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Lateinamerika.PotenziAL : Datum: , Thema: Europa und die Welt

Potenzial und ‚América Latina‘ – abgekürzt AL – das gehört zusammen! Denn es handelt sich um eine Region, die Deutschland und Europa enorme forschungs- und innovationspolitische Potenziale bietet. In der Zusammenarbeit verfolgt das BMBF einen strategischen Ansatz.

Forschungsperspektive Lateinamerika
Lateinamerika bietet vielfältige Perspektiven – auch und besonders für Forschung und Innovation. © Adobe Stock / Natasha Art

Lateinamerika ist eine Region der Potenziale. Nicht nur die wertvollen Forschungsressourcen, auch die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit vieler Staaten sind für deutsche Forschende attraktiv. Deutschland kann von diesen Wissensquellen enorm profitieren. Die Kooperation mit der Region spielt gerade für die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit eine wesentliche Rolle: So manche Themen, wie etwa der Klimaschutz oder der Erhalt der Artenvielfalt, können ohne Lateinamerika gar nicht angegangen werden.

Hinzu kommt die wirtschaftliche Relevanz der Region, die sich nicht zuletzt in der Präsenz deutscher Unternehmen in Staaten wie Argentinien, Brasilien und Mexiko zeigt. Der erweiterte Zugang zu Wissens- und Innovationsströmen in Lateinamerika bietet gute Voraussetzung dafür, die technologische Souveränität Deutschlands zu steigern, und eröffnet der deutschen Wirtschaft neue Markt- und Wachstumschancen. Davon können insbesondere Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMU) profitieren.

Schließlich bietet sich Lateinamerika auch vor dem Hintergrund einer komplexer werdenden Weltordnung als strategische Partnerregion an. Europa und Lateinamerika sind nicht nur historisch und kulturell verbunden, sie blicken auch auf eine lange Tradition der Zusammenarbeit zurück. In weiten Teilen der Region werden die Werte westlicher Demokratien geteilt. Die Zusammenarbeit bei Forschung und Innovation bietet eine hervorragende Grundlage, um diese Partnerschaft weiter zu vertiefen.

„Lateinamerika.PotenziAL“ skizziert den strategischen Rahmen, in dem sich die Zusammenarbeit des BMBF mit Lateinamerika bewegt. Hier erfahren Sie mehr über unser Motive und Leitlinien der Kooperation sowie die regionalen und thematischen Schwerpunkte. Sie dient zugleich als Informationsplattform und hält alles Wissenswerte zu den Aktivitäten des BMBF mit Lateinamerika bereit – seien es Förderbekanntmachungen, Hinweise auf Veranstaltungen oder Interessantes aus den Projekten. Ein regelmäßiger Besuch lohnt sich also.

Leitlinien der Zusammenarbeit

Um die Partnerschaft mit Lateinamerika bestmöglich zu gestalten, bedarf es eines strategischen Kompasses, der sowohl die Ziele der deutschen Forschungs- und Innovationspolitik als auch die Interessen der Partnerländer berücksichtigt. Zu diesem Zweck hat das BMBF drei Handlungsleitlinien definiert. Sie ermöglichen eine gezielte Schwerpunktsetzung und geben Orientierung bei der Planung neuer Maßnahmen. So lassen sich nicht nur die wichtigsten Partnerländer anhand ihres Beitrags zu den Leitlinien identifizieren, sondern auch die prioritären Themenfelder der Kooperation.

Grundlage für die Leitlinien bilden die geplante Zukunftsstrategie der Bundesregierung sowie ihr Vorgänger, die High-Tech-Strategie 2025, ebenso wie die Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung. Folglich stehen in der Zusammenarbeit mit Lateinamerika die wissenschaftliche und wirtschaftliche Relevanz der Kooperation im Vordergrund sowie der Beitrag, den sie zur Bewältigung globaler Herausforderungen leisten kann. Das BMBF strebt dabei eine Partnerschaft auf Augenhöhe an, von der beide Seiten gleichermaßen profitieren.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wissenschaft stärken

Deutschland ist als rohstoffarme Wirtschaftsnation darauf angewiesen, sich innerhalb einer kompetitiven globalen Wissensgesellschaft zu positionieren. Im weltweiten Wettbewerb um die besten Talente bietet die Kooperation mit ausgewählten lateinamerikanischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen die Chance, von neuen Wissensquellen und vom Austausch mit hochkarätigen Wissenschaftlern zu profitieren. Je leistungsfähiger die Partner, desto größer der gemeinsame Nutzen der Kooperation.

