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Einblick in die Mikro- und Nanowelt : Datum: , Thema: Aktuelles

Lübecker Infektionsbiologen wollen am European XFEL die Struktur von Biomolekülen entschlüsseln. "Mit unserer Forschung liefern wir die theoretischen Baupläne für neue Medikamente", erklärt Teamleiter Lars Redecke im Interview mit bmbf.de.

Am Röntgenlaser XFEL in Hamburg wollen Lars Redecke und sein Team die Struktur von Biomolekülen entschlüsseln.
Am Röntgenlaser XFEL in Hamburg wollen Lars Redecke und sein Team die Struktur von Biomolekülen entschlüsseln. © © Heiner Mueller-Elsner / XFEL

Herr Redecke, Sie gehören zu den ersten Wissenschaftlern, die am neuen Röntgenlaser European XFEL experimentieren werden. Was wollen Sie herausfinden?

Wir wollen einen Blick in die Welt der kleinsten Teilchen und Strukturen werfen – die Mikro- und Nanowelt. Mit dem XFEL können wir die Struktur von Biomolekülen besser als je zuvor sichtbar machen – und sogar deren zeitliche Veränderung aufnehmen. Das ermöglicht  ganz neue Einblicke in die Abläufe in unserem Körper. Auch wenn es trivial klingt, müssen wir aber zunächst testen, ob dieses hochkomplexe Gerät auch wie geplant funktioniert. Wir benötigen eine extreme Präzision: Abweichungen des Laserstrahls um wenige Mikrometer machen beispielsweise das Experiment zunichte. Das ist eine große technische Herausforderung, da der Strahl über viele hundert Meter transportiert werden muss!

Wie gelingt Ihnen der Blick in die Mikro- und Nanowelt?

Der XFEL erzeugt die weltweit stärksten Röntgenblitze. Sie dauern weniger als 100 billiardstel Sekunden. Trifft ein solcher Blitz auf ein Molekül, lenkt es die Strahlung ab, bevor es auf Grund der extremen Energie sofort explodiert. Die abgelenkte Strahlung können wir auf einem Detektor sichtbar machen: Wir haben eine Momentaufnahme davon im Kasten. Also vereinfacht gesagt: Ein Foto des Moleküls aus einem bestimmten Blickwinkel. Wenn wir dies mehrere tausend Mal wiederholen und die Fotos aus allen Blickwinkeln zusammenfügen, erhalten wir ein dreidimensionales Bild: die Struktur des Moleküls.

... Sie sprachen eingangs von „zeitlicher Veränderung“: Machen Sie auch Filmaufnahmen?

Ja, das wird durch die extrem kurze Dauer der Röntgenblitze möglich sein! Außerdem kann der XFEL bis zu 27.000 dieser Röntgenblitze pro Sekunde erzeugen, eine dramatische Steigerung im Vergleich zu den 120 Blitzen, die der bisher stärkste XFEL im kalifornischen Stanford pro Sekunde produziert. Also können wir auch entsprechend viele Bilder in kurzer Zeit aufnehmen, sodass die Messzeiten deutlich kürzer werden. So können wir viel genauer als bisher möglich in die Struktur der Biomoleküle hineinblicken.

Wozu ist das gut?

Die Anwendungsbereiche und die Chancen für die Wissenschaft sind vielfältig. Das reicht von der Materialforschung bis zu den Lebenswissenschaften und der Medizin. Meine Lübecker Kollegen und ich erforschen Proteine, die bei Krankheiten eine zentrale Rolle spielen. Wenn wir am XFEL die Struktur dieser Biomoleküle genauestens unter die Lupe nehmen, können wir auch die Wechselwirkung mit anderen Stoffen erforschen – beispielsweise mit Medikamenten. Und basierend auf unseren Daten können dann gezielt neue Medikamente gegen Krankheiten entwickelt werden. Das nennen wir strukturbasiertes Wirkstoffdesign.

Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

Ein Beispiel ist das Protein Cathepsin B des Parasiten Trypanosoma brucei, des Auslösers der Schlafkrankheit. Durch Aufklärung seiner Struktur konnten wir im Jahr 2012 am damals stärksten XFEL in den USA erstmals nachweisen, dass die Röntgenlaser-Methode zur Entschlüsselung der molekularen Baupläne von Proteinen geeignet ist. Gleiches wollen wir nun mit Proteinen machen, die bei Alzheimer und bei der Infektion mit Hepatitis C-Viren wichtig sind.

Wieso sind Proteine, also Eiweiße, für Ihre Arbeit entscheidend?

Proteine sind die molekularen Maschinen des Körpers: Sie halten den Stoffwechsel am Laufen. Andererseits können sie durch Fehlfunktionen auch Krankheiten auslösen. Mit dem XFEL können wir sowohl die Struktur von Proteinen als auch deren Funktion so detailliert wie nie zuvor entschlüsseln. Und dieses neue funktionelle Verständnis kann neue Ideen zur Wirkstoffentwicklung liefern.

Sie betreiben Grundlagenforschung, danach sind die Praktiker gefragt… Was denken Sie: Wie schnell kommen Ihre Forschungsergebnisse Kranken zugute?

Das ist leider schwer vorherzusagen. Wir liefern mit unserer Forschung die theoretischen Baupläne für neue Medikamente, die dann praktisch umgesetzt werden müssen. Die nachfolgende Wirkstoffentwicklung und Zulassung dauert dann in der Regel noch mehrere Jahre. Aber wir hoffen natürlich, dass die neuen Informationen zeitnah zu neuen Medikamenten führen.

Herr Redecke, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei Ihren Experimenten!

Zur Person

Lars Redecke leitet die Arbeitsgruppe "Strukturelle Infektionsbiologie unter Anwendung neuer Strahlungsquellen (SIAS)" am Institut für Biochemie der Universität zu Lübeck und am DESY in Hamburg. Das Ziel der Arbeitsgruppe ist die Anwendung von neuen, hochenergetischen Strahlungsquellen wie den Freie-Elektronen Lasern zur Strukturuntersuchung von Proteinen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung neuer methodischer Ansätze, um die Strukturen krankheitsrelevanter Proteine aufzuklären.