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„Wir entdecken auf jeder Expedition etwas Neues, das vorher unbekannt war!“ : Datum: , Thema: neues vom forschungsschiff sonne

Die aktuelle Expedition des BMBF-Forschungsschiffs SONNE führt Forschende aus Deutschland, Griechenland, Italien und Taiwan ins Mittelmeer südlich von Kreta. Dort untersuchen sie zwei Monate lang Schlammvulkane und ihre Entstehungsgeschichte.

Schiffsbesatzung und Wissenschaftler beim Einholen des autonomen Tauchroboters AUV MARUM-SEAL 5000 nach seinem ersten Einsatz auf dem Bergamo Schlammvulkan
Schiffsbesatzung und Wissenschaftler beim Einholen des autonomen Tauchroboters AUV MARUM-SEAL 5000 nach seinem ersten Einsatz auf dem Bergamo Schlammvulkan © Heike Dugge

Bedingt durch die Pandemie ist Emden zugleich Start und Ziel der SONNE-Expeditionen. Am 1. Dezember 2020 wird die SONNE wieder in Deutschland erwartet. Gerhard Bohrmann vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen leitet diese Expedition und erzählt im Gespräch mit bmbf.de, was die Forscherinnen und Forscher an Bord erleben und warum die SONNE Babynahrung geladen hat.

Herr Bohrmann, zunächst vorweg: Was ist in Corona-Zeiten anders?

Vor der eigentlichen Expedition mussten wir vier Tage komplett isoliert in Hotelzimmern in Leer verbringen und selbstverständlich einen Coronatest machen. Nach weiteren zehn Tagen an Bord wurde die SONNE dann zum Corona-freien Schiff erklärt. Wir leben hier daher nun in einer Corona-freien Welt. Wir sind 50 Tage an Bord und müssen uns keine Gedanken mehr um Masken oder Kontaktverbote machen. Das genießen wir schon sehr. Was für uns am Wichtigsten ist: Das wir wegweisende Forschung machen können. Das ist schon paradiesisch.

Was ist das Spektakuläre an der Expedition?

Wir befinden uns im östlichen Mittelmeer in einem Gebiet, in dem sehr viele Schlammvulkane am Meeresboden vorkommen. An Land gibt es weltweit insgesamt etwa 1100 Schlammvulkane. Hier gibt es Schätzungen zufolge 500 dieser Vulkane, die anstelle von Lava Schlamm und Gesteinsbrocken speien. Das sind spektakuläre Untersuchungsobjekte für uns, da sie intensiven Austausch mit dem Meerwasser haben.

Gibt es Schlammvulkane auch in der Nord- und Ostsee?

Nein, die gibt es vorwiegend in tektonisch aktiven Gebieten. Hier im Mittelmeer stoßen die Eurasische und Afrikanische Kontinentalplatte aufeinander. In dieser Kollisionszone steigt Schlamm aus großer Tiefe auf.

Wenn Sie einen neuen Schlammvulkan im Meer entdecken, dürfen Sie ihm dann genau wie einer neu entdeckten Tierart einen Namen geben?

Ja, wenn wir die ersten sind, die einen Schlammvulkan wissenschaftlich bearbeiten, dürfen wir ihm einen Namen geben und das tun wir dann auch. Auf dieser Expedition haben wir auch schon einen neuen Schlammvulkan entdeckt und wissenschaftlich untersucht. Haben Sie einen Vorschlag?

Frank Schätzing hat ihnen mit seinem Buch „Der Schwarm“ ein Denkmal errichtet, wollen Sie sich nicht revanchieren, indem Sie einen Schlammvulkan nach ihm benennen?

Das ist nicht zulässig. Man sollte keine lebenden Personen nehmen! Bisher haben wir hier zum Beispiel Schlammvulkane untersucht, die Leipzig, Moskau, Amsterdam, Bergamo und Napoli heißen.

Dann vielleicht „SONNE“ nach dem Forschungsschiff.

Forschungsschiffe sind tatsächlich beliebte Namenspatinnen. Es gibt schon etliche morphologische Strukturen am Meeresboden, die nach deutschen Schiffen benannt sind, zum Beispiel das METEOR-Tief vor Südamerika, der POLARSTERN-Seamount oder die Große METEOR-Bank. 

