Forschung unterstützt Quartiere bei Schutz vor Unwettern : Datum: , Thema: Interview
Wie können Kommunen sich gegen Extremwetter wappnen? Nach mehrjähriger Forschung zu Starkregen in Olfen und Schwäbisch Gmünd beginnt das von Prof. Dr.-Ing. Jörn Birkmann geleitete Projekt RESI-extrem, gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Im Bereich des BMBF-Förderschwerpunktes Klimaresilienz durch Handeln in Stadt und Region im Rahmen der FONA-Strategie (Forschung für Nachhaltigkeit) starten mehrere Projekte nun in die Umsetzungs- und Verstetigungsphase, unter anderem das Projekt RESI-extrem. Das Projekt untersucht, wie Stadtentwicklung trotz der scheinbaren Unvorhersehbarkeit von Extremwetterereignissen wie Starkregen Vorsorge- und Schutzkonzepte für eine klimaresiliente Entwicklung fördern kann.
Herr Prof. Birkmann, Sie sind Leiter des Projektes RESI-extrem, in dem Sie Strategien für die Anpassung von Städten und Gemeinden an Starkregen entwickeln. Was genau ist das Ziel des Projektes und wie gehen Sie bei Ihrer Forschung vor?
Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Hubschrauber sind wichtig im Katastrophenereignis, aber wir müssen unsere Städte auch strategisch besser vorbereiten. RESI-extrem zielt auf die Verbesserung der Vorsorge gegenüber Starkregen insbesondere im Rahmen der Stadtentwicklung. Im Neubau sind planerische und bauliche Vorsorgemaßnahmen relativ leicht, aber im Projekt geht es auch gerade um die Anpassung der bereits gebauten Stadt. Hierzu müssen wir wissen, welche Siedlungsbereiche von Starkregen besonders betroffen sein können, wie sich die unterschiedliche Verwundbarkeit von Menschen und Infrastrukturen in den Stadtteilen darstellt und welche Anpassungsoptionen es gibt.
Sie selber forschen in Stuttgart; wie kamen Sie auf Schwäbisch Gmünd und Olfen als Partner für Ihr Forschungsprojekt?
Schwäbisch Gmünd wurde im Jahr 2016 erheblich von einem Starkregenereignis getroffen – mit zwei Todesopfern – und wir haben dann auf Basis der BMBF-Ausschreibung zur Nachhaltigkeitsforschung die Stadt kontaktiert. Olfen ist ebenfalls bereits betroffen gewesen und unser Partner – die TU Dortmund – hat dort gute Kontakte. Wichtig war uns gerade, Klein- und Mittelstädte in den Fokus zu rücken, da es dort keine große und spezialisierte Verwaltung gibt. Die heutige BMBF-Forschung hat den Vorteil, dass die Städte auch selber Mittel für Personal im Rahmen der Förderung erhalten. Dies ist gerade bei kleinen Städten enorm wichtig.
Was können wir insgesamt aus den Überflutungen lernen, die Deutschland in diesem Juli großflächig erschüttert haben? Welche wirksamen Maßnahmen können Kommunen umsetzen, um sich in Zukunft besser gegen Starkregen schützen zu können?
Was lernen wir? Zunächst zeigt die Anzahl von Todesopfern und Schäden sowie die steigende Wahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen im Kontext des Klimawandels, dass die Themen Vorsorge und Anpassung für die zukünftige Nachhaltigkeits- und Sicherheitsforschung ein prioritärer Gegenstand sein müssen. Die aktuell diskutierten Maßnahmen gehen in sehr unterschiedliche Richtungen, von der Verbesserung der Frühwarnung bis zur Umsiedlung oder dem Objektschutz. Machbarkeit, Effektivität und Akzeptanz von Maßnahmen müssen aber noch kontextspezifisch untersucht werden. Synergien und Konflikte mit anderen Handlungsfeldern sind ebenfalls genauer zu prüfen.
Oft sind mögliche Maßnahmen bereits bekannt – es hakt aber an der Realisierung. Vor welchen häufigsten Hindernissen stehen die Kommunen bzw. Länder bei der Umsetzung dieser Maßnahmen, und wie können diese überwunden werden?
Es ist nicht nur ein Umsetzungsproblem. Starkregenvorsorge in einer größeren Stadt im Flachland (wie zum Beispiel Münster oder Berlin) verlangt andere Ansätze als in kleinen bergigen Gemeinden im ländlichen Raum. Um Hindernisse langfristig zu überwinden, müssen wir Vorsorge gegen Starkregenrisiken mit anderen Handlungsfeldern und strategischen Fragen der Stadtentwicklung, zum Beispiel Umbau der Innenstadt oder neue Grün- und Parkanlagen verbinden. Auch Befürchtungen, dass die Darstellungen einer Starkregengefahrenkarte für das eigene Grundstück zu Problemen beim Versicherungsschutz oder dem Wert der Immobilie führen, müssen weiter untersucht werden. Starkregenvorsorge ist eine Gemeinschaftsaufgabe von öffentlichen und privaten Akteur:innen, die zu konkretisieren ist.
Neben Starkregen erleben wir seit vielen Jahren auch zunehmend intensivere Hitzewellen. Wo sehen Sie Unterschiede zwischen den beiden Extremereignissen hinsichtlich der Forschung für die Anpassung und Vorsorge in Städten und Gemeinden? Wie lassen sich Forschungen und Strategien gegen unterschiedliche Extremwetterereignisse vielleicht auch kombinieren?
Hitzewellen und Starkregenereignisse werden beide im Kontext des Klimawandels mit hoher Wahrscheinlichkeit an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Die Verwundbarkeiten und Überlagerungen von Risiken unterscheiden sich aber in Teilen. Dennoch gibt es wichtige Synergien im Bereich Anpassung. So sind grüne und blaue Infrastrukturen- wie Parks, städtische Freiraumachsen, Bäche oder Wasserflächen, sowohl für die schadlosere Ableitung von Starkregenereignissen, als auch bei Hitzestress als kühlende und schattige Orte, wichtig. Forschung muss zudem die Herausforderungen falscher Anpassung stärker in den Blick rücken. Beispielsweise kann der massive Ausbau von Klimaanlagen in Städten die Temperatur dort weiter erhöhen.
Sie haben in Ihrem Projekt bereits wichtige Erkenntnisse gewonnen. Welche Projekterkenntnisse sind bereits jetzt für die Klimaanpassung in Kommunen hilfreich, und welchen Forschungsbedarf für die Anpassung von Städten und Gemeinden sehen Sie auch insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Katastrophe?
Die Befunde aus RESI-extrem zeigen, dass die Vorsorge gegenüber Starkregen auf eine breite Informationsbasis gestellt werden muss, die neben Starkregen auch die Verwundbarkeit von Menschen und Infrastrukturen umfasst. Vorsorge ist sowohl bei einer Platzumgestaltung als auch Quartiersentwicklung mitzudenken. Bei Neubaugebieten können z. B. Zisternen als Speicher für Regenwasser festgeschrieben werden, im Bestand können Straßengestaltung, neue Grünflächen für Notwasserwege und neue Formen der Kooperation zwischen Stadt und Bürger:innen wichtige Ansatzpunkte sein. Zudem sollten Förderprogramme für Kommunen und Bürger:innen Anreize für Anpassung bieten.
Herr Prof. Birkmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.