Europäischer Forschungsraum fördert Forschung und Innovation in Europa : , Thema: WAS IST DER EFR?
Seit 20 Jahren sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa im Europäischen Forschungsraum miteinander vernetzt. Durch die politisch geförderte Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg kommen Innovationen schneller bei den Menschen an.
Wie der Europäische Binnenmarkt schafft der Europäische Forschungsraum Freiheiten: die Freizügigkeit für Forschende, in anderen Ländern zu arbeiten und die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien frei auszutauschen. Ziel des Europäischen Forschungsraums, kurz EFR, ist es, die Forschungssysteme in den Mitgliedstaaten zukunftssicher zu machen, Ressourcen zu bündeln und den Forschenden in Europa gute Rahmenbedingungen zu bieten. Denn herausragende Forschung und Wissenschaft ist auch ein wichtiger Faktor, damit die EU im weltweiten Wettbewerb bestehen kann. Die Gestaltung des EFR ist eine gemeinsame Aufgabe der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten (Art. 179 AEUV[1]).
Im EFR wurde in den vergangenen 20 Jahren bereits viel erreicht. Und er entwickelt sich ständig weiter. Wie auch jedes nationale Wissenschaftssystem ist der EFR kontinuierlichen Veränderungen ausgesetzt. Beispielsweise hat die Digitalisierung die Forschung in den vergangenen Jahren stark beeinflusst und Arbeitsweisen verändert. Das wirkt sich natürlich auch auf die Zusammenarbeit im EFR aus. Die richtungsgebende Arbeit der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission für den EFR ist deshalb kein abgeschlossenes Verfahren, sondern ein Prozess, der kontinuierlich fortgesetzt wird.
Was sind die EFR-Ziele für die Zukunft?
Die EU-Mitgliedstaaten und die EU-Kommission haben das 20-jährige Jubiläum im Jahr 2020 dazu genutzt, die Grundausrichtung des EFR zu überdenken. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wurde eine Neuausrichtung des EFR angestoßen, um ihn zukunftsfest zu machen. Im November 2021 verabschiedeten die EU-Mitgliedstaaten mit dem „Pakt für Forschung und Innovation in Europa“ die neue Grundlage für den „neuen EFR“. Europa setzt sich damit neue und ambitionierte Ziele entlang von vier Prioritäten:
Den „Binnenmarkt für Wissen“ vertiefen
Auch im „neuen EFR“ bleiben die Kernaufgaben von zentraler Relevanz, die optimale Rahmenbedingungen für Forschungszusammenarbeit in Europa schaffen: die freie Zirkulation von Wissen und Mobilität der Forschenden, mehr europaweiter Wettbewerb um die besten Ideen, moderne Forschungsinfrastrukturen und ein eng zwischen den EU-Mitgliedstaaten koordiniertes Vorgehen zu gemeinsamen Standards und Leitlinien für die Forschungszusammenarbeit im gesamten EFR.
Mensch im Mittelpunkt
Der EFR ruht auf einem europäischen Wertekanon, bei dem die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit nicht auf Kosten von ethischen Grundlagen geht. Beispielsweise soll Künstliche Intelligenz vorurteilsfrei programmiert und die Digitalisierung mit Blick auf den Datenschutz ausgestaltet werden. Im globalen Wettbewerb zeigt der europäische Weg, dass der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt ein starkes Fundament ist – in Europa stellen Forschung und Innovationen den Menschen in den Mittelpunkt. Deutschland hat mit Blick auf die Stärkung der gemeinsamen europäischen Grundwerte während seiner EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 die Bonner Erklärung für Forschungsfreiheit der europäischen Forschungsministerinnen und -minister initiiert, die eine freie Forschung als Grundlage für Innovation ausdrücklich stärkt.
Die ökologische und digitale Transformation meistern
Die Erwartungen an Forschung und Wissenschaft und ihren Beitrag zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen sind in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen. Dank innovativer Ansätze aus der Forschung kann uns der Schritt zu einer zukunftsorientierten Wachstumsstrategie gelingen. Die sich verändernde Rolle der Wissenschaft für die Gesellschaft hat deutliche Auswirkungen auf die Gestaltung des EFR. Zum Beispiel engagieren sich die Mitgliedstaaten für eine Europa-weit koordinierte Forschungsförderung zu gesellschaftlichen Herausforderungen.
Beispiel Klimaschutz und Digitalisierung: Schon jetzt greifen europäische Forschende die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN-Sustainable Development Goals) in der Forschung auf. Auch wird über das EU-Forschungsrahmenprogramm ganz gezielt solche Forschung gefördert, die auf die Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen hinwirkt. Zudem hat die EU-Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zum EFR vom 30.09.2020 eine klare Ausrichtung der Forschung auf die dringend notwendige „Twin Transition“ – bestehend aus Grünem Wandel und Digitalisierung – der europäischen Gesellschaften formuliert: Der „Green Deal“ soll den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft ermöglichen, was schließlich dem Klimaschutz dient. Dabei spielt auch der zweite Faktor, nämlich die Digitalisierung, eine bedeutende Rolle. Denn digitale Technologien unterstützen die nachhaltige Entwicklung in vielen Bereichen, etwa durch den effizienten Umgang mit großen Datenmengen oder mit innovativen Konzepten für die umweltfreundliche Stadtentwicklung.
