Gleichstellung und Vielfalt sind entscheidende Qualitätsmerkmale und Wettbewerbsfaktoren im Wissenschaftssystem : , Thema: Forschung
Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Vielfalt in Wissenschaft und Forschung sind Voraussetzung für Innovations- und Zukunftsfähigkeit in Deutschland sowie entscheidende Qualitätsmerkmale und Wettbewerbsfaktoren im Wissenschaftssystem.
Die nachhaltige Einbindung aller Talente und Potenziale in Wissenschaft und Forschung ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Gemischte Teams aus Frauen und Männern, aber auch aus Menschen verschiedenster Prägungen und Hintergründe, führen zu besseren Forschungs- und Entwicklungsergebnissen, denn eine größere Vielfalt an Erfahrungen kann die Forschungsperspektive entscheidend erweitern.
Das gilt auch für die Berücksichtigung von Geschlechterfragestellungen als Forschungsgegenstand. Die beiden Dimensionen Frauen in der Wissenschaft und Gender in der Forschung werden vom BMBF als Querschnittthemen in allen Arbeitsbereichen berücksichtigt.
Leaky Pipeline in der Wissenschaft: Die Schere muss sich weiter schließen
Frauen in Deutschland sind heute so hervorragend ausgebildet wie noch nie. An den Hochschulen nimmt der Anteil an Frauen allerdings ab, je höher es die akademische Karriereleiter hinaufgeht: Überwiegt jeweils bei Abitur und Studienbeginn der Anteil der jungen Frauen leicht, so machen die Doktorandinnen nur noch 45 Prozent und die Habilitandinnen sogar nur noch 35 Prozent aus. In der Professorenschaft ist lediglich ein Viertel weiblich, und nur jede fünfte Hochschule wird von einer Frau geleitet.
Ziel des BMBF ist es, dazu beizutragen, der Leaky Pipeline in der Wissenschaft entschieden entgegen zu wirken, um die Schere weiter zu schließen. Ziel ist die Parität von Frauen und Männern und eine geschlechtergerechte und gleichstellungsfördernde Hochschulkultur. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass Hochschulen und Forschungsorganisationen Maßnahmen für mehr Gleichstellung ergreifen. Um dies zu fördern, arbeitet das BMBF in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) eng mit den Ländern zusammen. Forum für diese Zusammenarbeit ist der ständige GWK-Arbeitskreis „Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung“ (AK CHAG). 2021 veröffentlichte der Arbeitskreis bereits die 25. Datenfortschreibung zu Frauen in Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen. Der Bericht zeigt erneut, dass der Anteil von Wissenschaftlerinnen sowohl an den Hochschulen als auch in den außerhochschulischen Forschungseinrichtungen angestiegen ist, die Fortschritte in allen Bereichen allerdings nur langsam erfolgen und der Handlungsbedarf weiterbesteht.
BMBF-Maßnahmen zur Unterstützung von Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung
Professorinnenprogramm (PP)
Die zentrale Maßnahme zur Förderung von Gleichstellung an Hochschulen ist das Professorinnenprogramm von Bund und Ländern. Seit 2008 werden Universitäten, Fachhochschulen sowie Kunst- und Musikhochschulen mit dem Professorinnenprogramm in ihrem Engagement für Gleichstellung von Frauen und Männern unterstützt. Die Hochschulen qualifizieren sich für die Teilnahme am Programm durch die Einreichung von hochschulindividuellen Gleichstellungskonzepten, die von einem unabhängigen Begutachtungsgremium bewertet werden. Hochschulen mit erfolgreich eingereichten Konzepten können für Erstberufungen von bis zu drei Professorinnen eine Förderung erhalten. Gleichzeitig verpflichten sich die Hochschulen zur Umsetzung von gleichstellungsfördernden Maßnahmen. Das Programm hat bislang dazu beigetragen, den Anteil von Frauen, die eine Professur innehaben, seit dem Jahr 2008 von einem Sechstel auf ein Viertel zu erhöhen. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zur 20. Legislaturperiode festgehalten, dass sie das Professorinnenprogramm fortführen und weiter stärken will.
Innovative Frauen im Fokus (IFIF)
Frauen sind genauso erfindungsreich und kreativ wie Männer, dies wird aber zu wenig wahrgenommen. Das will die Förderrichtlinie „Innovative Frauen im Fokus“ des BMBF ändern. In der Forschung sollen Strukturen und Rahmenbedingungen hierfür nachhaltig verbessert werden. Die Sichtbarkeit von innovativen Frauen soll auch in die (Fach-)Öffentlichkeit vermittelt werden, um die Vorbildfunktion von innovativen Frauen für Wissenschaftlerinnen, aber auch für Mädchen und Frauen im Allgemeinen zu stärken. Zudem will die Förderrichtlinie zu einem Bewusstseinswandel mit Blick auf die wichtige Rolle von Frauen in der Forschung beitragen, damit die wissenschaftliche Expertise von Frauen im Rahmen der Wissenschaftskommunikation in klassischen und digitalen Medien stärker eingebracht und so auch in politische Entscheidungsgrundlagen vermehrt einbezogen wird.
