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„Lebensqualität von Betroffenen verbessern“ : Datum:

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek hat dem DZNE zum 10-jährigen Bestehen gratuliert. „Es ist ein Paradebeispiel für Gesundheitsforschung in Deutschland. Hier werden die Prinzipien modernster Gesundheitsforschung gelebt“, sagte sie.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Professor Nicotera,
sehr geehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär, lieber Klaus Kaiser,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Professor Wiestler,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir feiern heute Geburtstag und den meisten Geburtstagskindern wünschen wir zuallererst Gesundheit – selbst wenn das Geburtstagskind erst 10 Jahre alt ist.

Körperlich und geistig fit zu bleiben bis ins hohe Alter – darauf hoffen wir alle. Gesundheit ist kostbar. Und verletzlich. Das Schicksal einer schweren Krankheit kann jeden von uns treffen.

Da sind natürlich zuerst die großen Volkskrankheiten: Herz-/ Kreislauferkrankungen, Krebs. Krebs ist die Krankheit, vor der sich die Menschen in Deutschland am meisten fürchten. Nicht weit dahinter kommt Demenz.

Allein in Deutschland leben 1,7 Millionen Menschen mit Demenz. Jedes Jahr erkranken 300.000 Menschen neu. Und wenn jemand an Demenz erkrankt, dann verändert sich nicht nur sein eigenes Leben. Demenz ist eine teuflische Krankheit. Sie bringt häufig ganze Familien an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Oft auch noch Freunde und das weitere Umfeld. Es ist schwer zu ertragen. Wie schwer – das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Und da ist es nun – unser Dilemma. Einerseits werden wir immer älter. Glücklicherweise. Denn grundsätzlich werden viele von uns auch immer gesünder älter.

Aber es gibt auch die andere Seite der Medaille: Denn je älter wir werden, umso mehr Menschen erkranken an Demenz. Und es kann jeden von uns treffen. Bis 2040 – also in nur 20 Jahren – werden in Deutschland voraussichtlich 2,8 Millionen Menschen an Demenz leiden. 2,8 Millionen Menschen – so viele Einwohner haben Köln und Hamburg zusammen. Und so wie ich mir heute eine gute Versorgung für jeden Kranken wünsche, so werde ich im Jahr 2040 ganz egoistisch: Auch dann noch, wenn es uns möglicherweise trifft, möchte ich, dass wir jeden Einzelnen auf medizinisch höchstem Niveau und menschenwürdig versorgen.

Das ist eine gewaltige Herausforderung:

  • für Ärzte,
  • für Krankenpflegende,
  • für Angehörige,
  • für unsere ganze Gesellschaft.

Es bedeutet außerdem einen finanziellen Kraftakt. Rund 30.000 Euro im Jahr kostet die Versorgung eines Demenzpatienten derzeit in Deutschland. Auch für ein finanzstarkes Land wie das unsere wird es nicht leicht zu stemmen sein, wenn in 20 Jahren eine Million Menschen mehr zu versorgen sind.

Das sagt uns doch eins: Wir haben keine 20 Jahre mehr, um eine Lösung für dieses absehbare Schicksal zu finden. Deshalb bin ich heute hier: um einmal danke zu sagen für die vergangenen 10 Jahre und natürlich Herrn Nicotera zu motivieren weiterzumachen.

10 Jahre DZNE heißt 10 Jahre Spitzenforschung. Spitzenforschung, um neurodegenerative Erkrankungen zu bekämpfen. Spitzenforschung, um dem grausamen Schicksal Demenz die Stirn zu bieten. Forschung für optimale Pflege, neue Therapien und Präventionsansätze.

Dazu gehört Mut. Zumal gerade bei der Forschung an neuen Medikamenten für Alzheimer die Pharmaindustrie immer wieder Rückschläge zu verzeichnen hat. Zuletzt kamen die niederschlagenden Meldungen von Biogen und Eisai. Pfizer hat die Forschung an Alzheimer Medikamenten ganz aufgegeben.

Umso wichtiger ist staatlich geförderte Gesundheitsforschung. Der Bund investiert jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro in die Gesundheitsforschung. Gut 80 Millionen Euro davon gehen an das DZNE. Gut angelegtes Geld – wie ich finde.

Denn das DZNE ist ein Paradebeispiel für Gesundheitsforschung in Deutschland.
Hier werden die Prinzipien modernster Gesundheitsforschung gelebt.

