"Sie zeigen uns, dass jeder von uns etwas Großes bewegen kann" : Datum: , Thema: Bildung
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Avicenna-Studienwerks setzen sich mit dem Projekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“ für Geflüchtete ein. Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel über das Engagement der Studierenden.
bmbf.de: Herr Rachel, die Stipendiatinnen und Stipendiaten des vom Bundesbildungsministerium geförderten Avicenna-Studienwerks unterstützen jetzt verstärkt Flüchtlinge. Was halten Sie davon?
Thomas Rachel: Der Einsatz der Stipendiatinnen und Stipendiaten ist wertvoll. Denn sie zeigen uns, dass jeder von uns Großes bewegen kann. Viele Geflüchtete mussten in ihren Heimländern unvorstellbares Leid ertragen. Bei uns in Deutschland wollen sie sich ein friedliches Leben aufbauen. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten setzten sich mit ihrem Projekt dafür ein, dass viele qualifizierte ehrenamtliche Helfer sie dabei unterstützen. Deshalb werden die Stipendiatinnen und Stipendiaten in Schulungen zu Flüchtlingslotsen ausgebildet, um dann in ganz Deutschland die Flüchtlingshilfe mitzugestalten.
Warum ist es so wichtig, dass sich die Stipendiatinnen und Stipendiaten für die Integration der Geflüchteten einsetzen?
Ob mit einer Patenschaft für Geflüchtete, der Begleitung bei Behördengängen oder mit Deutschkursen – die Möglichkeiten für ehrenamtliche Helfer sind vielfältig und das Engagement der Zivilgesellschaft ist groß. Und trotzdem ist die ehrenamtliche Hilfe aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder kultureller Unterschieden gar keine leichte Aufgabe. Das haben die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Avicenna-Studienwerks erkannt. Mit ihrem Projekt wollen sie zu Multiplikatoren werden, um noch mehr qualifizierte Ehrenamtliche für die Flüchtlingshilfe zu gewinnen.
Warum sind die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Avicenna-Studienwerks als Flüchtlingslotsen so besonders geeignet?
Sie gehören derselben Religion an und sprechen oft dieselbe Sprache. Deshalb haben sie einen ganz besonderen Zugang zu den Flüchtlingen. Einige von ihnen wissen sogar selbst, was es heißt aus einem Heimatland wegen Krieg und Verfolgung flüchten zu müssen. Es sind gerade diese persönlichen Erfahrungen, die für ihre Arbeit mit den Geflüchteten so wertvoll sind.
Das Projekt von Avicenna ist nur ein Beispiel dafür, wie Studierende ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Welche anderen Studierendeninitiativen gibt es bereits?
Viele Studierende, darunter eine große Anzahl von Stipendiatinnen und Stipendiaten aller Begabtenförderungswerke, engagieren sich bereits freiwillig in ihrer Freizeit. Sie arbeiten bei gemeinnützigen Organisationen oder leisten im privaten Rahmen Hilfe. Dafür steht beispielhaft die Refugee Law Clinic Cologne. Sie wurde mitgegründet von Maximilian Oehl, der als Stipendiat für seinen Einsatz mit dem Engagementpreis der Studienstiftung des deutschen Volkes ausgezeichnet wurde. Ein weiteres hervorragendes Beispiel ist die „Hallesche Interkulturelle Initiative“, ein telefonischer Dolmetscherdienst. Ihr Gründer Lucas Uhlig erhielt für sein Engagement den Cusanus-Preis der bischöflichen Studienförderung. Sie alle sind hervorragende Beispiele dafür, dass es bei der Begabtenförderung nicht nur um gute Noten geht. Wir möchten kluge und verantwortungsvolle junge Leute fördern, die sich auch für die Hilfsbedürftigen in der Gesellschaft engagieren – Menschen mit Persönlichkeit und Mitgefühl.
Welche Rolle spielt Bildung bei der Integration?
Für eine gelungene Integration kommt Bildung eine zentrale Schlüsselrolle zu. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen, ist jünger als 25 Jahre - also in einem Alter, in dem sie eine Ausbildung benötigen. Damit die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft ihre Fähigkeiten entfalten können und ihren Platz in der Gesellschaft finden, brauchen sie eine entsprechende Förderung. Ich möchte, dass Bildung in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt der Politik wird. Dies ist vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und des prognostizierten Fachkräftemangels auch eine Chance für Deutschland. Wenn Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft gelingt, profitieren wir alle davon.
Warum engagieren Sie sich persönlich so nachdrücklich für die Integration der Geflüchteten und das friedliche Miteinander der Religionen?
Als evangelischer Christ in der Politik gibt mir mein Glaube selbst immer wieder Motivation, Zuversicht und Kraft. Er ruft mich in die Verantwortung vor Gott und den Menschen sowie zur Nächstenliebe für Schwache, Hilflose und solche, die – wie die Flüchtlinge – in schwerer Not sind. Das friedliche Miteinander der Religionen ist nach meiner tiefen Überzeugung aber auch zugleich die Basis für ein friedliches und gedeihliches gesellschaftliches Miteinander. Denn Menschen, die ernsthaft und reinen Herzens auf der lebenslangen Suche nach Gott sind, können sich, unbeschadet aller Differenzen in den einzelnen Glaubensüberzeugungen, in Offenheit und Neugierde begegnen und sich gemeinsam für ein menschenwürdige und gerechte Gesellschaft einsetzen.