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Der intelligente Operationssaal: Ein Navi für Chirurgen : Datum: , Thema: Aktuelles

Wissenschaftsjahr 2018 – Arbeitswelten der Zukunft: Mediziner Andreas Melzer über computerassistierte Chirurgie, digitale Patientenmodelle und einen Operationssaal, der mitdenkt und den Operateur vor Risiken warnt. Ein Interview mit bmbf.de.

Der Operationssaal der Zukunft

Im virtuell vernetzten Operationssaal der Zukunft ist die Medizintechnik so intelligent, dass sie die aktuellen Arbeitsschritte des Operateurs erkennt und den nächsten Schritt vorausberechnet. Dieses „Mitdenken“ ermöglicht die automatische Anpassung der eingesetzten Technik an das aktuelle Operationsgeschehen. Die optimalen Gerätekonfigurationen stehen dabei genauso im Fokus wie die Bereitstellung von wichtigen Informationen für den Operateur.

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bmbf.de: Herr Melzer, am Leipziger Zentrum für computerassistierte Chirurgie (ICCAS) entwickeln Sie einen intelligenten Operationssaal: Ersetzen in Zukunft Künstliche Intelligenzen und Roboter den Operateur?

Andreas Melzer: Ärzte durch Roboter oder Künstliche Intelligenz zu ersetzen, ist nicht unser Ziel. Wir entwickeln Technologien, die Chirurgen vor und während einer Operation unterstützen sollen. Dabei behält der Arzt jederzeit die Kontrolle über all seine Instrumente und Geräte.

Wie genau sieht diese Unterstützung aus?

Professor Dr. Andreas Melzer
Prof. Dr. Andreas Melzer, Direktor des Leipziger Zentrums für computerassistierte Chirurgie (ICCAS) © ICCAS

Der intelligente OP denkt mit, denkt voraus und passt sich an. Er erkennt automatisch, was der Chirurg gerade tut und er weiß, was er als nächstes tun wird. So kann das System den Operateur auch vor Risiken warnen, mögliche Operationsschritte oder Alternativen anzeigen und jederzeit wichtige Informationen über den Patienten liefern.

… klingt nach einem „Navi“ für Chirurgen?

Genau – und dieses Navigationssystem befindet sich auf einem Bildschirm direkt am OP-Tisch. Auf der sogenannten Workflow-Prozesskarte sieht der Operateur, an welcher Stelle des chirurgischen Eingriffs er sich gerade befindet und welcher Schritt als nächstes kommt.

Der OP denkt also und der Chirurg führt aus…

Nein, das System schreibt nichts vor: Es zeigt Möglichkeiten auf, reagiert flexibel auf jeden Arbeitsschritt und passt die Einstellungen der OP-Geräte und -Systeme dem jeweiligen Vorgehen an. Therapie- und Behandlungsentscheidungen trifft jederzeit der Arzt und er kann diese mit den Vorschlägen des OP-Systems vergleichen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie die innovative Technik dem OP-Team hilft?

Ein Beispiel ist der Einsatz von modernsten Bildgebungsverfahren wie Röntgen-, CT-, MRT-, Hyperspektrale-Bildgebung oder Thermographie direkt im OP – die sogenannte intraoperative Bildgebung. Damit kann der Chirurg während des Eingriffs wichtige Strukturen wie Blutgefäße, Muskeln oder Organgrenzen aufspüren. So wird das Risiko minimiert, diese Strukturen zu verletzen, während bösartiges Gewebe sicher entfernt wird. Der Chirurg kann dadurch entspannter und sicherer arbeiten – was letztlich dem Patienten zugutekommt.

Warum ist es wichtig, dass der OP die Patientendaten kennt?

Moderne Untersuchungsverfahren liefern sehr viele Daten, die für den einzelnen Arzt kaum noch überschaubar sind. Wir entwickeln am ICCAS ein digitales Patientenmodell, das diese Informationen – zum Beispiel anatomische, physiologische und genetische Daten – strukturiert und unmittelbar während der Operation anzeigen kann. Denn ein möglichst ganzheitliches individuelles Bild über den Zustand des Patienten kann für den Erfolg der Operation entscheidend sein.

Noch ist Ihr intelligenter Operationssaal ein Modell: Wann gehört er zum Klinikalltag?

Wir wollen unsere Vision in den nächsten 5 bis10 Jahren verwirklichen. Unser Ziel ist ein “Chirurgisches Cockpit“: Ein umfassendes Assistenzsystem, das die wichtigen Arbeitsabläufe im Operationssaal überwacht und den Chirurgen von der Informationsanalyse über die Therapieentscheidung bis hin zur Therapiedurchführung unterstützt. Der Chirurg kann dann alle wichtigen Informationen anfordern und sofort auf einem zentralen Monitor oder im Okular seines Operationsmikroskops angezeigt bekommen. Gelingt uns das, wäre das ein enormer Schritt für die Sicherheit der Patienten während einer Operation.