinischen Krebsforschung und der onkologischen Routineversorgung zu ermöglichen. Die bereits gestarteten acht Forschungsprojekte arbeiten mit innovativen Methoden, unter anderem mit dem Einsatz von KI, förderiertem Lernen und Schwarmintelligenz, fokussieren das Matching von klinischen und molekularen Daten und entwickeln Algorithmen für Bilddaten. Mit der Förderung wird außerdem eine Kultur des Datenteilens für Forschungszwecke gefördert. Aufgrund der großen Anzahl von Förderanträgen in der ersten Ausschreibungsrunde starten ab Herbst 2024 weitere Projekte in einer zweiten Förderrunde
Vernetzung von Forschung und Versorgung in Modellregionen
Onkologische Spitzenforschung findet in Deutschland insbesondere in den universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen statt. Zwischen ihnen wurden in den letzten Jahren Kooperationsstrukturen geschaffen, die neue Verfahren schneller zu den Patientinnen und Patienten bringen. Die bestehenden Strukturen sollen zunächst in Anwendungsbeispielen noch enger vernetzt, Versorgungs- und Registerdaten besser für die Forschung genutzt und mehr Patientinnen und Patienten in klinische Studien aufgenommen werden. Dafür hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Richtlinie zur Förderung von Forschungsverbünden zur wissensgenerierenden Vernetzung von Forschung und Versorgung in Modellregionen veröffentlicht.
Individuelle Faktoren erkennen: Risikoadaptierte Früherkennung
Im Unterschied zum Screening als flächendeckendem Programm für alle Bürgerinnen und Bürger ab einem bestimmten Alter wird bei der risikoadaptierten Früherkennung das individuelle Risiko (zum Beispiel unter Berücksichtigung der erblichen Vorbelastung oder lebensstilbedingter Risikofaktoren wie dem Rauchen) eines Menschen ermittelt und darauf abgestimmte Untersuchungen empfohlen. Risikoadaptierte Früherkennungsmaßnahmen bergen ein großes Potenzial zur Verbesserung der bisherigen Krebsfrüherkennung. Die Arbeitsgruppe Prävention der Nationalen Dekade gegen Krebs hat daher weitere Forschung zu diesem Thema empfohlen. Die Umsetzung ermöglicht das BMBF mit folgender Ausschreibung: Der Richtlinie zur Förderung von Verbundforschungsprojekten zu risikoadaptierter Krebsfrüherkennung. Um die individuelle Früherkennung voranzutreiben, geht das BMBF mit der Deutschen Krebshilfe eine öffentlich-private Partnerschaft ein. Die Stiftung hat parallel eine abgestimmte Förderung zum Thema Risikoadaptierte Früherkennung und Risikoadaptiertes Screening ausgeschrieben.
Grand Challenges: die großen ungelösten Fragen der Krebsforschung
Warum werden Krebszellen resistent? Wie können Metastasen besser bekämpft werden? Und wie lässt sich das Potenzial von Immuntherapien besser nutzen? Zur Klärung dieser bisher ungelösten Fragen der Krebsmedizin stellt das BMBF bis zu 18 Millionen Euro bereit und ruft zu einer Grand Challenge auf: Forschungsverbünde mit besonders innovativen Ansätzen für große ungelöste Fragen der Krebsforschung können sich bewerben. Das neue Wettbewerbsformat dieser Förderung setzt auf die besten Forschungsideen aus drei vorgegebenen onkologischen Themenkomplexen (Metastasierung, Tumorumgebung, Immunonkologie) in Konkurrenz zueinander. Am Ende eines Auswahlprozesses werden maximal zwei international konkurrenzfähige Verbundprojekte — die mit dem höchsten Innovationspotenzial — die Förderung erhalten. Die Erkenntnisse aus den Projekten sollen einen tieferen Einblick in die Entstehung und Ausbreitung von Krebserkrankungen eröffnen – ein großer Schritt, um Hindernisse bei der effektiven Vermeidung und Behandlung von Krebserkrankungen zu überwinden.
Vernetzung von Forschung und Versorgung
Ein weiteres Ziel der Nationalen Dekade gegen Krebs ist die engere Vernetzung von Forschung und Versorgung. Die Erweiterung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) an vier neuen Standorten schafft eine einmalige Forschungsstruktur in Deutschland. Mehr Krebserkrankte profitieren so von medizinischer Innovation und bringen sich mit ihren Erfahrungen aktiv in die Forschung ein. Die enge Zusammenarbeit von Forschung und Versorgung im NCT ermöglicht mehr Patientinnen und Patienten die Teilnahme an klinischen Studien, deren neueste Ansätze noch nicht in der Routineversorgung verfügbar sind.