Die Zusammenarbeit mit Lateinamerika ermöglicht deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch einen verbesserten Zugang sowohl zu wichtigen Forschungsinfrastrukturen als auch zu natürlichen Ressourcen. Schließlich lassen sich die klimatischen Bedingungen im Amazonas, die Biodiversität der verschiedenen Hotspot-Regionen Lateinamerikas oder die Hangrutschungen in den Anden nur vor Ort - und am besten in Kooperation mit lokalen Partnern - erforschen.

Neue Marktpotenziale Lateinamerikas für die deutsche Wirtschaft erschließen

Lateinamerika bietet mit seinen rund 600 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von rund 4,3 Billionen US-Dollar (2020, einschließlich Karibik) einen wichtigen Zukunftsmarkt für deutsche Unternehmen. Zahlreiche deutsche Firmen betreiben Produktionsstätten in der Region, insbesondere in der brasilianischen Metropole São Paulo und in Mexiko. Eine verstärkte Kooperation mit der Region trägt dazu bei, Absatzmärkte von morgen und neue Partner in globalisierten Wertschöpfungsketten zu erschließen. Mittelbar kann dadurch auch der Zugang zu dringend benötigen Ressourcen und Rohstoffen gesichert werden.

Deutschland kann Lateinamerika bei der Transformation von primärer Rohstofflieferung hin zu vermehrter Industriegüterproduktion und verbesserter Wertschöpfung vor Ort unterstützen. Dabei spielen deutsche Technologie und Automatisierungstechnik ebenso wie IT-Dienstleistungen eine wichtige Rolle. Gerade für den innovationsstarken deutschen Mittelstand ergeben sich dadurch vielversprechende Chancen. 

Globale Verantwortung gemeinsam mit Lateinamerika wahrnehmen

Ob Klimakrise, Covid19-Pandemie oder unterbrochene Lieferketten – fast täglich wird uns vor Augen geführt, dass globale Herausforderungen nicht alleine bewältigt werden können. Viele der drängendsten Probleme und Aufgaben unserer Zeit machen nicht an Ländergrenzen halt und erfordern eine gemeinsame Kraftanstrengung. Der Forschungs- und Innovationspolitik kommt in dieser Hinsicht eine besondere Rolle zu, weil durch die internationale Zusammenarbeit Synergien geschaffen, neues Wissen generiert und konkrete Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden.

Für viele Forschungsthemen von globaler Bedeutung bietet sich Lateinamerika als starker Partner an - vor allem im Bereich Klima und Nachhaltigkeit. Deutschland ist der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verpflichtet und muss der damit einhergehenden Verantwortung auch aus forschungs- und innovationspolitischer Sicht gerecht werden. Lateinamerikanische Staaten sind für Themen wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft oder den Erhalt der Artenvielfalt maßgeblich. Auch bei weiteren Themen von globaler Tragweite kann Lateinamerika eine wichtige Rolle spielen, z.B. in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung zu Krisen oder sozialer Ungleichheit.

Partnerländer in der Region

Lateinamerika erstreckt sich über eine Fläche von etwa 20 Millionen Quadratkilometern und bietet rund 600 Millionen Menschen eine Heimat. Bei diesen Dimensionen verwundert es nicht, dass die Diversität in der Region groß ist – und das längst nicht nur in kultureller, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht. Auch die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der lateinamerikanischen Staaten unterscheidet sich teilweise erheblich voneinander.

Manche Staaten der Region verfügen über eine Vielzahl herausragender Hochschulen und Forschungseinrichtungen, während die Wissenschaftssysteme anderer Staaten weit weniger entwickelt sind. Doch auch hier finden sich häufig gut ausgebildete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder eine besondere Expertise in relevanten Forschungsfeldern. Um das Potenzial Lateinamerikas zu adressieren, verfolgt das BMBF einen differenzierten Ansatz und unterscheidet zwischen Schwerpunktländern und weiteren Partnern der Zusammenarbeit.

