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Was ist Fusionsenergie?
Fusion ist der Energieumwandlungsprozess unserer Sonne. Bei extrem hohen Temperaturen von 15 Millionen Grad Celsius und einem Druck von 100 Milliarden Bar verschmelzen im Zentrum der Sonne mehrere Wasserstoffatome zu einem Heliumatom. Dabei wird viel mehr Energie als in konventionellen Verbrennungsprozessen freigesetzt: die sogenannte Fusionsenergie.
Seit den 1950er Jahren versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit die Energie der Sonne für die Energiegewinnung nutzbar zu machen. Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Durchbrüche in jüngster Zeit ist noch offen, ob die Fusionsenergie nutzbar gemacht werden kann und welcher technologische Ansatz sich dann am Ende durchsetzen würde.
Wie sieht der Weg zum Fusionskraftwerk aus?
Die Technologien für ein Fusionskraftwerk sind noch lange nicht ausgereift. Bis ein funktionstüchtiges und wirtschaftliches Fusionskraftwerk Strom in unsere Steckdosen speist, ist es noch ein langer Weg. Da das internationale Rennen um ein solches Kraftwerk längst in vollem Gange ist, hat das BMBF das Förderprogramm Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk ins Leben gerufen. In diesem Rahmen fördert es technologieoffen die Erforschung aller dafür geeigneten Ansätze in Deutschland.
Das Programm skizziert drei Phasen für die Errichtung eines Kraftwerks, die überlappen können:
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bis erste Hälfte der 2030er Jahre
1
Expertinnen und Experten entwickeln die technologischen Ansätze und die für ein Kraftwerk nötigen Komponenten weiter. Dabei prüfen sie jeden technologischen Fortschritt genau und wählen gemeinsam aus, welche Ansätze und Pfade die besten Aussichten auf Erfolg haben. Diese verfolgen sie weiter.
Gleichzeitig wird die Forschungsinfrastruktur ausgebaut und werden Unternehmen unterstützt, sodass Wirtschaft und Industrie sehr gut zusammenarbeiten können. -
erste Hälfte 2030er bis Anfang 2040er Jahre
2
Unternehmen nutzen die neuen Erkenntnisse, um erste Produkte herzustellen. Ein erster Protoyp eines Kraftwerks wird gebaut.
Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik klären Fragen zum Betrieb, der Zwischenlagerung und zum weiteren (internationalem) Rechtsrahmen final. -
ab den 2040er Jahren
3
In der letzten Phase werden Fusionskraftwerke in großer Zahl errichtet und in Betrieb genommen. Der Strom aus den Fusionskraftwerken ergänzt den aus erneuerbaren Energien.
In allen folgenden Jahren verbessert die Industrie zusammen mit der Wissenschaft kontinuierlich die verwendeten Technologien und Materialien.
Deutschland verfügt über exzellentes Wissen in den Bereichen der Lasertechnik, Materialforschung oder der Plasmaphysik. Gelingt es uns, unseren Vorsprung in diesen Feldern auszubauen, macht uns das zu einem weltweit unverzichtbaren Schlüsselakteur im Bereich der Fusionstechnologien. Es geht nun darum, unsere gute Ausgangslage zu nutzen.
Plasma für die Fusionsenergie
Aus technologischer Sicht ist es hochkompliziert, Fusionsprozesse in Laboren oder Kraftwerken in Gang zu setzen. Denn Atomkerne sind positiv geladen und gleiche Ladungen stoßen sich ab. Um die Kerne dennoch fusionieren zu lassen, sind hohe Temperaturen und hoher Druck nötig. Deshalb liegt der Fusionsbrennstoff als Plasma vor. Eine Kernfrage der Fusionsforschung ist, wie man das Plasma räumlich einschließen kann.
Sterne halten Plasma durch Gravitation zusammen, auf der Erde ist das nicht möglich. Man kann das Plasma allerdings mit Hilfe von Magnetfeldern einschließen. Dieser Ansatz wird von der Magnetfusion verfolgt. Ein alternatives Konzept ist die Trägheitsfusion. Hierbei bringen hochenergetische Laser- oder Teilchenstrahlung den Fusionsbrennstoff schnell auf hohe Temperaturen und Dichten. In der Zeit, in der sich das Plasma ausdehnt, können schon ausreichend viele Fusionsreaktionen stattfinden. Welcher Ansatz und welches Verfahren schlussendlich zum Erfolg führen wird, ist noch nicht geklärt. Daher legt das BMBF großen Fokus auf eine technologieoffene Erforschung aller geeigneter Ansätze.