Im Projekt PM4Onco wird zudem eine Infrastruktur zur Vernetzung von Forschungs- und Versorgungsdaten aufgebaut, um diese für die personalisierte Medizin zu nutzen. Eine Daten-Pipeline macht es möglich, Daten eines Betroffenen aus verschiedenen medizinischen Einrichtungen, die genetischen und molekularen Eigenschaften des Tumors sowie dazu passende wissenschaftliche Literatur, verfügbare klinische Studien und Datenbanken digital zu integrieren, auszuwerten und darzustellen. Das erleichtert es den Behandelnden im klinischen Alltag enorm, die Daten zu interpretieren und darauf basierend personalisierte Therapieoptionen zu unterbreiten.
Patienteneinbindung
Krebspatientinnen und -patienten sowie ihre Angehörigen leben mit der Krankheit und erleben damit einhergehende Einschränkungen und Herausforderungen in ihrem Alltag. Sie bringen unterschiedliche, für die Forschung oft ungewöhnliche oder neue Perspektiven, Fragen und Lösungsansätze ein. Wenn ihre Erfahrungen, Bewertungen und Fragen berücksichtigt werden, kann die Krebsforschung noch besser auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet werden. Um das zu erreichen, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen:
Allianz für Patientenbeteiligung in der Krebsforschung
Die Nationale Dekade gegen Krebs hat 2022 die Allianz für Patientenbeteiligung in der Krebsforschung ausgerufen. Dahinter steckt die Idee, in einem breiten Bündnis vieler unterschiedlicher Akteure gemeinsam mehr zu erreichen. Dieser Allianz haben sich bis heute 84 Unterzeichner angeschlossen: 84 Institutionen und Organisationen, die sich für die Patientenbeteiligung in der Krebsforschung mit eigenen Maßnahmen engagieren.
Prinzipien für eine erfolgreiche Patientenbeteiligung in der Krebsforschung
Initiiert von der Nationalen Dekade gegen Krebs wurden im September 2021 die Prinzipien für eine erfolgreiche Patientenbeteiligung in der Krebsforschung veröffentlicht, die eine wichtige Hilfestellung für die Praxis bieten. Sie wurden in einem europaweiten Dialogprozess von Patienten und Forschung erarbeitet – und richten sich wiederum an Patienten und Forschung. Diese Prinzipien formulieren worauf es ankommt, damit echte Beteiligung gelingt.
Europe: Unite against cancer
Im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft hat Deutschland im Oktober 2020 unter Federführung des BMBF--Bundesministeriums für Bildung und Forschung gemeinsam mit Portugal und Slowenien die Deklaration „Europe: Unite against Cancer“ verabschiedet. Ein wesentliches Ziel der Deklaration: Die Einbindung von Patientinnen und Patienten in die Krebsforschung langfristig zum Standard machen, um die Krebsforschung noch enger an den Bedürfnissen von Betroffenen auszurichten.
Einbindung bei Förderentscheiden
Das BMBF geht in puncto Patienteneinbindung mit gutem Beispiel voran: Bei allen Begutachtungen von BMBF-Fördermaßnahmen werden Patientinnen und Patienten von Anfang an eingebunden.
Forschungspodcast Tatort Krebs
Um Tabus rund um Krebs, Krebsforschung, Vorsorge, Früherkennung und Leben mit Krebs abzubauen, ist auch Aufklärung zu diesen Themen ein wichtiges Ziel der Nationalen Dekade gegen Krebs. Daher wurde 2022 „Tatort Krebs“ gelauncht, der Forschungspodcast der Dekade. Am 4. Februar 2024 startet die zweite Staffel des Podcasts. In Reportagen werden die Köpfe hinter den NDK-Forschungsprojekten vorgestellt und Menschen porträtiert, die mit der Krankheit leben. Auch auf der Webseite und auf dem Twitter-Kanal der Dekade wird die breite Öffentlichkeit über diese Themen informiert – ebenso auf zahlreichen Veranstaltungen, wie dem Deutschen Krebskongress und der Yes!Con 2024.