Podcast: Stefan Kaufmann zur Wasserstoffstrategie : Datum: , Thema: grüner wasserstoff
Im Zusammenhang mit der Energiewende hört man oft den Begriff "Grüner Wasserstoff". Warum dieser so wichtig ist, darüber haben wir mit Stefan Kaufmann gesprochen. Seit Juni 2020 ist er Deutschlands Innovationsbeauftragter für Grünen Wasserstoff.
Stefan Kaufmann zur Wasserstoffstrategie
Im Zusammenhang mit der Energiewende hört man immer öfter den Begriff "Grüner Wasserstoff". Doch was genau ist das und warum ist er für die Energiewende so wichtig? Darüber haben wir mit Stefan Kaufmann gesprochen. Er ist Bundestagsabgeordneter und seit Juni 2020 Deutschlands Innovationsbeauftragter Grüner Wasserstoff.
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Herr Kaufmann, was ist grüner Wasserstoff und warum ist er so wichtig?
Grüner Wasserstoff ist Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, also Wind, Wasser oder Photovoltaik. Und das Thema ist deshalb so wichtig, weil grüne Wasserstoff letztlich die einzige Möglichkeit ist, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft zu erreichen, das heißt, bis zum Jahre 2050, 750 Millionen Tonnen weniger CO2 zu emittieren.
Können Sie die nationale Wasserstoffstrategie kurz umreißen?
Also die nationale Wasserstoffstrategie ist in 38 Maßnahmen aufgeteilt von der Regulatorik in Maßnahme 1 bis hin zu internationalen Partnerschaften. Sie deckt die gesamte Palette der Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette ab. Das heißt: Wie schaffen wir den Markthochlauf bei der Produktion von grünem Wasserstoff bis hin zu Fragen des Transportes von Wasserstoff in Leitungen oder die Verschiffung aus dem Ausland, beispielsweise aus Australien bis hin zur Anwendungseite? Wo kann der grüne Wasserstoff zukünftig eine Rolle spielen? Entweder indem man direkt verbrannt wird in Stahlwerken zur Erzeugung von Stahl oder Aluminium bis hin zur Frage der Nutzung von grünem Wasserstoff in Brennstoffzellenantrieben, insbesondere im Schwerlastverkehr, aber auch bei Flugzeugen, bei Schiffen, bei Zügen beispielsweise.
Was sind Ihre konkreten Aufgaben als Innovationsbeauftragter?
Also ich bin sozusagen das Gesicht der nationalen Wasserstoffsstrategie. Ich bin im BMBF angesiedelt, aber meine Aufgabe ist es auch die Maßnahmen, die ja verschiedene Ministerien betreffen, ein Stück weit zu koordinieren. Ich bin im nationalen Wasserstoffrat dabei und im Staatssekretärsausschuss der federführenden Ministerien und bin sozusagen das Bindeglied auch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ich bin ja nebenbei auch noch Abgeordneter und bin in dieser Funktion auch Ansprechpartner für alle Akteure, versuche auch das Thema natürlich voranzutreiben, jetzt auch noch im Laufe der Legislatur und darüber hinaus, um alle Akteure eben auch auf dieses Thema grüner Wasserstoff zu fokussieren.
Nachdem sie diese Aufgabe übernommen haben, haben Sie eine "Wasserstoffreise" unternommen. Können Sie uns dazu mehr erzählen? Und was hat Sie dabei am meisten beeindruckt?
Ich habe jetzt viele Wochen lang ganz Deutschland bereist, von Helgoland bis Bayern und von Ostdeutschland nach Westdeutschland. Sehr, sehr viele Termine gemacht, habe mir sehr viele beeindruckende Projekte oder Projektskizzen angeschaut. Besonders beeindruckend war beispielsweise ein Projekt zur geplanten Offshore-Produktion von Wasserstoff vor Helgoland, wo dann in Windturbinen direkt die Wasserelektrolyse an der Windturbine stattfinden soll, der Wasserstoff dann in Helgoland gesammelt und mit dem Schiff aufs Festland gebracht werden soll. Natürlich auch die Stahlwerke, die ich mir angeschaut habe, in Duisburg oder Salzgitter beispielsweise sind sehr beeindruckend. Und auch mal zu sehen, was es wirklich bedeutet, ein solches Stahlwerk von Kohlebefeuerung, diesen Wahnsinnsmengen von Kohle, die da verfeuert werden, dann umzustellen auf eine Befeuerung mit Gas, also mit Wasserstoff in diesem Fall.
