Amazonas Auenwälder - die artenreichsten Überschwemmungswälder der Erde : Datum: , Thema: Internationaler Tag der Tropenwälder
Tropische Auenwälder werden für ihre Anpassungsfähigkeit und artenreiche Population hochgeschätzt. Doch auch sie sind vom Klimawandel betroffen. Florian Wittmann untersucht die Folgen des Klimawandels und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Bestehen dieser artenreichen Biotope weiterhin zu garantieren.
Die Fragen beantwortete Prof. Dr. Florian Wittman. Er ist Koordinator des Projektes CLAMBIO und Professor für Auenökologie und Leiter des Auen-Instituts am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Der Auenwald ist stark vom Wasser geprägt, was ihn besonders artenreich macht. Was sind die aktuellen Gefahren für das weitere Überleben dieses Ökosystems?
Die Gefahren für die amazonischen Feuchtgebiete, besonders der Flussauen, sind vielfältig: Die voranschreitende Rodung durch den Ausbau von Beweidungs- und Ackerflächen, die Gewässerverschmutzung verursacht durch Tagebau, Schifffahrt und Landwirtschaft und eine nicht-nachhaltige Ressourcennutzung der Wälder selbst. Zum Beispiel kann die Übernutzung von bestimmten Baumarten bereits zu einer Reduzierung von natürlichen Populationen führen.
Die größte Gefahr für die Auenwälder ist jedoch der Bau von Staudämmen für die Wasserkraftnutzung. Nicht nur unter dem aufgestauten Wasser verschwindet der Auenwald, sondern auch Flussabwärts der Staumauer wird das Auf und Ab der Wasserstände, das für Auenwälder charakteristisch ist, massiv verändert. Dies verhindert unter anderem, dass Fische und andere wichtige Organismen ausreichend Lebensraum haben. Es kommt zu einer Reduzierung an Nährstoffen, was die Fruchtbarkeit und somit Tragfähigkeit der Auenhabitate verringert.
Was steckt hinter dem Projektnamen „CLAMBIO“? Wo setzt ihre Forschung konkret an, woran forschen Sie genau?
Das Projekt untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf die amazonische Biodiversität und deren Nutzung durch indigene Bevölkerungsgruppen. Das Akronym CLAMBIO steht für Assessing the effects of past and future CLimate change on AMazonian BIOdiversity. Hierfür greifen wir einerseits auf modernste, wissenschaftliche Methoden zurück. Andererseits nutzen wir traditionelles, indigenes Wissen über die Verfügbarkeit an natürlichen Ressourcen und deren Wandel im Zuge des Klimawandels. Mithilfe von dendrochronologischen und dendroklimatologischen Studien an mehreren hundert Jahren alten Auenwald-Bäumen wollen wir zeigen, wie die Auenwälder auf Trockenzeiten, Feuer und extreme Wasserstände in der Vergangenheit reagiert haben. Gleichzeitig wollen wir in Erfahrung bringen, wie sich die Ressourcenverfügbarkeit über die letzten Jahrzehnte im Zuge des Klimawandels verändert hat, und wie sie sich künftig noch verändern wird. Dazu schauen wir uns zwei Nebenflüsse des Amazonas an: Den Rio Negro im Nordwesten Amazoniens und den Rio Xingu im Südwesten. Der Rio Xingu transportiert zehnmal so viel Wasser wie der Rhein.
Können Sie etwas zum aktuellen Zustand der Auenwälder sagen? Wie sieht die Tendenz aus, insbesondere im Hinblick auf die klimatischen Veränderungen?
Aufgrund unserer bisherigen Studien wissen wir, im welchen großen Ausmaß Staudämme das Wachstumserhalten der dahinterliegenden Auenwälder verändern. Das kann zu einem regionalen Absterben (bei Erhöhung der Niedrigwasserstände) oder einer starken Verdrängung (bei Verringerung der Hochwasserstände) von nativen Baumarten führen. Da viele Tierarten die nativen Baumarten als Habitate und Nahrungsquelle nutzen, kann eine Veränderung bei den sonst typischen Wasserständen ganze Nahrungsketten beeinflussen. Das wiederum hat unmittelbare Konsequenzen darauf, wie die an den Flüssen lebenden Menschen die natürlichen Ressourcen nutzen und ihre Existenz gefährden. Hier besteht eine eindeutige Wirkungskette.
Eine Hauptursache für den Verlust der Tropenwälder im Generellen ist deren Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzflächen. Wie könnte eine nachhaltige Bewirtschaftung der Auenwälder aussehen?
Die traditionellen Nutzungsweisen der Auenwälder bestehen seit ca. 12.000 Jahren, als die ersten Menschen im Amazonasgebiet angesiedelt sind. Sie ist weitgehend nachhaltig. Auch die nicht-indigene Bevölkerung, die erst seit dem 16. Jahrhundert an Flussauen Amazoniens lebt, betreibt noch eine relativ nachhaltige Nutzung. Sie betreibt Subsistenzfischerei sowie Land- und Viehwirtschaft, die Wälder dienen zur Jagd und werden zur Entnahme von Holz und hier wachsenden Produkten genutzt. Die Auen haben betreffend ihren Ökosystemleistungen nicht nur einen entsprechend hohen Stellenwert, sie sind auch gegenüber terrestrischen Ökosysteme vergleichsweise resilient gegenüber Störungen, da sie sich bereits an natürliche Störungen angepasst haben. Um eine nachhaltige Bewirtschaftung weiterhin zu garantieren, ist entscheidend, die frei fließenden Flüsse, ihre Wasserqualität und ihre Auenwälder zu erhalten. Dies ist zugleich Garant für eine hohe Biodiversität.
Was erhoffen Sie sich vom Projekt und welche Maßnahmen würden Sie sich im Anschluss bereits heute wünschen?
Wir erhoffen, zuverlässige Aussagen über mögliche Veränderungen bei der Biodiversität und bei den Ökosystemleistungen zu erlangen, die der Klimawandel und die modernen Bewirtschaftsformen (Landwirtschaft, Entwaldung, Hydroenergie) verursachen. Die Erkenntnisse und Daten bilden die Grundlage für angepasste Schutz- und Managementkonzepte für die lokale Bevölkerung (indigene und nicht-indigene). Ein großer Erfolg wäre es zudem, dass die Großstaudämme als eine zentrale Ursache für die Veränderung mehr in den Blick kommen, die wir selbst direkt in der Hand haben. Deren Bau, der z.B. durch viele internationale Großkonzerne finanziert wird, hat katastrophale Folgen für die Natur und die traditionellen Flussanwohner. Die Regenwaldzerstörung hat natürlich auch einen großen Einfluss auf das Weltklima und ist ein globales Problem.