Kühlschrank ohne Strom

Meldung , 05.07.2022

Um Medikamente und Impfstoffe überall auf der Welt konstant kühlen zu können, hat ein Forschungsteam im Eurostars-Projekt ARCTICOOL einen Kühlschrank entwickelt, der mithilfe von Wasserverdunstung Wärme in Kälte umwandelt.

Impfstoffe und Medikamente müssen ohne Unterbrechung gekühlt werden, wenn sie wirksam bleiben sollen. Das gelingt jedoch nur mit verlässlichen Kühlmöglichkeiten, die zumeist auf ein gutes Stromnetz angewiesen sind. Die Realität ist jedoch, dass weltweit noch immer viele Millionen Menschen völlig ohne Strom leben oder mit einer nur unzuverlässigen Stromversorgung auskommen müssen. In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen ist es besonders schwierig, die Kühlkette für Medizin aufrecht zu erhalten: In 75 Prozent der Fälle können Impfstoffe in Kliniken nicht adäquat gekühlt werden. Das betrifft vor allem die Entwicklungsregionen des globalen Südens.

Deshalb haben Forschende im Eurostars-Projekt „ARCTICOOL“ einen Kühlschrank entwickelt, der auch in diesen Regionen der Welt sicher kühlen kann, denn er funktioniert ohne Strom. Die Forschenden wollen, dass auch an Orten, wo keine (konstante) Stromversorgung gewährleistet ist, für die Menschen eine grundlegende gesundheitliche Versorgung gewährleistet wird.

Eine Infografik veranschaulicht die Funktionsweise des Adsorptionskühlschranks.

ARTICOOL

Eine Infografik veranschaulicht die Funktionsweise des Adsorptionskühlschranks.
© | Coolar UG Die Infografik verbildlicht, wie der Adsorptionskühlschrank in drei Schritten funktioniert: In Rohren der Kühlkammer verdunstet das Wasser. In einer extra Kammer dahinter adsorbiert das Silica-Gel den Wasserdampf. Danach wird das Silica-Gel erwärmt und so wieder getrocknet, damit es erneut Wasserdampf aufnehmen kann.
© | Coolar UG Die Infografik verbildlicht, wie der Adsorptionskühlschrank in drei Schritten funktioniert: In Rohren der Kühlkammer verdunstet das Wasser. In einer extra Kammer dahinter adsorbiert das Silica-Gel den Wasserdampf. Danach wird das Silica-Gel erwärmt und so wieder getrocknet, damit es erneut Wasserdampf aufnehmen kann.

Wasserverdunstung erzeugt einen Kühleffekt in der Kühlkammer

Der Kühlschrank ohne Strom wandelt Wärme in Kälte um. Aber wie genau funktioniert das? „Den Effekt kennen wir alle vom Schwimmen“, erklärt Julia Römer, die den Kühlschrank in Berlin entwickelt. „Wir steigen nass aus dem Wasser, es kommt ein Windhauch und wir frieren, weil in diesem Moment das Wasser auf unserer warmen Haut verdunstet. Diesen Verdunstungskälteeffekt nutzen wir auch für unseren Kühlschrank – allerdings in einem geschlossenen Kreislauf.“ Da in dem Kühlschrank kein Wind weht, muss ein Unterdruck erzeugt werden. Auch dadurch kann das Wasser verdunsten. Damit der Kühlschrank auch bei hohen Außentemperaturen noch stark genug kühlt, wird das Prinzip der Adsorption genutzt, um den Verdunstungskälteeffekt zu multiplizieren.

Silica-Gel zieht Wasserdampf an und sorgt für eine dauerhafte, starke Kühlung

Bei diesem Material handelt es sich nicht um Gel, wie der Name vermuten lässt, sondern um kleine sandähnliche Kügelchen mit porösen Oberflächen. An ihnen adsorbiert der Wasserdampf. Das heißt, die Wassermoleküle lagern sich auf den festen Oberflächen der Kügelchen ab. Eine mit Silica-Gel gefüllte Kammer befindet sich außerhalb des Kühlschranks.

Der Verdunstungsvorgang findet in dünnen Rohren im Innern des Kühlschranks statt, die den Kühleffekt an den Kühlschrankinnenraum weitergeben. Dabei entsteht Wasserdampf, der anschließend von sogenanntem Silica-Gel auf natürliche Weise angesaugt wird.

Mit diesem Prinzip der Adsorption kann im Rohrsystem immer mehr Wasser verdunsten und der Kälteeffekt so lange aufrechterhalten werden, bis das Silica-Gel komplett vollgesogen ist. Dann muss es getrocknet werden, bevor es erneut Wasserdampf aufnehmen kann. Dafür wird es mithilfe von Solarthermie erhitzt und gibt so das Wasser von seiner Oberfläche wieder als Wasserdampf frei. Dieser gelangt in einen Kondensator, wo er sich wieder verflüssigt und schließlich in die Rohre innerhalb des Kühlschrankinnenraums zurückgeleitet wird. Dann beginnt der Kühlprozess von vorn. Mit diesem Kreislauf kann der stromlose Kühlschrank dauerhaft eine Temperatur von zwei bis acht Grad Celsius halten.

Adsorptionskühlschrank kühlt auch bei hohen Außentemperaturen

Adsorption ist ein physikalischer Prozess, bei dem Stoffe (Atome oder Moleküle) aus Flüssigleiten oder Gasen an einer zumeist festen Oberfläche eines anderen Stoffes haften bleiben und sich dort anreichern. Der Begriff stammt vom lateinischen adsorptio beziehungsweise adsorbere, was (an-)saugen bedeutet.

Die Idee an sich ist nicht neu: Adsorptionskühlschränke wurden schon in den 1930er Jahren gebaut. Aber im ARCTICOOL-Projekt haben die Forschenden das Funktionsprinzip stark optimiert. „Unsere größte Herausforderung war bislang die Steigerung der Leistung“, erinnert sich Römer. Denn medizinische Kühlschränke müssen auch bei sehr hohen Außentemperaturen im Inneren eine Temperatur von zwei bis acht Grad Celsius dauerhaft halten. „Das konnte unser erster Prototyp nicht. Aber mit der Eurostars-Förderung haben wir unser Konzept von Grund auf neu denken und eine hilfreiche Projektpartnerin gewinnen können.“ Teil des ARCTICOOL-Projektes ist eine dänische Firma, die medizinische Hochleistungskühlschränke produziert. Für den Adsorptionskühlschrank nutzt das Forschungsteam nun spezielle Kühlschrankgehäuse, die besonders isolierfähig sind. Dadurch kann die richtige Kühlungstemperatur, auch bei 43 Grad Celsius Umgebungstemperatur, erreicht werden.

Der Kühlschrank ohne Strom ist überall und vielseitig einsetzbar

Im Sommer 2022 wird die Kühlkraft des Verdunstungskühlschranks in Kenia und Indien getestet. Danach soll er zertifiziert und ab Jahresende in Serie produziert werden. Das Team hofft auf einen erfolgreichen Vertrieb in Indien, wo die Stromversorgung häufig unzuverlässig ist. Aber auch Länder in Subsahara-Afrika und in Süd- und Südostasien interessieren sich für den Kühlschrank. Schon bald will das Team auch kleinere, mobile Versionen bauen, um die medizinische Kühlkette vollständig zu schließen. „So können unsere Geräte auch unterwegs zuverlässig kühlen“, freut sich Römer. „Überlebenswichtige Medizin kann dann wirklich alle Menschen erreichen.“