Wo sehen Sie die größte Herausforderung bei dieser Transformation hin zu einer Wasserstoffwirtschaft?
Natürlich vielerlei Herausforderungen. Zum einen müssen wir erst einmal große Mengen Wasserstoff auch produzieren. Dazu brauchen wir sehr, sehr große zusätzliche Mengen von erneuerbaren Energien, die wir am besten natürlich über Offshore Windanlagen erzeugen können, weil wir bei der Photovoltaik gewisse Grenzen haben, auch bei der Onshore-Windenergie. Also große Mengen erneuerbare Energien zusätzlich, um große Mengen grüne Wasserstoff zu produzieren. Zum einen in Deutschland, dann haben wir den Blick aber auch nach Europa gerichtet, nach Südeuropa -- Portugal, Spanien, vielleicht Italien. Auch nach Dänemark, wenn wir an die nordeuropäischen Länder decken, aber eben weit darüber hinaus. Aufbau von Import-Infrastrukturen: Wir wissen, dass wir bis zu 80 Prozent des grünen Wasserstoffs perspektivisch, also bis 2050, importieren müssen und haben dabei letztlich die ganze Welt im Blick. Also eben nicht nur Europa, auch Australien, auch Südamerika, Chile, Brasilien, auch Kanada, auch Südafrika und Namibia beispielsweise. Wir brauchen Transportstrukturen, um dann diese großen Mengen Wasserstoff eben auch dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden, z.B. zu den Stahlwerken, zu den Chemiewerken, zu den Zement- und Aluminiumwerken, aber auch dorthin, wo Verkehrsinfrastrukturen entstehen sollen. Dazu brauchen wir Transportnetze. Wir brauchen einen Ausbau von H2-Leitungsnetzen - entweder den Bau neuer Netze oder die Umnutzung von Gasnetzen. Und wir müssen natürlich auch auf der Anwendungseite schauen, dass wir entsprechende Batteriezellenfertigung aufbauen, Serienfertigung aufbauen, im Bereich der Brennstoffzelle. Das ist eine große Herausforderung. Und das Gleiche auch auf der Produktionsseite von Wasserstoff, also Aufbau großer Kapazitäten für die Elektrolyse. Und hier eben auch tatsächlich den Markthochlauf, den Großanlagenbau im Bereich von mehreren 100-Megawattanlagen im Bereich der Wasserelektrolyse.
Das sind jetzt viele Aufgaben, die da anstehen, aber auch Chancen für ein Innovationsland wie Deutschland. Wo sehen Sie die konkret?
Chancen sind, dass wir auch Leitanbieten werden, für die ganze Welt, mit unserer deutschen Technologie. Gerade im Bereich der Wasserelektrolyse haben wir einige Weltmarktführer auch hier in Deutschland. Und unser Ziel ist es, mit dem Markthochlauf eben auch die deutsche Industrie hier zu einem Leitanbieter für die ganze Welt zu machen. Deutsche Unternehmen planen auch, in aller Welt entsprechende Elektrolyseanlagen zu bauen mit anderen Partnern in Konsortien mit Unterstützung der deutschen Politik. Und das wollen wir natürlich unterstützen, um somit auch der ganzen Welt zu helfen, klimaneutral zu werden.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach dabei die Forschung und welche die Politik?
