Zellen aus dem Bio-Drucker : Datum: , Thema: Diabetesforschung
In Heidelberg werden insulinproduzierende Gewebe gedruckt. Das ist ein enorm großer Schritt für die Medizin, der vielen an Diabetes erkrankten Menschen Hoffnung gibt.
Viele Menschen leiden darunter, dass ihre Bauchspeicheldrüsen zu wenig Insulin produzieren. Das geschieht, wenn sie Diabetes bekommen oder wenn die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) oder Teile davon operativ entfernt werden müssen, zum Beispiel bei einer Tumor-Erkrankung. Insulin ist aber ein lebenswichtiges Hormon, das die Aufnahme des Blutzuckers im Körper reguliert. Darauf kann der Körper nicht verzichten. Zwar kann Insulin auch gespritzt werden, aber genaue Dosierungen sind schwierig und Langzeitkomplikationen nur schwer vermeidbar. Die Betroffenen leben ständig mit dem Risiko einer Unterzuckerung, die Schocks oder Komata auslösen kann.
Biogedrucktes künstliches Gewebe produziert eigenständig Insulin
Um diesen Patientinnen und Patienten künftig besser helfen zu können, hat das Forschungsteam des Eurostars-Projekts 3D-PIVOT ein insulinproduzierendes Gewebe im Labor hergestellt. Wie sein natürliches Vorbild kann es – in Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel – eigenständig Insulin produzieren. Langfristig soll solch ein 3D-biogedrucktes Organ die Funktion von natürlichen Bauchspeicheldrüsen ersetzen können. Im Gegensatz zur Spritze, so die Hoffnung, kann ein biogedrucktes Pankreas kontinuierlich Insulin produzieren. Das würde die Lebensqualität der Betroffenen deutlich steigern und sie wären nicht mehr auf Spenderorgane angewiesen, von denen es nicht genügend gibt.
„Auf natürlichem Wege wird das Insulin in den sogenannten Langerhans-Inseln produziert“, erklärt Gabriel Salg vom Universitätsklinikum Heidelberg. Er hat das Projekt von medizinischer Seite betreut. „Das sind sehr kleine Gewebeinseln in der Bauchspeicheldrüse. Deren Funktionsweise wollen wir nachahmen.“
Die gedruckten Zellen werden von einem Träger geschützt und über eigene Blutgefäße mit Nährstoffen versorgt
Dafür brauchte das 3D-PIVOT-Team zunächst einen Träger. Er sorgt dafür, dass das neue Zellgewebe an einem bestimmten Ort im Körper eingesetzt werden kann. Die größte Schwierigkeit dabei: Der Träger muss die sehr sensiblen Zellen einerseits schützen können. Andererseits muss er so durchlässig sein, dass die Zellen mit Sauerstoff und allen weiteren nötigen Nährstoffen versorgt werden. Deshalb hat das Team ein sogenanntes Mehrkomponenten-Hilfsmittel entwickelt. Es besteht zum einen aus einer 3D-gedruckten Außenhülle aus Polymer-Kunststoff, dem eigentlichen Träger. Er ist wie eine Rohrklammer geformt und gitterartig aufgebaut. Zum anderen besteht er aus einer biogedruckten Innenschicht, die sich aus einem Hydrogel-Trägermaterial und den eigentlichen Zellen zusammensetzt. So soll das Hilfsmittel gefäßumschließend im Körper angebracht werden.
Damit die überlebenswichtigen Nährstoffe auch in den 3D-biogedruckten Zellen ankommen, müssen diese zusätzlich eigene Blutgefäße ausbilden. „Die eigene Blutversorgung ist für unser biogedrucktes Organ ganz entscheidend, weil letztlich die Konzentration des Zuckers im Blut darüber entscheidet, ob ausreichend Insulin von den Zellen ausgeschieden wird, oder nicht“, führt Salg aus. „Außerdem muss das von den Zellen produzierte Insulin ja auch wieder in den Blutkreislauf zurückgelangen, um überhaupt wirken zu können.“
Insulinproduzierende Zellen aus dem 3D-Biodrucker
Die Zellen selbst werden mit einem 3D-Biodrucker gedruckt, der nicht nur drucken, sondern auch Zellen wärmen kann. So wird gewährleistet, dass das gedruckte Zellmaterial nicht sofort abstirbt. Außerdem können mit ihm mehrere Materialien gleichzeitig gedruckt werden.
Vor dem Druck werden die insulinproduzierenden Zellen in ein Hydrogel eingebracht. „Das ist eine gallertartige Masse mit fester Struktur. So ähnlich wie Gummibärchen, die in Wasser aufgeweicht wurden“, so Salg. Mit dieser Biotinte (Bestandteile: Hydrogel und lebendes Zellmaterial) druckt der Drucker eine dreidimensionale Form – ein neues Organ – in den Träger. Anschließend wird es mit UV-Licht ausgehärtet, damit es nicht zerfließt.
Zellen von der Ratte als Prototyp
Für das erste insulinproduzierende Gewebe – den Prototypen – haben die Forschenden eine Zelllinie von der Ratte zunächst in Zellkultur gezüchtet und dann in das Hydrogel eingebracht. Sie konnten nachweisen, dass die Zellen auch als 3D-biogedrucktes Gewebe Insulin produzieren.
Langfristig sollen die Zellen für künstliche Bauchspeicheldrüsen aber von den Patientinnen und Patienten selbst kommen. Mit den jeweils eigenen Körperzellen der Erkrankten zu drucken, hat mehrere Vorteile: Sie rufen keine starken Abstoßungsreaktionen oder Kreuzreaktionen hervor. Dank des Trägers und der Stützstruktur im Hydrogel sind sie zudem robuster als Zellen von herkömmlich transplantierten Bauchspeicheldrüsen, die sehr schnell absterben können.
Detaillierte Simulationen verbessern und beschleunigen die Ergebnisse
„Wir haben intensiv mit Fachleuten aus der Softwareentwicklung und dem Ingenieurwesen zusammengearbeitet. Ohne sie hätten wir nicht so schnell so erfreuliche Ergebnisse erzielt“, betont Salg. Mit der Firma ASD aus Rostock hat er den Blutfluss von natürlichen Bauchspeicheldrüsen intensiv erforscht und für künstliche Pankreata simuliert. „So konnten wir schon im Vorhinein herausfinden, was das neue Organ alles braucht, um funktionieren zu können." Wird das über skalierbare Simulationen geklärt, muss weniger an lebenden Geweben geforscht werden. Deshalb werden die Simulationen nun mithilfe der Inova GmbH über eine eigene Website auch anderen Forschenden zugänglich gemacht.
Entwicklung in Rekordzeit
Wirklich bemerkenswert ist die Tatsache, dass die insulinproduzierenden Gewebe in nur drei Jahren entwickelt wurden. Und eine Patentanmeldung läuft bereits. „Der 3D-Biodruck wird in den nächsten 30 Jahren eine wesentliche Rolle spielen, auch wenn wir noch nicht wissen, ob tatsächlich irgendwann eine vollständig funktionierende Bauchspeicheldrüse aus dem Drucker kommen und in menschliche Körper eingesetzt werden wird“, unterstreicht Salg. „Auszuschließen ist das aber keinesfalls.“