MissionMINT
Mit der neuen Richtlinie zur Förderung von Projekten zum Themenschwerpunkt „Erhöhung des Frauenanteils im MINT-Forschungs- und Innovationsprozess: Selbstwirksamkeit, Eigeninitiative und Kreativität stärken“ (MissionMINT – Frauen gestalten Zukunft) nimmt das BMBF junge Frauen in der Phase der Studien- und Berufswahl in den Blick und zielt auf die Aktivierung ihres akademischen MINT-Potenzials.
Geschlechteraspekte im Blick (GiB)
Das BMBF setzt sich mit der neuen Förderrichtlinie „Geschlechteraspekte im Blick“ dafür ein, die strukturelle Verankerung von Geschlechteraspekten in und für exzellente Forschung in allen Fachgebieten voranzutreiben. Damit will das BMBF dazu beizutragen, die Lebenssituation aller Menschen zu verbessern sowie wissenschaftliche Erkenntnisse über Ursachen und Mechanismen zu gewinnen, die die Gleichstellung behindern. Bisherige Forschungsarbeiten unterstützen die notwendigen geschlechterdifferenzierten Betrachtungen bzw. Forschungsanlagen oftmals nur unzureichend. Exzellente Forschung, Entwicklung und Innovation bedarf daher dort, wo es relevant ist, geschlechterdifferenzierter Betrachtungen bei Fragestellungen, Forschungsmethoden und Analyseverfahren sowie bei der Entwicklung von innovativen Produkten. Handlungsleitendes Ziel der Förderrichtlinie ist es, eine bedarfsorientierte Berücksichtigung der Geschlechterdimension in Forschung und Entwicklung in allen Fachgebieten sicherzustellen.
Girls`Day
Mit dem jährlich stattfindenden Aktionstag „Girls` Day“ fördern das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gemeinsam das weltweit größte Berufsorientierungsprojekt für Schülerinnen. Ziel ist es, Mädchen darin zu bestärken, bei der Studien- oder Berufswahl ihren Interessen und nicht vermeintlichen Klischees zu folgen. Insgesamt wurden seit dem ersten Girls'Day über 2 Millionen Plätze für Mädchen durch Unternehmen und Institutionen zur Verfügung gestellt.
Gleichstellung als Grundprinzip der Forschungspolitik
Auch in der Exzellenzstrategie nimmt Gleichstellung einen zentralen Stellenwert ein. Die von den Hochschulen vorgelegten erfolgreichen Zukunftskonzepte weisen vielfältige Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Wissenschaft und Sorgetätigkeit vor. Von einzelnen Hochschulen werden Zielquoten für die Erhöhung des Anteils hoch qualifizierter Wissenschaftlerinnen an Spitzenpositionen definiert.
Mit dem Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Tenure-Track-Programm) haben sich Bund und Länder das Ziel gesetzt, die Chancengerechtigkeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Der Frauenanteil an den Besetzungen ist Bestandteil des begleitenden Monitorings.
2011 verabschiedete die GWK zudem das sogenannte Kaskadenmodell. Danach soll der Frauenanteil jeder wissenschaftlichen Karrierestufe mindestens so hoch sein, wie derjenige der direkt darunterliegenden Qualifizierungsstufe. Das Kaskadenmodell berücksichtigt so die spezifischen Gegebenheiten jedes Fachs und ermöglicht damit angemessene Zielvorgaben. Die außerhochschulischen Forschungsorganisationen haben sich im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation (PFI) zur Umsetzung des Kaskadenmodells mit ambitionierten Zielvorgaben verpflichtet und dazu unterschiedliche Einzelmaßnahmen aufgelegt.
Familienfreundliche Wissenschaft als Ziel
Die bessere Vereinbarkeit von Wissenschaft als Beruf und Familie ist ein übergeordnetes Politikziel des BMBF. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) wurden bereits entsprechend angepasst. Außerdem fördert das BMBF Forschungsvorhaben, die hierzu auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen Maßnahmen und Instrumente entwickeln.
Vielfalt in Wissenschaft und Forschung
Neben Gleichstellung spielt auch das Thema Vielfalt in Wissenschaft und Forschung eine bedeutende Rolle. Wertschätzung von Vielfalt und Abbau von Diskriminierung sind Voraussetzungen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschulstandorts. Eine diverse und repräsentativere Wissenschaftslandschaft auf allen Ebenen ermöglicht qualitativ bessere Forschungsergebnisse. Die Berücksichtigung von Vielfältigkeitsdimensionen in der Forschung von Beginn an führt zudem zur Vermeidung „blinder Flecken“.
Vielfalt in ihren unterschiedlichen Dimensionen, von sozialer bis geografischer Herkunft, bereichert Wissenschaft und Forschung somit durch heterogene Erfahrungen und Perspektiven. Das ist wichtig, denn für eine Vielfalt an Ideen brauchen wir die Vielfalt derer, die sie denken und entwickeln. Deswegen ist Vielfalt ein entscheidendes Qualitätsmerkmal im Wissenschaftssystem