  1. Die Patientinnen und Patienten stehen im Mittelpunkt.
  2. Neue Forschungserkenntnisse werden schneller raus aus dem Labor und ran ans Krankenbett gebracht.
  3. Neue technologische Möglichkeiten wie Künstliche Intelligenz und neue Formen der Erkenntnisgewinnung kommen zum Einsatz.
  4. Grenzenlos arbeiten ist hier angesagt. Internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind hier selbstverständlich.

Lassen Sie mich auf die vier Punkte noch kurz eingehen.

Patienten in den Mittelpunkt zu stellen, heißt, dass ihre Bedürfnisse im Vordergrund stehen.
Nicht nur in der Gesundheitsversorgung, auch in der Gesundheitsforschung. Denn, wenn wir besser verstehen, wie Menschen den Verlauf einer Demenzerkrankung erleben; wenn wir erfahren, was sie besonders belastet, vor welchen Herausforderungen sie jeden Tag stehen, dann können wir ihnen zielgerichteter helfen. Dabei spielen auch die Angehörigen eine zentrale Rolle. Oder auch die Pflegekräfte.

Viele aktuelle Forschungsfragen sind Fragen, die mancher von uns sich im Alltag mit Demenzkranken stellt.

  • Was brauchen die Patienten?
  • Können sie besser zu Hause oder in einer Klinik versorgt werden?
  • Was sind die größten Probleme für die Angehörigen?
  • Welche Hilfestellungen bringen den größten Nutzen?
  • Wann wäre ein Pflegeroboter hilfreich?
  • Wie reagiert ein Demenzkranker überhaupt auf einen Roboter?

Solche Forschungsfragen werden am DZNE-Standort Rostock/Greifswald untersucht. Mit den Antworten können wir langsam aber kontinuierlich die Lebensqualität von Betroffenen verbessern. Sie sind ein wertvoller Beitrag, um innovative Pflegekonzepte zu entwickeln. Sie sind ein echter Gewinn, um Patienten und Angehörige optimal zu unterstützen. So werden wir die gesellschaftliche Herausforderung meistern.

Der zweite Punkt ist die eng vernetzte Zusammenarbeit. Um neue Forschungserkenntnisse schneller raus aus dem Labor, ran ans Krankenbett zu bringen, haben wir die nationalen Gesundheitsforschungszentren wie das DZNE gegründet. Hier treffen Forscher auf Ärzte, Patienten, Angehörige und Pflegende.

So wenig ermutigend die Ergebnisse der Pharmaforschung im Moment sind, so viel gibt uns gerade das DZNE Hoffnung, bei der Erforschung von Demenzerkrankungen voranzukommen. Zum Beispiel durch den Durchbruch bei der Früherkennung, der am Standort Tübingen erzielt wurde. Mit Hilfe des dort entdeckten Biomarkers kann Alzheimer bis zu 16 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome identifiziert werden. Und so hart eine solche Diagnose für den einzelnen Betroffenen ist, so sehr kann sie helfen, den Verlauf der Krankheit zu beobachten und neue Medikamente zu entwickeln.

Oder nehmen wir die Rheinland-Studie, die Faktoren für gesundes Altern untersucht. Je mehr wir darüber wissen, desto größer die Chance, dass wir neue Ansätze finden, um Alzheimer und andere Demenzerkrankungen früher zu erkennen, besser zu behandeln und im besten Falle sogar zu verhindern, oder zumindest die Symptome hinauszuzögern.

Deshalb ist auch der dritte Punkt so entscheidend. Wir haben neue technologische Möglichkeiten wie:

  • neue molekularbiologische Methoden,
  • die Digitalisierung oder auch die
  • Künstliche Intelligenz.

Neue Technologien bieten uns auch immer neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Gerade die Künstliche Intelligenz beschleunigt die Forschung enorm. Mit ihrer Hilfe können wir Datenmengen in bisher nicht gekanntem Ausmaß analysieren. Das eröffnet ganz neue Erkenntnismöglichkeiten.

Ich bin sehr froh, dass auch das DZNE darauf setzt. „The Machine“ ist eine neuartige Computertechnologie, mit der genetisches Material 100mal schneller als bisher analysiert werden kann. Zukünftig sollen alle DZNE-Standorte mit Hilfe dieses Computersystems vernetzt werden. Was für ein Fortschritt. Besonders ist dabei ein Punkt, der mir wirklich wichtig ist, und den ich deshalb auch ansprechen will: Sie garantieren den Schutz der Patientendaten. Damit können Sie auch für andere Bereiche vorbildlich sein. Denn der Umgang mit sensiblen Daten ist eine der großen Herausforderungen, wenn es darum geht, Künstliche Intelligenz zu nutzen.