Im Lichte der drei genannten Leitlinien und anhand der konkreten Kooperationspotenziale lassen sich fünf Schwerpunktländer der Zusammenarbeit identifizieren: Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien und Mexiko. Als weitere Partner seien hier beispielhaft Costa Rica oder Uruguay genannt. Informationen zu unserer Kooperation mit ausgewählten Ländern erhalten Sie über die entsprechenden Links im Abschnitt „Schwerpunktländer“ auf der rechten Seite.

Prioritäre Themenfelder der Zusammenarbeit

Eine thematische Schwerpunktsetzung in der Kooperation mit Lateinamerika trägt dazu bei, Kapazitäten zu bündeln und die Wirkung der Forschungs- und Innovationsförderung zu erhöhen. Ein entscheidendes Kriterium ist dabei das Kooperationspotenzial im jeweiligen Themenfeld. Dieses kann sich beispielsweise aus der Forschungsstärke des jeweiligen Partnerlandes, durch den erweiterten Zugang zu Forschungsressourcen oder aus bestehenden Kooperationsbeziehungen ergeben. Entsprechend der drei Leitlinien muss das Potenzial auch anhand seiner Relevanz für die deutsche Wissenschaft, der wirtschaftlichen Bedeutung oder des Beitrags zur Lösung globaler Herausforderungen bewertet werden.

Astronomie

Die Europäische Südsternwarte (ESO) ist auf dem Gebiet der Astronomie ein herausragendes Beispiel für die Zusammenarbeit mit Lateinamerika. Die zwischenstaatliche Wissenschaftsorganisation mit 16 europäischen Mitgliedsstaaten betreibt in Chile verschiedene Großteleskope. Die ESO mit Deutschland als größtem Mitglied führt die weltweit besten und innovativsten Kräfte der Astronomie zusammen und steht für avancierteste Wissenschaft. Chile als Gastgeberland profitiert wirtschaftlich von Großaufträgen und wissenschaftlich davon, dass seine Astronomen zusätzlich bis zu zehn Prozent der Beobachtungszeit an den Teleskopen erhalten.

Das Pierre-Auger-Observatorium in der argentinischen Hochebene ist seit 2008 in vollem Betrieb. Das Höhen-Observatorium ist das weltweit führende Experiment zur Messung der hochenergetischen kosmischen Strahlung. An dem Observatorium sind insgesamt über 450 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 17 Ländern beteiligt – rund hundert von ihnen arbeiten an acht Instituten aus Deutschland. Das BMBF hat den Bau und die Beteiligung deutscher Forschungsgruppen am Observatorium in der Verbundforschung mit rund 8,3 Millionen Euro mitfinanziert.

Biodiversität

Die Biodiversitätskrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Lateinamerika ist in diesem Zusammenhang eine Partnerregion von zentraler Bedeutung: Laut The International Union for Conservation of Nature (IUCN) gehören Mexiko, Brasilien, Kolumbien, Ecuador und Peru zu den 17 Megadiversitäts-Ländern, die über 70% aller der auf dem Land lebenden Arten beherbergen. Außerdem befinden sich zwei der fünf globalen Megadiversitätszentren im Übergangsbereich zwischen Mittel- und Südamerika.

Angewandte Biodiversitätsforschung in den Hotspot-Regionen Lateinamerikas leistet einen Beitrag zum Schutz der bedrohten Lebensräume und trägt gleichzeitig dazu bei, deren wirtschaftliches Potenzial auf nachhaltiger und partnerschaftlicher Grundlage zu nutzen, z.B. für die Material- und Werkstoffforschung, Biotechnologie oder Pharmazie.

Deutschland kann dabei von den langjährigen und vielfältigen Forschungsbeziehungen mit Lateinamerika profitieren. Ein Beispiel hierfür ist das Deutsch-Kolumbianische Exzellenzzentrum für Meereswissenschaften (CEMarin). Auch im Rahmen verschiedener Förderprogramme wird die Kooperation zur Erforschung und zum Schutz der Biodiversität finanziert, darunter „CONNECT“ sowie das europäische Netzwerk „BiodivERsA“. 

