Wasserstoff aus Bakterien und Sonnenlicht : Datum: , Thema: Forschung zur Energiewende
Die nachhaltige Erzeugung von Wasserstoff mittels Sonnenlicht und Bakterien könnte ein Baustein der Energiewende werden. Die Mikroorganismen fangen zudem das Treibhausgas CO2 ein. Das BMBF förderte frühzeitig die notwendige Erforschung der Möglichkeiten.
Wasserstoff gilt als Energieträger von morgen, denn er lässt sich flexibel einsetzen. Außerdem stoßen Brennstoffzellen nur Wasserdampf aus. Heutzutage gewinnt man Wasserstoff überwiegend durch die klassische Elektrolyse: Mit Strom als Energiequelle spaltet man Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Das ist dann nachhaltig, wenn der notwenige Strom erneuerbaren Energien entstammt. Dahingegen kann die Natur Sonnenenergie direkt nutzen: Manche Mikroorganismen produzieren mittels Photosynthese ohne Umwege Wasserstoff.
Grüner Wasserstoff direkt durch Sonnenenergie
„Diese Form der Energiekonservierung und -nutzung ist die wohl denkbar nachhaltigste und umweltfreundlichste Form,“ urteilt die Wissenschaftlerin Professorin Kirstin Gutekunst. Ihre Forschung zur photosynthetischen Wasserstoff-Gewinnung wurde vom Bundesforschungsministerium schon frühzeitig gefördert. So konnte die Mikrobiologin 2016 eine Nachwuchsgruppe gründen, um die risikoreiche Forschung für eine solche umwälzende Technologie anzugehen, die nun Früchte trägt.
Damals gewann sie den BMBF-Forschungspreis der Initiative „Nächste Generation biotechnologischer Verfahren – Biotechnologie 2020+“ für ein biotechnisches Verfahren zur sonnengetriebenen Wasserstoffproduktion. Die Forscherin verwendet Cyanobakterien, früher auch Blaualgen genannt, um die Sonnenenergie einzufangen. Die einfachen Mikroorganismen benötigen zum Wachstum nur sehr wenig Energie und Ressourcen, ihnen genügen Sonnenlicht und Wasser mit einigen Nährstoffen. Gleichzeitig nutzen die Mikroorganismen das Treibhausgas CO2 als Kohlenstoffquelle und entziehen es dadurch der Atmosphäre. Und es entsteht kein CO2 oder andere schädliche Abgase, wenn Wasserstoff in Brennstoffzellen verwendet wird. Insofern ist die Technologie „dreifach“ klimafreundlich.
Grundlagenforschung geht in Anwendung über
In dem 2022 abgeschlossenen Forschungsprojekt gelang es ihrem Team, die Ausbeute an Wasserstoff um ein Vielfaches zu steigern. Es koppelte das wasserstoffproduzierende Enzym Hydrogenase direkt an die Photosynthese. So gelang es, dass die Organismen nun über Stunden Wasserstoff ausstoßen – natürlicherweise dauert der Prozess nur zwei Minuten.
Was als reine Grundlagenforschung begann, geht heute immer mehr in die Anwendung über. Das Ziel ist die Effizienz weiter zu steigern. Dabei geht es etwa um Fragen, wie technische Anlagen zur biologischen Wasserstoffproduktion gebaut sein müssen. „Wir müssen den ganzen Organismus mitdenken, wir können die Cyanobakterien nicht verhungern lassen, während sie Wasserstoff produzieren“, erklärt Gutekunst.
In einem Anschlussprojekt, gefördert vom „Ideenwettbewerb Grüner Wasserstoff“ des BMBF, untersucht sie nun mit Gruppen um Professor Marc Nowaczyk und Professor Wolfgang Schuhmann, ob sich die Fusionskonstrukte aus Photosystem und Hydrogenase auch für die Produktion in vitro, also außerhalb von Organismen, eignen. Durch eine Kombination von in vitro- und in vivo-Ansätzen soll der Prozess außerhalb und innerhalb der Zelle optimiert werden.
Bio-Photovoltaik verbindet Elektrochemie mit Biologie
Für die biobasierte Wasserstoff-Produktion sind verschiedene Wege denkbar. Das BMBF fördert ebenfalls eine Gruppe mit der Förderinitiative „Kreativer Nachwuchs forscht für die Bioökonomie“, die im August an den Start ging. Anders als Gutekunst lässt Bin Lai nicht die Cyanobakterien den Wasserstoff produzieren, sondern erntet überschüssige Elektronen aus der Photosynthese und überträgt sie auf ein elektrochemisches System. Damit verbindet er den biologischen Prozess der Photosynthese mit der elektrochemischen Wasserstoff-Synthese. Dieses biohybride System nennt sich Bio-Photovoltaik. Diese ist für einen dezentralen Einsatz konzipiert, etwa auf Hausdächern, um die Sonnenenergie maximal zu nutzen und weniger Energie durch den Transport zu verlieren. Wichtig ist für Lai „der ganzheitliche Blick“. Dabei müssen etwa Mikrobiologen oder Prozessingenieure kooperieren, um das Zusammenspiel von Bakterien und Elektrochemie zu optimieren.
Der einstige Mentor des Nachwuchsforschers Lai ist ein Pionier der sogenannten Elektrobiotechnologie: Professor Falk Harnisch, Biochemiker am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Er erhielt für seine zukunftsweisende Arbeit an der Schnittstelle von Elektrochemie und Biotechnologie 2012 den BMBF-Forschungspreis „Biotechnologie 2020+“.
Prozess birgt großes Potenzial
So baut die langjährige Förderung des Bundesforschungsministeriums aufeinander auf. Es ist jedoch weiterhin ein langer Atem notwendig, bis die Prozesse zur Produktreife entwickelt sein können. „Das Potenzial dieses Prozesses ist jedoch so groß, dass wir es mit vereinten Kräften auf jeden Fall versuchen möchten“, sagt Gutekunst. Sie stehe mit Lai in engem Austausch, ebenso wie mit einer US-amerikanischen Forschergruppe, die Grünalgen verwendet: „Wir lernen voneinander.“ Die Vision, dezentral lediglich mit Sonnenlicht und Wasser den Energieträger Wasserstoff zu gewinnen, treibt alle Gruppen an. Das Bundesforschungsministerium gibt dabei wertvolle Starthilfe für die risikoreiche Forschung. „Dass ich dadurch eine eigene Nachwuchsgruppe gründen konnte, war für mich phantastisch“, betont Gutekunst, die während ihres Forschungsprojektes einen Ruf als Professorin an die Universität Kassel erhielt.
Einen weiterführenden Beitrag zum Thema finden Sie im Fachportal nature.com (auf Englisch).