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Die Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung durch gefährliche Erreger nehmen zu: Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung, des globalen Reiseverkehrs und des Klimawandels kommen immer mehr Menschen mit ihnen in Kontakt. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass es auch künftig Ausbrüche bislang unbekannter Erreger geben wird. Epidemien oder Pandemien dann zu verhindern oder ihnen besser zu begegnen, ist eine Herausforderung, der sich Gesellschaften weltweit stellen müssen. Wissenschaft und Forschung kommt dabei eine besondere Aufgabe zu.
BMBF-Förderung zur Bewältigung von Corona
Die Corona-Pandemie zählt mit 700 Millionen Infektionen und 7 Millionen Toten weltweit zu den schwersten Panedemien in der jüngsten Geschichte der Menschheit. Die Forschungsförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat dazu beigetragen, COVID-19 und mögliche Langzeitfolgen der Krankheit besser zu verstehen. Diagnostika, Impfstoffe und Medikamente wurden entwickelt, wissenschaftliche Forschung und klinische Versorgung miteinander vernetzt. Bestehende Forschungsaktivitäten wurden ausgeweitet und neue Förderprogramme auf den Weg gebracht – von der Erforschung virologischer Grundlagen bis hin zu Long- und Post-COVID. Ein Überblick:
Nationales Sonderprogramm zur Impfstoffentwicklung
Im Sommer 2020 startete das BMBF ein Sonderprogramm, das die Impfstoffentwicklung mit rund 591 Millionen Euro unterstützte. Darüber wurde auch das Unternehmen BioNTech gefördert, dessen Vakzin gegen SARS-CoV-2 schon Ende 2020 in der Europäischen Union zugelassen wurde.
Sonderprogramm zur Beschleunigung der Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2
Arzneimittel gegen COVID-19
Mit zwei Richtlinien zur Förderung von Forschung und Entwicklung dringend benötigter Therapeutika gegen COVID-19 wurde die klinische Entwicklung und Prüfung erfolgsversprechender Arzneimittelkandidaten mit 58 Millionen Euro vorangetrieben.
Forschung und Entwicklung dringend benötigter Therapeutika gegen SARS-CoV-2
Forschung und Entwicklung dringend benötigter Therapeutika gegen SARS-CoV-2 II
Arzneimittel und Herstellungskapazitäten
Mit 84 Millionen Euro unterstützten das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das BMBF die späteren Phasen der Arzneimittelentwicklung gegen COVID-19.
Corona-Forschung der Helmholtz-Gemeinschaft
Auch Forscherinnen und Forscher der Helmholtz-Gemeinschaft arbeiten intensiv an Fragen rund um COVID-19. Sie erstellen zum Beispiel Modellrechnungen über die Ausbreitung der Krankheit, untersuchen Langzeitverläufe und beobachten die Folgen der Pandemie.
Corona-Forschung der Helmholtz-Gemeinschaft
Spätfolgen von COVID-19
Auch bei einem vergleichsweise milden Krankheitsverlauf von COVID-19 kann es zu körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen kommen, die Wochen und Monate später anhalten. Diese Spätfolgen sind komplex, in ihrer Intensität und Dauer unterschiedlich und oft nur schwer von anderen Krankheitsbildern abzugrenzen. Bei einem Teil der Langzeit-Betroffenen können sich Symptome entwickeln, die einer anderen Erkrankung ähneln – der Myalgischen Enzephalitis beziehungsweise dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Die ME/CFS ist durch anhaltende extreme Erschöpfung und ausgeprägte Belastungsintoleranz gekennzeichnet, die sich durch alltägliche Anstrengungen verstärken.
BMBF-Forschungsförderung zu möglichen Spätfolgen
In Deutschland laufen zahlreiche wissenschaftliche Studien, um die Spätfolgen der COVID-19-Erkrankung und des Chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS) besser zu verstehen. Um die vorhandenen Potenziale bestmöglich auszuschöpfen, verzahnt das BMBF die Projektförderung mit der Forschung der langfristig geförderten Einrichtungen. Die Förderung wird mit der Forschungsförderung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eng abgestimmt.
Seit 2023 fördert das BMBF beispielsweise Verbundprojekte zu interaktiven Gesundheitslösungen, die die Versorgungssituation von Post-COVID-Erkrankten verbessern sollen. Sie leisten unter anderem einen wertvollen Beitrag zur Erfassung der vielfältigen Symptome und deren Deutung, geben verständliche Information zu der komplexen Erkrankung und schaffen technologische Unterstützung im Alltag.
Post-COVID-Verlauf optisch erfassen
Ein optisches System zur berührungslosen Messung und Übertragung von Vitalparametern soll die medizinische Behandlung von Post-COVID-Betroffenen verbessern. Ein Kamerascan ermöglicht ein kontinuierliches Monitoring und die Anpassung der Therapie an den jeweiligen Gesundheitszustand.
Interaktive Plattform zur Post-COVID-Betreuung
Eine lernfähige und hybride Plattform soll Menschen mit Post-COVID-Syndrom schnell und fachgerecht über ihren Gesundheitszustand informieren. Das System soll auch von Ärztinnen und Ärzten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen genutzt werden; sie prüfen Diagnosen und empfehlen medizinische Maßnahmen.
