Wissenschaftskommunikation par excellence : Datum: , Thema: Welt-Sepsis-Tag
Wie unterhaltsam Wissenschaftskommunikation sein kann, beweist das Leibniz-Institut für Photonische Technologien mit seinem Comic „Lasergirl: Jagd auf den Killerkeim“. Im Interview verrät Lavinia Meier-Ewert mehr zu den Hintergründen des Comics.
Der Ralf-Dahrendorf-Preis würdigt herausragende Leistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in europäischen Forschungsprojekten. Das Innovative an dem Preis: Das Preisgeld ist dafür bestimmt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen, um so das Wissen nicht nur innerhalb der Wissenschafts-Community zu behalten, sondern ganz gezielt den Weg auch zu fachfremdem Publikum zu suchen.
2019 wurde der Dahrendorf-Preis zum ersten Mal verliehen. Unter anderem ging der Preis an das HemoSpec-Team am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in Jena mit seinen europäischen Partnerinnen und Partnern. Gemeinsam haben sie ein Verfahren entwickelt, das Blutvergiftungen (Sepsis) mithilfe von Licht schneller und konkreter diagnostizieren kann.
Und wie vermittelt man die Erkenntnisse nun am besten an die Bürgerinnen und Bürger? Im Idealfall noch an verschiedene Altersgruppen? Das Leibniz-IPHT hat sich da etwas sehr Originelles einfallen lassen: Sie haben mit dem Preisgeld einen Wissenschaftscomic entwickelt, in dem Lasergirl Jagd auf den Killerkeim macht. Wie es zu dem Comic kam, was die Ansprüche des Teams bei der Umsetzung waren und vieles mehr, berichtet Lavinia Meier-Ewert in einem Interview. Sie ist wissenschaftliche Redakteurin am Leibniz-IPHT und war einer der führenden Köpfe, als es um die Umsetzung ging. Story und Text stammen von ihr und Daniel Siegesmund, gezeichnet hat den Comic die Weimarer Illustratorin Sandruschka.
Frau Meier-Ewert, die wohl entscheidende Frage gleich vorab: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Comic zu Ihrem Forschungsprojekt zu entwerfen?
Lavinia Meier-Ewert: Die Idee, Wissenschaft im Comic zu erzählen, bestand schon länger – der Dahrendorf-Preis gab uns dann die willkommene Gelegenheit, diesen lang gehegten Plan umzusetzen. Und dann passt das Genre Superheldinnen-Comic auch einfach ideal zu unserem wissenschaftlichen Thema: Das Forschungsteam hat herausgefunden, wie man Laserlicht einsetzen kann, um eine lebensbedrohliche Sepsis – umgangssprachlich „Blutvergiftung“ – schneller zu erkennen und damit besser zu behandeln, als das derzeit möglich ist. Das ist ja ein fast schon klassisches Superheldinnen beziehungsweise -helden-Narrativ: Jemand rettet die Menschheit vor einer großen Gefahr – und zwar mithilfe einer übermenschlichen Fähigkeit. Die Superkraft in unserem Fall? Licht – kombiniert mit superheldentypischer Hightech-Ausrüstung: der photonischen Technologie, die Licht als Werkzeug nutzt.
Was war Ihnen bei der Umsetzung und der Gestaltung wichtig?
Der Comic sollte als Comic funktionieren. Also: eine coole Heldin, eine spannende, schlüssige Story und eine originelle Bildsprache haben und nicht daherkommen wie ein Lehrmedium, vollgestopft mit Fußnoten, weil man sich dann doch nicht ganz traut, den komplizierten Gegenstand einfach darzustellen.
Gleichzeitig war unserem Forschungsteam natürlich wichtig, dass die wissenschaftlichen Inhalte so präzise vermittelt werden, dass der Comic auch innerhalb der wissenschaftlichen Community bestehen kann. Was eine Sepsis im Körper auslöst und wie optische Verfahren Krankheitserreger erkennen können, mussten wir also für Lasergirls Superheldinnen-Kosmos übersetzen. Dabei haben uns die Forschenden – die im Comic übrigens selbst mitspielen – toll unterstützt. Nicht nur mit Erklärungen, sondern auch mit kreativen Ideen, zum Beispiel, wie man sich die unterschiedlichen Immunzellen so vorstellen kann: die einen wie eine Sondereinheit zur Terrorabwehr, die anderen wie Geheimagenten.
Damit keine Informationen verlorengehen, entschlüsseln wir in einem Wissensteil, was hinter der Geschichte steckt: Warum sind multiresistente Keime so gefährlich? Wie funktioniert es in echt, Keime mit einem Laser zu identifizieren? Und was muss alles passieren, bis diese Technologie am Krankenbett zum Einsatz kommt? Schließlich wollen wir dazu beitragen, dass die Menschen nicht nur verstehen, woran geforscht wird, sondern auch, wie diese Forschung ihnen zugutekommt.
Wo kann der Comic eingesetzt werden?
Wir stellen den Comic als kostenloses E-Book zur Verfügung, um so möglichst viele Leserinnen und Leser zu erreichen. Natürlich eignet er sich insbesondere auch für den Einsatz im Unterricht. Studien berichten, dass Comics hier durchaus Vorteile für die Wissensvermittlung bieten können. Es wäre toll, wenn wir Schülerinnen und Schüler dafür begeistern könnten, wie spannend naturwissenschaftliche Forschung ist und wie sich damit visionäre Ideen verwirklichen lassen.
Sehen Sie noch Nachholbedarf bei der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse an die Öffentlichkeit?
Die Corona-Pandemie hat sichtbar gemacht, wie wichtig es ist, dass wissenschaftliche Fakten und Erkenntnisse verständlich und transparent vermittelt werden, so dass sie die Menschen auch erreichen. Sie hat gezeigt, wie gut das funktionieren kann, aber auch Fallstricke offenbart, etwa, dass Ergebnisse instrumentalisiert werden. Generell habe ich den Eindruck, dass die Anerkennung von Wissenschaftskommunikation in der Pandemie gewachsen ist. Es wäre schön, wenn mehr Forscherinnen und Forscher sich davon ermutigen ließen, sich auf dieses Gebiet zu wagen und ihre wissenschaftliche Arbeit so zu vermitteln, dass es zu einer Verständigung mit der Gesellschaft kommt. Und es wäre schön, wenn dafür auf der anderen Seite auch das Verständnis wächst, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse meist nicht in einer einfachen Schlagzeile zusammenfassen lassen, sondern man bereit sein muss, sich komplexen Sachverhalten auch zu stellen.
Wird es noch einen Comic geben?
Genügend Stoff wäre auf jeden Fall da! Forschende am Leibniz-IPHT nutzen Licht nicht nur, um Krankheitserreger und Antibiotikaresistenzen zu diagnostizieren, sondern auch um neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Krebs zu entwickeln: mit haarfeinen Faser-Endoskopen die Geheimnisse des Gehirns zu erkunden oder neue Materialien für eine umweltfreundliche Energieerzeugung aus Sonnenlicht und Wasser zu erforschen — alles Themen mit Superheld*innen-Potenzial.
Außerdem entsteht in Jena gerade das neue Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung. Dort wird Lasergirls Hightech-Ausrüstung für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten mit optischen Technologien künftig Nutzern aus der ganzen Welt ganz real zur Verfügung stehen.
Nicht auszuschließen, dass der nächste Einsatz für Lasergirl da schon ruft.
Hier geht es zum Lasergirl-Comic auf der Website des Leibnitz-IPHT.