Sobald ein Schwerelot vom Meeresboden an Deck gehievt ist, stürzen sich die Forscherinnen und Forscher auf die Sedimentkerne
Sobald ein Schwerelot vom Meeresboden an Deck gehievt ist, stürzen sich die Forscherinnen und Forscher auf die Sedimentkerne © Heike Dugge

 Was erhoffen Sie sich von dieser Expedition?

Neue Erkenntnisse zu den Entstehungsbereichen des Schlammtransportes und zu den Inhaltstoffen der Schlammflüsse. Mit einem Schwerelot ziehen wir fünf Meter lange Sedimentkerne möglichst aus den Schlotbereichen der Schlammvulkane. Ein Schwerelot kann man sich vorstellen wie einen gigantischen Strohhalm, mit dem man Schlamm aus dem Vulkankrater am Meeresboden entnimmt. Diese Kerne untersuchen wir dann akribisch auf ihre Zusammensetzung und die enthaltenen Flüssigkeiten und Gase. So können wir bestimmen, aus welcher Tiefe der ausgestoßene Schlamm stammt und wie er mit dem Meereswasser wechselwirkt.

Haben Sie auf dieser Fahrt schon etwas erlebt, was Sie zuvor noch nie erlebt haben?

Wir haben Erdfälle gefunden; so etwas habe ich noch nie zuvor am Meeresboden gesehen. Erdfälle sind kreisrunde Trichter am Meeresboden, wie sie auch in Deutschland manchmal bei unterirdischer Auslaugung und Nachsacken der Oberfläche existieren. Ich habe in meinem Leben an fast 50 Expeditionen teilgenommen und eigentlich auf jeder Expedition etwas Neues entdeckt, das vorher unbekannt war.

Was ich auch noch nie hatte, ist, dass elf Studierende mit an Bord sind. Wir sind eine tolle 28-köpfige wissenschaftliche Gruppe mit sehr vielen jungen Forscherinnen und Forschern und 33 sehr fähige Crew-Mitglieder. Ich sehe jeden Tag mit Freude, wie engagiert die Studentinnen und Studenten sind. Alles in allem eine großartige Expedition.

Wenn das jetzt ein Student oder eine Studentin liest und sich denkt: Auf so einer Expedition wäre ich auch gerne mal dabei. Was muss man da mitbringen?

Grundsätzlich werden wissenschaftliche Expeditionen Jahre im Voraus geplant und in einem transparenten Verfahren anhand der wissenschaftlichen Exzellenz vergeben. Im Zuge der Nachwuchsförderung haben Studentinnen und Studenten die Möglichkeit, an Fahrten teilzunehmen. Sie müssen eine hohe Motivation mitbringen und eine Expertise in einem relevanten Gebiet in naturwissenschaftlichen Fächern wie der Geologie, der Biologie, der Physik oder der Chemie haben. Denkbar sind aber auch Fragestellungen der Soziologie oder Psychologie, wenn wir Platz an Bord haben. Wir bekommen meistens mehr Bewerbungen als es Plätze an Bord gibt, aber grundsätzlich sind Studierende aller Hochschulen willkommen.

Karte vom nach der SONNE benannten Schlammvulkan „Helios“
Karte vom nach der SONNE benannten Schlammvulkan „Helios“ © MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen

Sie befinden sich im Mittelmeer zwischen Afrika und Europa. Was würde passieren, wenn Sie auf Geflüchtete im Mittelmeer treffen?

Wenn sich ein anderes Schiff in Seenot befindet, helfen wir selbstverständlich. Das gebietet das internationale Seerecht. Die Reederei Briese ist auf einen solchen Fall gut vorbereitet. Wir sind sehr gut ausgestattet, haben mehr Rettungsmaterial als üblich an Bord und vorsorglich auch Dinge dabei, die bei Forschungsfahrten ansonsten unüblich sind, wie zum Beispiel Windeln oder Babynahrung. Wir haben auch ein PCR-Gerät und Corona-Antikörpertests an Bord, so könnten wir die Menschen direkt auf Corona testen.

Herr Bohrmann, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen weiterhin eine erfolgreiche Expedition.