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„Der Eisschmelze einen Schritt voraus“ : Datum: , Thema: Forschung

Mit ihrem Team misst sie seit neun Jahren die Dicke des Meereises in der Antarktis. Noch hat sich das Eis nicht verändert. Warum das trotzdem kein Grund zum Ausruhen ist, erläutert Forscherin Stefanie Arndt im Gespräch mit bmbf.de.

Das Überwinterungsteam und Stefanie Arndt (links) beim monatlichen Messen der Meereis- und Schneedicke.
Das Überwinterungsteam und Stefanie Arndt (l.) beim monatlichen Messen der Meereis- und Schneedicke. © AWI / Jan Rohde

Frau Arndt, erst kürzlich sind Sie von einer Forschungsreise in die Antarktis zurückgekehrt, in wenigen Wochen geht es schon wieder los – ist das ewige Eis Ihr neues zu Hause?

Stefanie Arndt: Ich würde sagen, dass es meine dritte Heimat ist. Inzwischen habe ich mehr als ein Jahr an Bord unseres Forschungseisbrechers „Polarstern“ verbracht. Ich habe an sechs Expeditionen in die Antarktis teilgenommen, jetzt startet bald die siebte – da kommt einiges zusammen.

Gerade waren Sie auf einer tonnenschweren Station, die „laufen“ kann. Wie funktioniert das?

Das ist faszinierend, ich habe es jetzt zum ersten Mal miterlebt. Die Neumayer III Station steht auf hydraulischen Ständern, die einzeln hochfahren können. Das passiert bei vollem Betrieb, das Wackeln ist dann auf der ganzen Station zu spüren. Wenn ein Fuß in der Luft hängt, schieben Mitarbeiter Schnee darunter und verdichten ihn, und dann geht es am nächsten Ständer weiter. Das wird allerdings nur einmal im Jahr gemacht, um nicht im Schnee zu versinken. Der Aufwand ist groß: Das gesamte Umsetzen dauert mehrere Tage.

Welchen direkten Nutzen bringt Ihre Forschung den Menschen in Europa?

Das Meereis ist ein wichtiger Teil unseres Klimasystems. Es bildet eine Barriere zwischen Wasser und Luft, also zwischen Ozeanen und der Atmosphäre. Wenn Eisflächen abschmelzen, verschiebt sich diese Barriere, und der Austausch zwischen den einzelnen Systemen verändert sich. Diese Veränderungen kommen mit Verzögerung auch zu uns, zum Beispiel in Form von Klimaveränderungen. Unsere Arbeit in der Antarktis ist so gesehen eine Art Frühwarnsystem für weltweite Klimaveränderungen, auch hier in Europa.

Sie haben das Meereis in der Atka-Bucht untersucht. Welche Ergebnisse bringen Sie mit?

Wir vermessen das Meereis der Atka-Bucht und seine Eigenschaften regelmäßig seit neun Jahren entlang einer Linie von 24 Kilometern. Dabei haben wir herausgefunden, dass die Dicke des Meereises konstant ist, sie liegt immer bei etwa eineinhalb bis zwei Metern. Auch in diesem Jahr haben wir diesen Wert wieder gemessen.

Das heißt, es gab in all den Jahren keine nennenswerten Veränderungen?

… das hört sich zunächst etwas langweilig an, ich weiß. Trotzdem ist diese Erkenntnis enorm wichtig. Um das zu verstehen, müssen wir in die Arktis schauen, wo wir seit vielen Jahren einen erheblichen Rückgang des Eises verzeichnen. Dort haben wir mit den Untersuchungen erst begonnen, als die Veränderung und Abnahme der Meereisausdehnung bereits im Gange war. In der Antarktis sind wir jetzt früher dran und können die Prozesse von Beginn an viel genauer beschreiben.

Sie erarbeiten der Forschung also einen Zeitvorteil?

Genau, wir wollen der Entwicklung, dem Schmelzen des Eises, dieses Mal einen Schritt voraus sein. Durch unsere Messungen wissen wir, dass wir in der Antarktis noch ein paar Jahre Zeit haben. Diese Zeit müssen wir aber dringend nutzen, um das bereits vorhandene Wissen aus dem Norden, also der Arktis, in den Süden zu transferieren. Die Station Neumayer wird deshalb in den kommenden Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen.

Frau Arndt, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Stefanie Arndt forscht als Meereisphysikerin am Alfred Wegener Institut. Sie promovierte an der UniversitätBremen und am Alfred-Wegener-Institut zum Thema saisonaler Oberflächeneigenschaften von arktischem und antarktischem Meereis und ihrem Einfluss auf das Lichtfeld unter dem Eis basierend auf Fernerkundungs- und Beobachtungsdaten. Arndt verantwortet das gesamte Programm zur Messung der Dicke des Meereises in der antarktischen Atka-Bucht. Weitere Schwerpunkte sind die Messung von Veränderungen der Schneedecke auf dem Meereis sowie der Einsatz von Messbojen.