Wir haben bei allen Fragen, die ich angesprochen habe, nach wie vor natürlich erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Wir können Wasserelektrolyseure bauen, aber haben bisher eben noch keine Anlage größer als 50 Megawatt gesehen. Es geht also darum: Läuft eine solche Anlage dauerhaft wirklich und wie effizient sind die Anlagen? Wir müssen im Bereich der Stacks natürlich noch erheblich weiterforschen. Dann im Bereich der Transportinfrastruktur, das hatte ich schon angesprochen, geht es um die Frage, inwieweit bestehende Gasleitungsnetz tatsächlich auch genutzt werden können für den Transport von Wasserstoff. Es ist die Frage, wie wir Wasserstoff umgewandelt in andere Aggregatzustände, am besten beispielsweise von Australien nach Europa verschiffen, also als Ammoniak, Methanol, Flüssiggas oder als LOHC - eine deutschen Technologie. Also hier bestehen Fragen. Wir müssen die Serienfertigung im Bereich der Brennstoffzelle entsprechend hochfahren. Auch hier besteht noch viel Forschung- und Entwicklungsbedarf.
Also wir sind schon sehr weit, wir können vieles, aber um das Ganze zu optimieren, auch den Markthochlauf zu schaffen, gibt es viele Fragen, die wir noch klären müssen. Die Politik hilft zum einen durch erhebliche finanzielle Unterstützung. Wir haben die Wasserstoff Strategie mit neun Milliarden Euro unterlegt, davon sieben Milliarden für den Markthochlaufen, um beispielsweise der Stahlindustrie zu helfen, bei der Befeuerung umzustellen von Kohle auf Wasserstoff, auch um beispielsweise diese Offshore-Windpark-Projekte mit entsprechender Elektrolysekapazität zu finanzieren. Mit zwei Milliarden unterstützen wir internationale Partnerschaften.
Zum einen geben wir Geld, zum anderen geht es um regulatorische Fragen, wie wir eben auch den Markthochlauf, auch die Produktion von grünem Wasserstoff entsprechend regulatorisch begleiten. Dazu geht es beispielsweise um Fragen der Befreiung der Wasserelektrolyse von der EEG-Umlage, um diese großen Mengen Strom auch dann entsprechend attraktiv zu machen bei der Produktion. Es geht um Fragen auch der Leitungsnetze. Da ist es Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gefragt. Es geht auch um europäische Regulatorik, um die Beimischquoten von E-Fuels beispielsweise. Da ist in Europa die RED II-Gesetzgebung gefragt. Also hier hat die Politik einige regulatorische Aufgaben, die wir möglichst auch noch in dieser Legislaturperiode abarbeiten wollen. Und nach der Legislatur dann im neuen Koalitionsvertrag wird sicherlich das Thema CO2-Bepreisung dann eine Rolle spielen, weil natürlich der grüne Wasserstoff als Energieträger, der ja zunächst noch teurer sein wird, nur dann wirklich eine Zukunft hat, zu marktfähigen Preisen, wenn die CO2-Bepreisung auch parallel startet, wenn wir also Produkte, die aus fossilen Energieträgern gewonnen werden, auch entsprechend besteuern.
Was würden Sie sagen? Wo sehen Sie persönlich Deutschland beim Thema grüner Wasserstoff in zehn Jahren?
Wir werden in zehn Jahren bereits eine erhebliche Menge von grünem Wasserstoff in Deutschland produzieren können. Wir haben ein stark ausgebautes Leitungsnetz, zunächst mit umgewidmeten Gasleitungen. Wir haben begonnen, erste Wasserstoffleitungen zu bauen. Und wir sind in diesem Bereich Weltmarktanbieter im Bereich der Wasserelektrolyse. Deutschland hat sich wie viele andere Länder den Pariser Klimazielen verpflichtet, das heißt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Und das schaffen wir letztlich nur mit grünem Wasserstoff, weil wir in vielen Bereichen mit batterielektrischen Antrieben nicht erfolgreich sein werden, beispielsweise im Bereich des Flugverkehrs und des Schwerlastverkehrs. Und auch bei der Stahlproduktion beispielsweise können wir nur mit grünem Wasserstoff erfolgreich sein und dekarbonisieren. Und deshalb ist der grüne Wasserstoff der zentrale Hebel, um unsere Klimaschutzziele tatsächlich auch erreichen zu können. Das Ganze verknüpft mit unserer starken deutschen Industrie, die ja auch zum Leitanbieter für die ganze Welt werden soll.
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