Bioökonomie

Mit der Bioökonomie lassen sich neuartige Produkte und Verfahren entwickeln, die Ressourcen zu schonen und Wohlstand schaffen. Das Forschungspotenzial in und mit Lateinamerika ist hoch. Internationale Forschungseinrichtungen wie das Inter-American Institute for Cooperation on Agriculture (IICA, Costa Rica), das International Center for Tropical Agriculture (CIAT, Kolumbien) und die Brazilian Enterprise for Agriculture Research (EMBRAPA, Brasilien) dokumentieren die Qualität der Forschung. Ein Schwerpunktthema in Lateinamerika ist dabei die nachhaltige Nutzung von Biomasse; von deutscher Seite wird vor allem ein Fokus auf die industrielle Bioökonomie gelegt.

Die Zusammenarbeit bietet Deutschland den Zugang zu exzellenten Institutionen und wertvollen Forschungsressourcen. Insbesondere Argentinien, Brasilien, Chile und Kolumbien sind Partnerländer mit hohem Kooperationspotenzial und arbeiten regelmäßig mit deutschen Partnern zusammen. Über die Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ mit jährlichen Ausschreibungen können Projekte mit Partnern in ganz Lateinamerika gefördert werden. Spezielle Module, die eine Gegenfinanzierung für die Partnerinstitutionen vorsehen, werden seit 2015 regelmäßig mit ausgewählten lateinamerikanischen Ländern veröffentlicht.

Geistes- und Sozialwissenschaften

Die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung in Lateinamerika ist traditionell stark aufgestellt. Darüber hinaus ist die Region krisen- und konflikterprobt und hat teilweise bemerkenswerte Lösungsansätze entwickelt. Hiervon kann Deutschland lernen.

Mit den internationalen Forschungskollegs "Maria Sibylla Merian Centres for Advanced Studies" bringt das BMBF die Internationalisierung der Geistes- und Sozialwissenschaften an wissenschaftlichen Einrichtungen in São Paolo (Brasilien) und Guadalajara (Mexiko) voran. Die Zentren arbeiten eng mit weiteren Forschungsinstitutionen in Argentinien, Costa Rica und Ecuador zusammen.

Die Förderung der Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und europäischen Förderorganisationen und Forschenden ist das Ziel der Transatlantischen Plattform für Geistes- und Sozialwissenschaften (T-AP), an der sich die DFG und das BMBF sowie Förderorganisationen aus Lateinamerika beteiligen. Im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung zeigt sich das wissenschaftliche Potenzial am Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstitut, das in Bogotá angesiedelt ist und vom Auswärtigen Amt finanziert wird.

Geowissenschaften

Für die Geowissenschaften ist Lateinamerika ein einzigartiges natürliches Forschungslaboratorium. Folge der Plattentektonik im Westen des Kontinents sind hohe vulkanische Aktivität, Hangrutschungen in den Anden und regelmäßige Erdbeben. Zudem verfügt die Region über einen enormen Rohstoffreichtum. Dies schafft die Voraussetzungen für eine erfolgreiche und nachhaltige Zusammenarbeit in den Geowissenschaften, die bereits heute von zahlreichen deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen betrieben wird.

Das deutsch-argentinische geodätische Observatorium AGGO gilt als einziges seiner Art in Lateinamerika. Das Integrierte Plattenrandobservatorium Chile (IPOC) wiederum ist ein multilaterales Vorhaben, an dem eine Reihe von Institutionen beteiligt sind. Über ein Viertel der seismischen Energie weltweit wird durch IPOC erfasst und überwacht.

Im Rahmen der Fördermaßnahme „CLIENT II – Internationale Partnerschaft für nachhaltige Innovation“ fördert das BMBF zwei Verbundvorhaben zum Thema Naturkatastrophenprävention. Ebenfalls mit Mitteln des BMBF wurde die Implementierung des Internationalen Graduiertenkollegs der DFG „SuRfAce processes, TEctonics and Georesources: The Andean foreland basin of Argentina (StRaTEGy)“ unterstützt.

Industrie 4.0 und Kreislaufwirtschaft

Viele Staaten Lateinamerikas haben die Bedeutung des digitalen Wandels für Innovationen und Modernisierung von Produktion, Arbeit und Geschäftsmodellen in der Industrie erkannt. Industrie 4.0-Ansätze der vernetzten Wertschöpfung ermöglichen Fernwartung, Robotik, digitalisierte Steuerung und Virtualisierung. Auch in der Kreislaufwirtschaft und in der Agrarwirtschaft besteht großes Potenzial durch vernetzte Technologien hin zu einer Landwirtschaft 4.0.