Forschung und Wirtschaft eng vernetzt
Mit der engen Verbindung von Forschung und Innovation in andere Themenbereiche und ihrem möglichen Beitrag zur Transformation der Gesellschaft geht auch eine enge Koordination von Forschungs- und Innovationspolitik mit anderen Politikbereichen einher: von Bildung über Industrie- bis zur Energiepolitik. Gerade die Covid-19 Pandemie hat für den Bereich Gesundheit und Medizinforschung gezeigt, wie wichtig eine enge Vernetzung von Forschungsinstitutionen zur Wirtschaft, z.B. der Pharmaindustrie, sowie zur Gesellschaft ist. Der „neue EFR“ hat zum Ziel, die politischen Entscheidungsprozesse und Strategien noch besser aufeinander abzustimmen und der Forschung eine wegweisende Rolle zu Zukunftsthemen einzuräumen.
Mehr Teilhabe im Europäischen Forschungsraum
Die neuen Ambitionen in der Forschung und der Innovationspolitik im EFR verlangen auch neue Formen des Austauschs zwischen Forschung und Gesellschaft. Wie kann eine kontinuierliche Ausrichtung der Forschung an den Bedarfen der Gesellschaft gelingen? Grundlegend setzen sich natürlich Politik und Verwaltung im Rahmen der EU-Forschungsförderung für das öffentliche Interesse ein. Dazu wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten Gremien und Koordinationsprozesse zwischen den EU-Mitgliedstaaten etabliert, die bereits erfolgreich die Abstimmung der Förderthemen und Rahmenbedingungen der Forschung vorantreiben.
Es bleibt zugleich eine Aufgabe, die Stakeholder und die Bürgerinnen und Bürger enger in diese Prozesse mit einzubeziehen. Im „neuen EFR“ wird daher der Dialog mit der Gesellschaft intensiviert. Nur so kann die Umsetzung der EFR-Ziele wirklich flächendeckend erreicht werden. Und nur so können in Europa Forschung und Innovation als Lösungsfinder Anerkennung finden. Langfristig ist dies auch für das Vertrauen in die Wissenschaft und für den gesellschaftlichen Grundkonsens wichtig.
Den Zugang zu Exzellenz in der gesamten EU verbessern
Forschung und Innovation in Europa steht im Wettbewerb mit anderen Weltregionen. In einigen Bereichen ist Europa bereits Weltspitze, etwa bei zitierten Veröffentlichungen und Patentanmeldungen zur Klimaforschung. An anderer SStelle ist noch Luft nach oben. So stellen die USA Europa in den Schatten, was die Zahl der häufig zitierten Veröffentlichungen, angeht. Die europäische Leistung in diesem Bereich stagniert seit 2012, während z.B. China sich verbessern konnte.
Mit Chancengleichheit zur Weltspitze
Um weiterhin an der Weltspitze in Forschung und Wissenschaft zu bleiben, müssen Talente in ganz Europa zur Geltung gebracht werden. Das heißt auch, dass sich die Staatengemeinschaft für europaweite Chancengleichheit stark machen muss. Denn derzeit gibt es deutliche Unterschiede zwischen der Forschungs- und Innovationsleistung innerhalb des EFR. Manche Länder liegen in ihrer wissenschaftlichen Leistung weit hinter dem europäischen Durchschnitt. Der „neue EFR“ setzt sich zum Ziel, diese Wissenschaftssysteme zu stärken und Exzellenz in ganz Europa zu fördern. So werden zum Beispiel gezielt Netzwerke gefördert, die Forschende aus den leistungsschwächeren Ländern mit exzellenten Partnern in ganz Europa zusammenbringen.
Investitionen und Reformen in Forschung und Innovation vorantreiben
Investitionen in Forschung und Innovation sind die Grundvoraussetzung dafür, dass Forschende an Hochschulen, Forschungseinrichtungen und in Unternehmen Antworten auf die drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Pandemie finden können. Im weltweiten Vergleich investiert Europa hier immer noch zu wenig. Ziel ist es daher, die Ausgaben für Forschung und Innovation möglichst bald auf mindestens drei Prozent des EU-weiten Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Deutschland gehört mit Österreich und Schweden zu den wenigen EU-Mitgliedstaaten, die das Drei-Prozent-Ziel erreicht haben. Im EU-weiten Durchschnitt lagen die Investitionen bei 2,27 Prozent (2021). Es bleibt also noch viel zu tun.
Nationale und europäische Ebene besser miteinander verzahnen
Eine der Herausforderungen bei der besseren Koordinierung von EU-Ebene und Mitgliedstaaten ist die Entwicklung von gemeinsamen Standards zur Bewertung der Forschungs- und Innovationspolitik in den Mitgliedstaaten. Darum wird nun eine Plattform aufgebaut, mit deren Hilfe die nationalen Politiken der Mitgliedstaaten im gesamten EFR dokumentiert werden. Auf dieser Grundlage sollen nationale Investitionspläne für Forschung und Innovation diskutiert und Unterstützung durch die EU erhalten können.
[1] AEUV: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union