Gut einen Monat ist es jetzt her, da haben wir die Nationale Dekade gegen Krebs gestartet. Auch beim Krebs wollen wir die Forschenden mit behandelnden Ärzten, Krankenhäusern und Praxen in ganz Deutschland besser vernetzen. Alle Menschen sollen von neuen Erkenntnissen profitieren. Egal, ob sie in der Nähe eines großen Zentrums oder irgendwo auf dem Land leben. Und auch damit weitere Erfahrungen von Patienten in die Forschung einfließen können.
Digitale Medien bieten uns neue Wege für die Forschung. Es entstehen neue Möglichkeiten der Beteiligung. Nicht nur, um zu stänkern, sondern auch um einen Beitrag zum gesellschaftlichen Fortschritt zu leisten. Beteiligung und Fortschritt sind zwei gute Stichworte.

Voneinander lernen hat in den letzten Jahren neue Dimensionen bekommen.
Heute kommen Menschen aus

  • verschiedenen Disziplinen,
  • verschiedenen Kliniken,
  • verschiedenen Nationen zusammen, um zu forschen, um miteinander zu arbeiten.

Auch in dieser weltweiten, interdisziplinären Zusammenarbeit ist das DZNE führend.

Das verdanken wir nicht zuletzt dem visionären Gründungsdirektor, Pierluigi Nicotera. Mit strategischem Weitsinn, kluger Verhandlungsführung und guter Organisation haben Sie, lieber Herr Professor Nicotera, das DZNE aufgebaut und zu einem weltweit führenden Forschungszentrum entwickelt. Überall, wo ich hinkomme, wird Ihre Arbeit geschätzt und anerkannt. Dafür darf ich Ihnen hier und heute einmal herzlich danken!

Zehn Standorte in acht Bundesländern – das ist sogar für das föderale Deutschland ungewöhnlich. Innerhalb Europas ist das ein Alleinstellungsmerkmal und ein Vorbild. Das DZNE ist für uns damit beispielgebend. Auch in der Krebsforschung planen wir eine ähnliche Struktur. Die vielen Standorte erleichtern die Kooperation mit vielen deutschen Universitäten und Kliniken – eine Voraussetzung dafür, dass wir die neuen Erkenntnisse aus der Forschung in ganz Deutschland verbreiten können.

Der herausragende internationale Ruf zieht auch herausragende internationale Forscher nach Deutschland. Mittlerweile forschen Menschen aus 50 Nationen am DZNE gemeinsam in 80 Arbeitsgruppen. Sie machen den großen Erfolg möglich. Zwei Leibniz-Preise und die weltweit wichtigste Auszeichnung für Hirnforschung – der Brain Prize – für ein nur zehn Jahre altes Institut – mehr brauche ich zum Thema Exzellenz des DZNE nicht zu sagen.

Forschungszentren wie das DZNE machen Deutschland als Forschungsstandort attraktiv. Sie strahlen hinaus in die Welt. Auch durch die vielen Kooperationen mit anderen führenden Forschungsinstitutionen, zum Beispiel in Frankreich und den USA.

Denn die Herausforderungen, die alternde Gesellschaften mit sich bringen, teilen viele Industriestaaten. Japan hat deswegen das Thema zu einem Schwerpunkt seiner G20-Präsidentschaft gemacht. Es geht um:

  • Prävention,
  • Früherkennung,
  • Behandlung und
  • um die Akzeptanz von Demenzpatienten.

Alles Themen, die das DZNE seit 10 Jahren erforscht. Ich bin froh, dass wir mit Ihrer Hilfe wertvolle Impulse in diese internationalen Diskussionen einbringen können.

Sehr geehrte Damen und Herren,

es tut weh, wenn man erlebt, wie ein geliebter Mensch sich immer mehr verändert. Wie von Monat zu Monat immer weniger von der vertrauten Persönlichkeit übrig zu sein scheint. Wie ein Mensch, der einem einst Rat und Halt gegeben hat, immer unselbstständiger und am Ende vollständig abhängig wird. Jeder, der das erlebt hat, weiß, wie dankbar man dann für Menschen ist, die einen in dieser Situation professionell begleiten. Menschen wie Sie, die einen ein Stück weit durch die schwere Zeit tragen. Sie sind unsere Hoffnung für die Zukunft. Aber nicht nur deshalb wünschen wir Ihnen viel Erfolg und alles Gute für Ihre Arbeit.