In Brasilien beheimatet die Hightech-Region São Paulo zahlreiche Wissenschaftseinrichtungen, Startups und internationale Unternehmen; insbesondere bei den dort ansässigen Automobilkonzernen ist der Anwendungsbezug zur Industrie 4.0 unmittelbar präsent. Mexiko bietet Chancen durch die diversifizierte Wirtschaft des Landes. Chiles Nationale Agentur für Wirtschaftsförderung CORFO fördert u.a. die Gründung von Technologie- und Innovationszentren, und die Themen IT-Systeme und Künstliche Intelligenz haben einen hohen Stellenwert.

Im Rahmen des Deutsch-Argentinischen Hochschulzentrums (DAHZ) fördert das BMBF bi-nationale Studiengänge deutscher und argentinischer Hochschulen, viele aus dem Bereich der Ingenieurswissenschaften, die die Grundlagen für den industriellen Wandel und Industrie 4.0 legen. In einer eigenen Förderlinie werden zusätzlich begleitende Forschungsprojekte unterstützt.

Klimaschutz

Dem Weltklimarat IPCC zufolge ist insbesondere Südamerika in zunehmender Weise von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, die sich in grenzüberschreitenden Problemlagen und Herausforderungen äußern.

Die langfristig angelegte, vom BMBF finanzierte deutsch-brasilianische Kooperation zum Atmospheric Tall Tower Observatory (ATTO) bietet beste Voraussetzungen, grundlegende Fragen zum Klimawandel zu beantworten. Das Team um ATTO erforscht, wie sich intakte Amazonaswälder auf Klima, Treibhausgasbilanz und Luftqualität auswirken und wie sich diese im Zuge des globalen Wandels verändern können.

Zwei Forschungsprojekte der BMBF-Fördermaßnahme „Nachwuchsgruppen Globaler Wandel 4+1“ befassen sich mit dem Klimawandel: Das Projekt „SMMICC“ untersucht Einflussfaktoren auf individuelles, klimarelevantes Konsumentenverhalten innerhalb der aufstrebenden Mittelschichten u. a. in Peru. Hier werden Möglichkeiten zur Änderung bestehender Trends in Richtung CO2-armen Konsums definiert. Das Projekt „RuralFutures“ entwickelt in einem partizipativen Ansatz Handlungsmöglichkeiten, die zu einer nachhaltigen Landschaftsentwicklung der stark durch Land- und Forstwirtschaft veränderten Grasländer Uruguays führen.

Leichtbau und additive Fertigung

Viele lateinamerikanische Länder zeichnen sich durch einen hohen Rohstoffreichtum aus, darunter insbesondere Chile und Peru. Die Rohstoffe dienen als Grundlage für bereits bekannte Materialien oder als Ausgangsstoffe zur Erforschung neuer Materialien für den Leichtbau und die additive Fertigung. Anwendungsfelder bestehen in der Automobilindustrie sowie in den Bereichen Luftfahrt, Energiewirtschaft, Mobilität und Medizintechnik.

Aufgrund des Wandels zu mehr E-Mobilität und nachhaltigerem Ressourcenumgang besteht in den Automobilindustrien Lateinamerikas besonders hoher Bedarf für den Einsatz von Leichtbaumaterialien. Ebenso bietet der Ausbau von existierender Infrastruktur im Bereich Großtransport und Schiene hohe Anwendungspotenziale. Auch das brasilianische Luftfahrtunternehmen EMBRAER, das zu den größten Flugzeugherstellern der Welt gehört, forscht an Leichtbau- und 3D-Druckverfahren.

Pflege und Gesundheit

In vielen Bereichen der Gesundheitsforschung arbeiten Deutschland und die Partnerländer in Lateinamerika im Rahmen internationaler Initiativen zusammen wie z.B. Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) und Global Research Collaboration for Infectious Disease Preparedness (GloPID-R).

