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Arktisforscher messen Rekordkonzentration von Mikroplastik im Eis : Datum: , Thema: Forschung

Das Ergebnis ihrer neuesten Studie hat selbst erfahrene Arktisforscher überrascht: Ein Liter Meereis kann mehr als 12.000 Teilchen Mikroplastik enthalten. „Wir müssen den Plastik-Hahn zudrehen“, mahnt Erstautorin Ilka Peeken im Interview mit bmbf.de.

Ilka Peeken
AWI-Forscherin Ilka Peeken nahm auf drei Arktis-Expeditionen Meereisproben. Die hohe Konzentration an Mikroplastik hat selbst die erfahrene Biologin überrascht. © Alfred-Wegener-Institut / Svenja Kohnemann

Bmbf.de: Sie haben Konzentrationen von mehr als 12.000 Teilchen Mikroplastik pro Liter Meereis gemessen. Hat Sie diese hohe Konzentration überrascht?

Ilka Peeken: Es war zu erwarten, dass die Plastikkonzentrationen im Eis höher als im Wasser sind. Denn bei der Eisbildung funktioniert das Eis wie ein Sieb, in dem sich besonders viele Partikel verfangen. Aber dass die Konzentrationen so hoch sind, damit haben wir nicht gerechnet.

Zum Vergleich: Wie hoch sind die Konzentrationen in deutschen Flüssen?

Die kürzlich veröffentlichen Konzentrationen sind mehrere Größenordnungen niedriger. Allerdings wurden bei diesen Studien vermutlich die winzig kleinen Partikel durch die angewendete Probennahme nicht vollständig erfasst. Da wir ein neues, automatisches Messverfahren angewendet haben, lassen sich unsere Messergebnisse auch nur bedingt mit anderen Studien vergleichen.

Welche Auswirkungen hat das Mikroplastik auf die Lebewesen in der Arktis?

Es gibt einige Hinweise darauf, dass Tiere geschädigt werden. So könnten Weichmacher aus dem Plastik in den Därmen von Tieren gelöst werden. Weiterhin wurden Entzündungen im Gewebe von Muscheln gefunden. Wir haben festgestellt, dass mehr als die Hälfte der im Eis eingeschlossenen Mikroplastik-Teilchen kleiner als ein Zwanzigstel Millimeter waren und damit problemlos von arktischen Kleinstlebewesen wie Wimperntierchen, aber auch Ruderfußkrebsen gefressen werden können. Es gibt aber auch Studien die zeigen, dass Plastikpartikel einfach wieder ausgeschieden werden, ohne den Tieren zu schaden. Welche Gefahr Mikroplastik für Lebewesen bedeutet, ist daher noch nicht abschließend geklärt.

Woher stammen Ihre Proben?

Wir haben auf drei Arktis-Expeditionen mit dem Forschungseisbrecher POLARSTERN im Frühling 2014 und im Frühjahr und Sommer 2015 Bohrkerne aus fünf verschiedenen Ozean Regionen genommen. Diese haben wir dann in unserem AWI-Labor auf Helgoland in der Arbeitsgruppe „Mikrobielle Ökologie“ von Gunnar Gerdts zur Messung vorbereitet und untersucht.

Wie sind Sie vorgegangen, um die Konzentration von Mikroplastik in den Proben zu bestimmen?

Beim Arbeiten mit den Proben darf es zu keiner Verunreinigung kommen – beispielsweise durch die Umgebung oder Werkzeuge. Dafür gibt es eine spezielle Sicherheitswerkbank. In unserem Labor haben wir die Eiskernsegmente geschmolzen, gefiltert und chemisch behandelt, um organische Bestandteile zu zerstören. So bleibt letztlich nur das Mikroplastik zurück, das wir mit einem sogenannten Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer detektieren können. Durch das bereits erwähnte neue Auswerteverfahren, das mein Kollege Sebastian Primke entwickelt hat, können wir selbst winzigste Partikel erfassen. Auch das ist ein Grund für die extrem hohe Genauigkeit unserer Messungen. Damit wir unsere Werte mit anderen Messungen vergleichen können, brauchen wir aber künftig unbedingt einheitliche Messmethoden für die Bestimmung von Mikroplastik.

Verraten die Bohrkerne Ihnen, seit wann es Mikroplastik in der Arktis gibt?

Leider nein. Das Eis, das wir in der Arktis finden, ist überwiegend nur ein bis zwei Jahre alt.

Woher kommt das Mikroplastik in der Arktis?

Neben einem deutlichen Eintrag aus dem atlantischen Einstrom vermuten wir, dass sich auch Überreste aus einem Müllstrudel aus dem Pazifik in Bohrkernen aus der zentralen Arktis nachweisen lassen.

Trägt auch die Schifffahrt zur Verschmutzung bei?

Ja, diese Vermutung liegt nahe: In der sibirischen Arktis haben wir vor allem Schiffslacke, Antifouling-Beschichtungen, Nylon aus der Fischerei und Zellulose-Acetat, das typisch für Zigarettenfilter ist, gefunden. Das deutet auf die Verschmutzungen aus der Schifffahrt inklusive der Fischfangflotten hin. Für beide hat sich das Aufkommen in den letzten Jahren um einiges vervielfacht.

Welche Konsequenzen müssen wir aus Ihren Forschungsergebnissen ziehen?

Wir müssen den „Plastik-Hahn“ zudrehen! Im Gegensatz zu Holz verrottet Plastik leider nicht. Wir sollten daher nicht länger so sorglos mit Plastik umgehen. Gesamtgesellschaftlich sollte darauf gedrungen werden, die Plastikproduktion, wo es möglich ist, auf abbaubare Produkte umzustellen.

Verändert Ihre Arbeit auch Ihren persönlichen Umgang mit Plastik?

Seitdem ich gesehen habe, dass Plastik selbst in die entlegensten Winkel der Erde vordringt, achte ich viel bewusster auf meinen Umgang mit Plastik. Meine Fleece-Jacken habe ich beispielsweise gegen Wolljacken eingetauscht.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Peeken.

Förderung durch das Bundesforschungsministerium

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt die Forschungsarbeiten des Alfred-Wegener-Instituts über die institutionelle Förderung. Der Forschungseisbrecher POLARSTERN ist Eigentum der deutschen Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das es dem Alfred-Wegener-Institut zur Nutzung für die Forschung in den Polarregionen überlässt.

Über die Gefahr, die Mikroplastik für unsere Meere und Ozeane bedeutet, informiert die vom BMBF geförderte Wanderausstellung „Ocean Plastics Lab“, die im Juni 2018 in Washington D.C. und anschließend in Kanada zu sehen ist. Im Oktober 2018 ist die Ausstellung anlässlich der internationalen Arktiskonferenz in Berlin zu Gast.

Mit dem Förderschwerpunkt „Plastik in der Umwelt“ sowie den Förderinitiativen JPI Oceans "Ökologische Auswirkungen von Mikroplastik" und BONUS Blue Baltic unterstützt das Bundesforschungsministerium die ganzheitliche Untersuchung des Eintrages, der Auswirkungen und des Verbleibs von Mikroplastik in der Umwelt bis zum Verbleib in den Weltmeeren. Im JPI Oceans-Projekt BASEMAN (http://www.jpi-oceans.eu/baseman) entwickeln europäische Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts international einheitliche Messmethoden für Mikroplastik entwickeln, um Ergebnisse aus verschiedenen Regionen und aus unterschiedlichen Laboren miteinander vergleichen zu können.