Post-COVID-App erleichtert Kommunikation
In enger Zusammenarbeit mit Post-COVID-Betroffenen und medizinischem Personal entwickelt ein Forschungsteam eine mehrsprachige App, mit der sich Symptome per Spracheingabe erfassen lassen. Die App hilft beim Verständnis der eigenen Erkrankung und bei der Kommunikation mit medizinischem Personal.
Post-COVID-Symptome präzise unterscheiden
Kognitive Defizite und extreme Erschöpfung (Fatigue) zählen zu den häufigsten Spätfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Mithilfe interaktiver Virtual Reality-Technologien wollen Forscherinnen und Forscher objektive und präzise Kriterien zum besseren Verständnis der beiden Beschwerdebilder entwickeln.
Hybride Symptomerfassung bei Post-COVID-Syndrom
Über ein interaktives System können Post-COVID-Betroffene kontinuierlich eine Vielzahl von Zustandsbeschreibungen und Symptomen erfassen. Das System leitet die Daten zur Analyse und Diagnosestellung an medizinisches Fachpersonal weiter. So lassen sich frühzeitig adäquate Therapien einleiten.
Da zu Beginn der Corona-Pandemie die Beeinträchtigung der Lunge durch SARS-CoV-2 im Vordergrund stand, hat das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) einen Teil seiner Forschung auf die Frage ausgerichtet, wie genau die Infektion mit bestimmten Viren zu einer dauerhaften Einschränkung der Lungenfunktion führt und wie Patientinnen und Patienten besser geschützt werden können. Das Institut für Lungengesundheit, als Teil des DZL, trägt mit seinem Forschungsschwerpunkt zur Reparatur von infektgeschädigten Lungen zu diesen Erkenntnissen bei.
Netzwerk Universitätsmedizin
In der Corona-Pandemie wurde das vom BMBF geförderte Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) mit einer ganz neuen Struktur aufgebaut. Dort wird die Expertise aller deutschen universitätsmedizinischen Standorte gebündelt. Die Stärke des NUM liegt in der kooperativen Zusammenarbeit: So konnten Maßnahmenpläne, Diagnostik- und Behandlungsstrategien wissenschaftlich abgestimmt werden, um eine möglichst gute Versorgung von COVID-19-Erkrankten so zügig wie möglich für alle verfügbar zu machen.
Errungenschaften des NUM
Als international beispielhaft gelten das im NUM aufgebaute Nationale Obduktionsnetzwerk NATON, das die pathologischen und rechtsmedizinischen Institute der Universitätskliniken verbindet, sowie die Radiologie-Plattform RACOON, eine Forschungsinfrastruktur für die medizinische bildbasierte Forschung. Expertinnen und Experten im NUM entwickelten den Lolli-Test, also ein einfaches Testverfahren für Kindergärten und Grundschulen, die S3-Leitlinie zu Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen sowie die Studie IMMUNEBRIDGE zur Abschätzung der Immunität in der Bevölkerung.
Vorsorge für mögliche künftige Gesundheitskrisen
Bei Ausbrüchen eines neuen oder auch bekannten Krankheitserregers braucht es verlässliche Einschätzungen, wie sich der Ausbruch entwickeln könnte und welche Gegenmaßnahmen wirksam wären. Deshalb stärkt das BMBF die Kompetenz für mathematische Modellrechnungen in Deutschland unter anderem mit dem Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID). Epidemien von neuen Viruserkrankungen erfordern ein rasches Eingreifen. Hier ist es entscheidend, möglichst zügig Diagnostika, Impfstoffe und antivirale Medikamente zu entwickeln – ein Feld, dem sich das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) im Forschungsbereich "Neu auftretende Infektionskrankheiten" widmet.
Zoonoseforschung
Coronaviren wie SARS-CoV-2 zählen zu den sogenannten Zoonosen – Krankheitserregern, die aus dem Tierreich auf den Menschen überspringen können. Sie sind für etwa zwei Drittel aller Infektionskrankheiten weltweit verantwortlich. Zu Ihrer Erforschung ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Expertinnen und Experten aus der Human- und Veterinärmedizin sowie Umwelt- und Sozialwissenschaften vonnöten. Dafür steht der so genannte One-Health-Ansatz. Unter der Federführung des BMBF wurde eine Forschungsvereinbarung für One Health beschlossen, an der insgesamt sechs Bundeministerien beteiligt sind.
Pandemievorbereitung auf nationaler Ebene
Um besser auf Infektionsausbrüche vorbereitet zu sein, fördert das BMBF die Vernetzung der Gesundheitsforschung mit dem öffentlichen Gesundheits- und Veterinärwesen und der Umweltverwaltung im Sinne des One-Health-Ansatzes. Trans- und interdisziplinäre Forschungsverbünde sollen die drängendsten Forschungsfragen gemeinsam angehen.
Pandemievorbereitung auf internationaler Ebene
Bei Pandemien ist abgestimmtes Handeln der Weltgemeinschaft nötig. Daher haben die G7 den Pact for Pandemic Readiness beschlossen. Des Weiteren hat die Europäische Kommission eine Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen ins Leben gerufen. Ab 2025 wird die Europäische Union gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine Forschungspartnerschaft fördern, um die Kapazitäten in Europa so vorzubereiten, dass im Pandemiefall schnell klinische Studien durchgeführt werden können.
International wirkt das BMBF zudem an den Verhandlungen zu einem internationalen Pandemieabkommen und an der Global Research Collaboration for Infections Disease Preparedness (GloPID-R) mit, einem Zusammenschluss von Forschungsförderern.