Erfahrungs- und Wissenstransfer im Bereich der Daseinsvorsorge sollen die Pflege der Patienten durch digitale Innovationen vor allem in ländlichen, stark vom demografischen Wandel betroffenen Regionen sicherstellen. Deshalb setzt das BMBF mit dem Cluster „Zukunft der Pflege“ auf die Erprobung von Pflegeinnovationen in der Praxis. Lateinamerika ist in diesem Zusammenhang eine interessante Modellregion, denn viele Länder, z.B. Chile, sind stark von demografischen Veränderungen betroffen.

Regenerative Energien und grüner Wasserstoff

Lateinamerika verfügt über ein großes Potenzial an nachwachsenden Rohstoffen für die Erzeugung erneuerbarer Energien. Bei der Elektrizitätsgewinnung spielen in Lateinamerika Wasserkraft, Wind und hohe Sonneneinstrahlung eine große Rolle, darüber hinaus besteht z.B. in den Anden und in den Bergregionen Mexikos hohes geothermisches Potenzial. Besonders hervorzuheben ist Costa Rica als weltweiter Vorreiter bei der Nutzung regenerativer Energien zur Stromerzeugung.

Viele Länder in Lateinamerika messen z.B. grünem Wasserstoff eine hohe Bedeutung bei und haben entsprechende nationale Strategien oder Programme veröffentlicht, wie z.B. Chile, Kolumbien und Mexiko. Auch für Brasilien, Costa Rica, Uruguay und Paraguay ist das Thema von hoher Bedeutung. Studien bescheinigen mehreren Ländern der Region ein hohes Exportpotenzial von grünem Wasserstoff.

Rohstoffe und Bergbau

Lateinamerikanische Länder verfügen über einen großen Rohstoffreichtum. Viele der in Südamerika gewonnenen Metalle sind unentbehrlich für eine erfolgreiche Energiewende. Daneben bietet die Region zahlreiche biogene Rohstoffquellen, wie z.B. Reststoffe aus der Zuckerproduktion (siehe auch „Bioökonomie“). In Lateinamerika sind einige global führende Rohstoffproduzenten und entsprechend starke Forschungskapazitäten angesiedelt, z.B. in Brasilien, Chile und Peru.

Die Zusammenarbeit mit den Ländern Lateinamerikas bietet daher Chancen für die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Lösungen zu Rohstoffeffizienz, Rohstofftechnologien, Kreislaufwirtschaft, nachhaltigem Bergbau, Automatisierung und Digitalisierung. Neben Potenzialen in der umweltverträglichen Rohstoffgewinnung, z.B. bei der Lithiumgewinnung in Chile, stellt auch die Erschließung sekundärer Rohstoffquellen eine Priorität dar. Das eröffnet Chancen für die wissenschaftliche Kooperation und für Exporte deutscher Maschinen- und Anlagenbauer.

Im Rahmen der Fördermaßnahme „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – Optimierte Produkt- und Stoffkreisläufe“ fördert das BMBF zwei Verbundvorhaben zu Rohstofftechnologien. Diese Fördermaßnahme wird im Rahmen des ERA-Nets ERA-MIN umgesetzt, in dem das BMBF mit Fördermittelgebern aus Lateinamerika zusammenarbeitet.

Smart Services

Die Staaten Lateinamerikas möchten den digitalen Wandel dazu nutzen, lokale Herausforderungen struktureller, wirtschaftlicher oder klimatischer Art anzugehen. Die dezentrale Industriestruktur der gesamten Region ist eine Herausforderung für die Güter- und Energieversorgung und bedarf intelligenter Lösungen bzw. digitaler Produkt-Service-Systeme. Der zunehmende Bedarf am Ausbau von Infrastruktur und Mobilität in Ballungsräumen kann eine Chance für die Anwendung von Smart Services sein.

Schon heute setzen Startups in Ländern wie Brasilien in den unterschiedlichsten Branchen stark auf Digitalisierung. Manche Länder verfügen bereits über Strategien für Digitales und KI, die teilweise auch die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit umfassen. Für die Kooperation mit Lateinamerika zeichnen sich daher Chancen für den Einsatz von neuen, digitalen Dienstleistungsangeboten ab, insbesondere in den Bereichen Logistik, Infrastruktur, Ressourcenmanagement sowie Gesundheit.

