Pressemitteilung: 68/2024 10.12.2024

Özdemir/Streichert-Clivot: Grundkompetenzen sind wichtig für gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigungsfähigkeit

10 Jahre PIAAC: Kompetenzen von Erwachsenen in Deutschland unverändert

Erwachsene in Deutschland liegen in den Kompetenzdomänen Lesen, Alltagsmathematik und adaptives Problemlösen im internationalen Vergleich über dem OECD-Durchschnitt. Die Lese- – und alltagsmathematischen Kompetenzen in Deutschland sind im Vergleich zum ersten PIAAC-Zyklus vor rund zehn Jahren im Mittel stabil geblieben. Die Heterogenität der Kompetenzen in der Bevölkerung ist über die letzte Dekade jedoch leicht gestiegen.

Dies zeigen die Ergebnisse der OECD-Studie Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) 2023, die heute in Berlin vorgestellt wird.

Dazu erklärt Bundesbildungsminister Cem Özdemir:

„Die PIAAC-Studie zeigt: Bildung eröffnet Perspektiven. Ein höherer Bildungsabschluss führt zu höheren Kompetenzen und ist der Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigungsfähigkeit. Mit unseren Maßnahmen in der Berufsorientierung und Aufstiegsförderung knüpfen wir genau hier an, damit jede und jeder die Chance auf einen bestmöglichen Abschluss bekommt. Die PIAAC-Studie bescheinigt uns gute Entwicklungen, zeigt aber auch auf, wo wir noch besser werden müssen. Mit dem Startchancen-Programm setzen wir seit dem Schuljahr 2024/2025 den großen Hebel an, um allen Menschen die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten im weiteren Leben zu ermöglichen. Denn der enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Grundkompetenzen besteht auch im Erwachsenenalter fort. Die soziale Benachteiligung begleitet Erwachsene beim Kompetenzerwerb ein Leben lang.
Es ist besorgniserregend, wenn ein Fünftel der in Deutschland lebenden Erwachsenen nur über geringe Grundkompetenzen verfügt. Wir müssen verstärkt auch Erwachsenen neue Bildungschancen eröffnen und sie darin unterstützen, ihre Grundbildung zu verbessern. Bund und Ländern bündeln daher schon heute ihre Kräfte in der AlphaDekade,“

Christine Streichert-Clivot, Präsidentin der Kultusministerkonferenz 2024 und saarländische Ministerin für Bildung und Kultur:

„Die Ergebnisse zeigen: Das deutsche Bildungssystem legt erfolgreich den Grundstein für Beschäftigungsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe, doch Bildungsgerechtigkeit und lebenslanges Lernen bleiben essenziell. 
Angesichts des dynamischen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft brauchen wir lebenslanges Lernen für alle. Die Länder leisten durch die Förderung von Weiterbildungseinrichtungen hier einen wichtigen Beitrag. Jüngste Ergebnisse des Adult Education Survey zeigen, dass die Beteiligung an Weiterbildungsmaßnahmen in Deutschland mehr gestiegen ist als in allen anderen Ländern. An diesen erfolgreichen Weg müssen wir anknüpfen, damit alle Menschen in Deutschland ihre Potenziale voll entfalten können.“

Die wichtigsten Ergebnisse für Deutschland im Überblick:

  • Die mittleren Kompetenzen der Erwachsenen liegen in allen drei Domänen signifikant über dem Durchschnitt der teilnehmenden OECD-Länder. In der Lesekompetenz liegt der Mittelwert bei 266 Punkten (OECD: 260 Punkte), in der alltagsmathematischen Kompetenz bei 273 Punkten (OECD: 263 Punkte) und im adaptiven Problemlösen bei 261 Punkten (OECD: 251 Punkte).
  • Jeweils rund ein Fünftel (20 bis 22 Prozent) der Erwachsenen verfügt nur über geringe Lese- und alltagsmathematische Kompetenzen sowie adaptive Problemlösefähigkeiten (Kompetenzstufe 1 und darunter) (OECD: 25 bis 30 Prozent).
  • Vergleichsweise viele Personen verfügen über hohe grundlegende Kompetenzen: Die Anteile der Personen, die hohe grundlegende Kompetenzen (mindestens Stufe IV) der jeweiligen Kompetenzdomäne erreichen, liegen in allen drei Domänen über dem entsprechenden OECD-Durchschnitt.
  • In allen Teilnehmerländern besteht ein enger Zusammenhang zwischen den mittleren Grundkompetenzen und dem höchsten erreichten Bildungsabschluss.
  • In allen Teilnehmerländern unterscheiden sich die Geschlechter nur geringfügig in ihren Grundkompetenzen. In Deutschland verfügen Frauen im Vergleich zu Männern über eine um vier Punkte leicht höhere Lesekompetenz (OECD: 3 Punkte). Bei der alltagsmathematischen Kompetenz erreichen Männer im Vergleich zu Frauen 13 Punkte mehr (OECD: 10 Punkte).
  • In nahezu allen Teilnehmerländern weisen im Ausland geborene Personen durchschnittlich geringere Grundkompetenzen auf als im Inland geborene Personen. Die Differenz in der Lesekompetenz beträgt in Deutschland 70 Punkte (OECD: 40 Punkte) und in der alltagsmathematischen Kompetenz 59 Punkte (OECD: 35 Punkte).
  • Die zusätzliche Berücksichtigung migrationsbezogener Merkmale (z.B. ob Deutsch die erlernte Erstsprache ist) reduziert sowohl in der Lese- als auch in der alltagsmathematischen Kompetenz die entsprechenden Kompetenzdifferenzen maßgeblich.
  • Über die Hälfte (56 Prozent) der im Ausland geborenen Personen in Deutschland verfügt nur über geringe Lesekompetenzen (Stufe I oder darunter). In der alltagsmathematischen Kompetenz sind es 48 Prozent.
  • Die soziale Herkunft beeinflusst die grundlegenden Kompetenzen Erwachsener in Deutschland stärker als in allen anderen Teilnehmerländern. Personen mit niedriger sozialer Herkunft verfügen über eine Lesekompetenz, die 79 Punkte niedriger ist als die von Personen mit einer hohen sozialen Herkunft (OECD: 50 Punkte). Der Einfluss der sozialen Herkunft ist in PIAAC 2023 im Vergleich zu vor rund zehn Jahre noch einmal gestiegen (PIAAC 2012: 54 Punkte)
  • In Deutschland weisen erwerbstätige Personen, wie in den meisten Teilnehmerländern, signifikant höhere Grundkompetenzen auf als Personen, die nicht erwerbstätig sind.
  • In allen Teilnehmerländern gehen höhere Grundkompetenzen mit höherem Erwerbseinkommen einher. Im OECD-Durchschnitt verdienen – vergleichbar mit Deutschland – Erwerbstätige auf Kompetenzstufe IV/V im Mittel über ein Drittel mehr als Erwerbstätige auf Stufe II. Erwerbstätige auf Stufe I und darunter hingegen verdienen im OECD-Durchschnitt 14 Prozent weniger als Erwerbstätige auf Stufe II.

 

Hintergrund

Deutschland nimmt seit Beginn im Jahr 2012 an der Studie Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) teil, die alle zehn Jahre in einer umfassenden, international vergleichenden Erhebung die Lesekompetenz, die alltagsmathematische Kompetenz und das Problemlösen der erwachsenen Bevölkerung im Alter zwischen 16 und 65 Jahren erfasst. (Die Domäne „adaptives Problemlösen“ wurde neu für den zweiten Zyklus von PIAAC entwickelt, so dass ein Zeitvergleich nicht möglich ist.)

An PIAAC 2023 beteiligten sich insgesamt 31 Teilnehmerländer, darunter 29 OECD-Mitgliedstaaten. Die Studie wurde zwischen September 2022 und Juli 2023 durchgeführt. Die repräsentative Stichprobe in Deutschland umfasst rund 4.800 Erwachsene im Alter zwischen 16 und 65 Jahren.

Auf internationaler Ebene ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Initiator und verantwortlich für die Organisation. In Deutschland wird die Studie unter der wissenschaftlichen Leitung von Frau Prof. Dr. Beatrice Rammstedt (GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften) durchgeführt.

Die Finanzierung von PIAAC in Deutschland erfolgt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).

 

Weitere Informationen

https://www.gesis.org/piaac