Ist Wasser gleich Wasser? Tatsächlich kann Wasser, zumindest bei besonders niedrigen Temperaturen und damit bei langsamer Eiskristallisation, in zwei Varianten auftreten – als Flüssigkeit mit hoher Dichte (HDL, High Density Liquid) und als Flüssigkeit mit niedriger Dichte (LDL, Low Density Liquid). Es gibt also zwei unterschiedliche Formen von Wasser, die hier sinnbildlich als Ausstellungsstücke zu sehen sind. Herausgefunden wurde dies mithilfe einer Röntgenuntersuchung und in Kooperation mit Stockholmer Forschenden am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY). Doch nicht nur am DESY, auch in zahlreichen weiteren universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen geht die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung elementaren Fragen nach, wie etwa:
- „Was sind die kleinsten Bausteine unserer Materie?“
- „Wie ist das Universum entstanden? Und wie wird es sich entwickeln?“
- „Gibt es Leben auf anderen Planeten?“
- „Welche Eigenschaften haben bestimmte Materialien – und warum?“
- „Wie funktionieren die Prozesse in den Zellen unseres Körpers?“
Förderung von Spitzenforschung in Deutschland
Naturwissenschaftliche Grundlagenforschung ist die Basis für Erkenntnisgewinn und Fortschritt. Aufbauend auf den Ergebnissen mehrerer Jahrhunderte entstehen daraus Anwendungen, Innovationen und neue Technologien. Da auf diesem Fundament auch die deutsche Wirtschaftsleistung gründet, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung investiert beispielsweise national oder zusammen mit internationalen Partnern in wissenschaftliche Großgeräte wie Großteleskope oder Teilchenbeschleuniger. Dies ermöglicht Forscherinnen und Forschern in Deutschland an weltweit führenden Forschungsinfrastrukturen aktuellen Forschungsfragen nachzugehen. Wie aktuell die Forschung ist, wird beispielsweise am European X-Ray Free-Electron Laser (European XFEL), dem weltweit größten Röntgenlaser, deutlich. Drei der Nobelpreise, die in den vergangenen Jahren vergeben wurden, haben einen direkten Bezug zu European XFEL in Schenefeld: Donna Strickland (Nobelpreis für Physik 2018), Anne L'Huillier (Nobelpreis für Physik 2023), David Baker (Nobelpreis für Chemie 2024).
Die institutionelle Förderung der Wissenschaftsorganisationen, wie die Helmholtz-Gemeinschaft oder die Max-Planck-Gesellschaft, die eigene Großgeräte betreiben, wird dabei ergänzt durch das Förderinstrument der Verbundforschung. Die Verbundforschung ermöglicht Forscherinnen und Forschern aus deutschen Universitäten die wissenschaftliche Beteiligung an weltweit führenden Großgeräten – wie etwa dem Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am CERN in der Schweiz. Die gezielte Projektförderung erlaubt es zudem, innovative Experimente und Apparaturen für die Großgeräte zu entwickeln. Dadurch werden diese Geräte international wettbewerbsfähig gehalten, neue grundlegende Erkenntnisse gewonnen und im Ergebnis wichtige Beiträge zur Zukunftsvorsorge geleistet.
Higgs, Planeten und Zellen: Der lange Atem zählt
Im Jahr 2012 wurde am größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem LHC, das Higgs-Boson entdeckt. Mehr als 50 Jahre lang suchten Forscherteams nach diesem Elementarteilchen, das allen anderen ihre Masse verleiht. Der Nobelpreis für Physik ging 2013 an Peter Higgs und François Englert, die das Teilchen in den 1960er-Jahren vorhergesagt hatten. Die Entdeckung des Teilchens war nur möglich durch die internationale Finanzierung des LHC, mit dem Bundesforschungsministerium als größtem Beitragszahler.
Mitte der 1990er-Jahre entdeckten Astronominnen und Astronomen die ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Heute sind fast 2.000 dieser extrasolaren Planeten bekannt. Leben, wie wir es kennen, fand man bisher auf keinem dieser Exoplaneten. Mit modernsten Teleskopen wie etwa dem European Extremely Large Telescope (E-ELT) können Astronominnen und Astronomen in den kommenden Jahren auch außerhalb unserer direkten kosmischen Nachbarschaft hinsehen. Vielleicht entdecken sie demnächst die ersten Hinweise auf einen belebten Zwillingsplaneten unserer Erde.
In unseren Zellen entstehen laufend neue Proteine. Wie dabei spezielle Biomoleküle, die Ribosomen, ihre Arbeit verrichten, untersuchten zuerst Ada Yonath und ihr Team mit einem Verfahren, das als Röntgenstrukturanalyse bezeichnet wird. Mit intensivem Röntgenlicht konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schließlich die Struktur des Ribosoms entschlüsseln und erhielten dafür 2009 den Nobelpreis für Chemie. Dafür braucht es Elektronenbeschleuniger wie heute bei ESRF in Frankreich oder PETRA III in Hamburg, die mit Mitteln des Forschungsministeriums gebaut und betrieben werden. Hier lässt sich eine besondere Art von Röntgenstrahlung – die Synchrotronstrahlung – erzeugen.
Diese Beispiele zeigen: Zum einen ist naturwissenschaftliche Erkenntnis interessant und relevant für unsere Gesellschaft – auch heute noch sind viele grundsätzliche Fragen nicht erforscht. Zum anderen braucht Naturwissenschaft einen langen Atem. Planungszeiträume für Versuchsreihen oder den Bau von großen Experimenten werden eher in Jahrzehnten als in Jahren gemessen. Daher ist die Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung langfristig ausgelegt. Die Entscheidungen für Bau, Betrieb und Rückbau von Großgeräten werden gemeinsam mit internationalen – besonders europäischen – Partnern getroffen. Dabei gestaltet das Ministerium eine weltweit führende Forschungslandschaft im Dialog mit der Wissenschaft.
Redaktionsschluss dieses Textes: 01.11.2024