Urbanisierung

Verkehrskollaps, Luftverschmutzung und prekäre Siedlungen sind Beispiele für die großen Herausforderungen lateinamerikanischer Metropolregionen. Urbane Räume verbrauchen 80% der weltweit genutzten Energie und Ressourcen und mehr als 75% der globalen Emissionen werden dort erzeugt. Aber auch ca. 80% der globalen Wirtschaftsleistung werden im städtischen Raum geschaffen. Städte müssen sich also zu „Nachhaltigkeitsstädten“ entwickeln, um angemessen zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung beizutragen. Die internationale Kooperation bei der Transformation urbaner Ballungsräume ist wesentlich für die Lösung der großen Herausforderungen der Menschheit.

Einige lateinamerikanische Städte sind diese Herausforderungen angegangen und nehmen eine Vorreiterrolle im Hinblick auf die Transformation zu innovativen und nachhaltigen Städten ein. Im Sinne des Nachhaltigkeitsziels 11 (Nachhaltige Städte und Siedlungen) müssen Lösungen für die resiliente Entwicklung schnell wachsender Städte mit Fokus auf Klimaanpassung entwickelt und verstetigt werden. Dies bietet auch ein breites Spektrum an Kooperationsthemen für die deutsche Wissenschaftslandschaft und neue Märkte für innovative KMU aus Umwelttechnologie, Transportwesen und Stadtentwicklung.

Maßnahmen mit Lateinamerika

Die Fördermaßnahmen des BMBF zur Kooperation mit Lateinamerika sind an den drei Leitlinien ausgerichtet und folgen den geographischen und thematischen Schwerpunkten. Der größte Fokus liegt daher auf Themenfeldern, die ein besonders hohes Kooperationspotenzial mit dem jeweiligen Partnerland aufweisen. Das BMBF setzt dabei sowohl auf bilaterale Maßnahmen als auch auf multilaterale bzw. EU-Initiativen und arbeitet darauf hin, Synergien zwischen beiden nutzbar zu machen. Durch den regelmäßigen Austausch im Kreis der Förder- und Mittlerorganisationen stellt es zugleich sicher, dass sich unterschiedliche Aktivitäten ergänzen und so einen echten Mehrwert bieten.

Insbesondere die bilaterale Zusammenarbeit des BMBF ermöglicht es, die Instrumente der Zusammenarbeit an den Stand der Forschungsbeziehungen anzupassen. Insbesondere bei etablierten Partnern spielen die Fach- und Rahmenprogramme eine Schlüsselrolle, da die Förderung auf bestehenden Netzwerken und Kooperationserfahrungen aufbauen kann. Wichtige Beispiele solcher Programme sind die Förderinitiativen „Bioökonomie International“ und „CLIENT II – Internationale Partnerschaft für nachhaltige Innovation“.

Einer erfolgreichen FuI-Kooperation geht meist ein Prozess der Sondierung, Anbahnung, Vernetzung und Zusammenarbeit in konkreten Projekten voraus. Die wissenschaftlichen Stärken der Partner müssen zunächst erkannt, komplementäre Aktivitäten identifiziert und die Zusammenarbeit durch gemeinsame Forschung erprobt werden.

Die Potenzial-orientierte Förderung adressiert die Chancen und den Mehrwert der Zusammenarbeit und zielt deshalb auf den gegenseitigen Austausch, die Vorbereitung und die Umsetzung erster Forschungsprojekte ab. Im Idealfall erwächst daraus eine nachhaltige Zusammenarbeit, die die Potenzial-orientierte Förderung mit geeigneten Maßnahmen unterstützt. Beispiele hierfür sind die sogenannte „2+2-Förderung“ für Innovationsprojekte, die auch Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft einbinden, sowie die Förderung partnerschaftlicher Strukturen und institutionalisierter Netzwerke.

Das BMBF richtet seine Förderung noch strategischer aus, indem es die Instrumente an den Stand der Kooperation im jeweiligen Themenfeld anpasst. Auch die Leistungsfähigkeit unserer Partner wird dabei angemessen berücksichtigt. Wo sinnvoll und angemessen, werden höhere finanzielle Anteile des BMBF vorgesehen, allerdings ohne dabei das Prinzip einer Kooperation auf Augenhöhe aufzugeben.