Magnetfusion
Bei der Magnetfusion wird innerhalb eines Gefäßes ein Gasgemisch aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium durch verschiedene Heizmethoden auf über 100 Millionen Grad Celsius erhitzt, sodass ein Plasma entsteht. Wenn dieses Plasma auf die Gefäßwand treffen würde, würde es sich sofort abkühlen. Eine Fusionsreaktion wäre damit nicht mehr möglich. Mithilfe von Magnetfeldern kann das Plasma jedoch im Gefäß eingeschlossen werden, da die vorliegenden Protonen und Elektronen den Magnetfeldlinien auf Schraubenbahnen folgen. Dadurch reduziert sich der Kontakt mit der Reaktorwand. Im Plasma können dann – ähnlich wie in der Sonne – Fusionsreaktionen stattfinden.
Der Tokamak und der Stellarator sind die zwei gängigsten Varianten eines Magnetfusionsreaktors. Beim Stellarator ist die donutartige Form im Gegensatz zum Tokamak aufgrund der unterschiedlichen Magnetfeldkonfigurationen zusätzlich in sich gewunden. Prinzipiell bringt diese Form entscheidende Vorteile mit sich. Allerdings sind die Bauteile eines Stellarators viel komplexer und sein Bau sowie seine Wartung komplizierter und kostspieliger.
Die Magnetfusion ist zurzeit der Ansatz, der am weitesten erforscht ist. In der Magnetfusionsforschung gehört Deutschland zu den weltweit führenden Nationen.
Trägheitsfusion
Bei der Trägheitsfusion wird ein Brennstoffkügelchen („Target“) schnell und stark zusammengedrückt, sodass die hohen Temperaturen und Dichten für die Fusionsreaktion erreicht werden können. Nach der Komprimierung expandiert das Brennstoffplasma. Da dieses jedoch aufgrund der Trägheit nicht unendlich schnell auseinanderfliegen kann, können währenddessen Fusionsreaktionen stattfinden. Um den Brennstoff so zu komprimieren und zu heizen, kommen oft Laser zum Einsatz. Diese Art der Trägheitsfusion nennt sich Laserfusion und wird hierzulande ausschließlich verfolgt. Auch innerhalb der Laserfusion gibt es verschiedene Verfahren. Man unterscheidet hauptsächlich zwischen dem direct drive und indirect drive. Der wesentliche Unterschied besteht darin, ob die Laserstrahlen direkt auf das Brennstoffkügelchen gerichtet werden oder ob sie über einen Umweg, also indirekt, den Brennstoff zur Kompression bringen.
In letzter Zeit haben internationale Fortschritte in der Laserfusion für Aufsehen gesorgt. Im Dezember 2022 gelang es Forschenden der National Ignition Facility des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien erstmalig, mehr Energie aus der Fusionsreaktion zu gewinnen (3,15 Megajoule) als durch die verwendeten Laserstrahlen eingestrahlt wurde (2,05 Megajoule).
Der Erfolg in den USA gilt zwar als wissenschaftlicher Meilenstein, jedoch sinkt der Wirkungsgrad des Experiments bei genauerer Betrachtung unter einem Prozent. Denn die genutzten Laser brauchen allein für ihren Betrieb das Hundertfache an Energie als sie am Ende für einen Schuss in die Fusionskammer transportieren. Doch auch in anderen Hinsichten gibt es noch einige Probleme in der Laserfusion zu lösen.
Fusionsforschung: Chancen für andere Technologiefelder
Neben dem Know-how-Gewinn für die Fusion selbst kann die Nutzung einzelner Teiltechnologien deutschen Unternehmen interessante Chancen für eine Zweit- und Drittverwertung bieten:
- Die Entwicklung von Hochfeldmagneten oder Hochtemperatur-Supraleitern kann in der Medizintechnik nützlich sein, insbesondere in der Magnetresonanztomographie (MRT) und anderen bildgebenden Verfahren.
- Für ein Fusionskraftwerk werden Materialien benötigt, die extremen Einsatzbedingungen standhalten müssen. Sie könnten auch in der Luftfahrt oder dem Weltraum genutzt werden.
- Für die Laserfusion werden neue Lasersysteme benötigt, die in einer Palette von anderen Märkten Fuß fassen könnten: Von der Medizin über die Halbleitertechnik, der Produktionstechnik bis hin zur Beschleunigertechnik.
- Weitere Beispiele sind die Bereiche der Telekommunikation, der Robotik, der Produktions- und Umweltmesstechnik, der Optikindustrie oder der Hochleistungselektronik.